■von Geschützen, die in der Ark oder Citadelle von Täbriz abgefeuert wurden,
zogen wir in den Obstgarten ein, höchlichst erfreut, den Fufs aus dem
Bügel zu heben, um in gemächlichen Bäumen der Ruhe und Erholung zu
pflegen.
Leider wurde diese wohlberechtigte Hoffnung durch weitere endlose
persische Ceremonien vereitelt. Wir hatten nämlich mühsam die kleine
Treppe erklettert, welche zu dem Hauptsaal des Königl. Ballastes führte,
waren kaum in den grofsen, buntbemalten und mit Spiegelscheiben besetzten
Saal getreten, der uns als Quartier dienen sollte, als sich in grofsem
Mafsstabe alle jene Scenen erneuerten, die wir bereits in kleinen Portionen
in den Standquartieren unserer Reise bis Täbriz sattsam genug durchgekostet
hatten. Auf den von Motten zerfressenen Filzteppichen, mit denen
der Boden des Saales in allen möglichen Richtungen bedeckt war, hatte
man gewaltige Zuckerhutladungen, Kandismassen, Theepakete, Zuckerwerk
aller Art und vieles andere, welches der Gouverneur von Täbriz als Gastgeschenk
dargeboten hatte, aufgespeichert. Ringsherum waren Stühle aufgestellt,
auf welchen die vornehmeren Perser unserer Begleitung Platz nahmen
; wer keinen Platz fand, kniete nach persischer Sitte auf den Fufsboden
nieder, die Ferrasehen des Gouverneurs und sonstige Diener des Trosses
standen in der Nähe der Thür.
Neue Anreden, Complimente, Begrüfsungen, Beglückwünschungen, Betheuerungen
!
Wir hatten mit Gottes Hülfe endlich die nöthige Einsamkeit und Ruhe
erreicht, um uns wieder in den richtigen Seelenzustand zu versetzen. Hin
und wieder störte freilich die Ankunft eines Persers mit einem Lamm unter
dem Arme, oder einer Schachtel mit Zuckerwerk in der Hand, die er
als Zeichen der Hochachtung Seitens seines Herrn dem Baron v. Minutoli
präsentirte. Natürlich blieb er Angesichts des Kurban so lange auf dem
Platze, bis er für das Pischkesch ein besonderes Enäm erreicht hatte. Sollte
es gestattet sein, die glühenden Bewunderer Preufsens unter den Persern
in Täbriz nach den empfangenen Zuckerhüten und nach den gespendeten
Tomans der Zahl nach anzugeben, so möchten z w e ih u n d e r t opferfreudige
Seelen sehr gering angeschlagen sein.
Die Besuche und Gegenbesuche, vor allen die feierliche Audienz beim
Hakim von Täbriz, dem Schahzadeh Bahr am-Mirza, zu schildern, wird man
uns gern erlassen. Der Prinz, in den fünfziger Jahren seines Alters stehend,
hat einen sehr milden Ausdruck. Er ist ein Enkel Feth-Ali- Schahs
und der Onkel des Schahs Nassr-ed-din. Er gehört somit zur Zahl jener
unglaublich reichen Familie, die Feth-Ali-Schah seiner Dynastie hinterlassen
hat. Derselbe hatte als Gemahl von etwa hundert Frauen 57 männliche
und 203 weibliche Kinder erzeugt. Als er starb, im Jahre 1834, hatte
er das Glück, von 784 Söhnen, Enkeln u. s. w. beweint und betrauert zu
werden. Es versteht sich von selber, dafs eine so grofse Familie eine ganz
besondere Stütze der einheimischen Dynastie sein mufs. Die einflufsreich-
sten und wichtigsten Stellen und Aemter, vorzüglich die Plätze als Gouverneure
der hauptsächlichsten Städte und Provinzen Persiens, sind ihnen
übergeben, so dafs das ganze Land mit einem Netz kadscharischer Beamten
überzogen ist, welche' alle durch gemeinsame Sympathien miteinander
verbunden sind und als die wesentlichste Stütze der gegenwärtigen Dynastie
dastehen. Andererseits mufs aber auch nicht verschwiegen werden, dafs
bei einer so zahlreichen Familie königlichen Ursprunges das Land immer
mehr und mehr verarmen mufs, da jedes Mitglied derselben Anspruch auf
standesmäfsigen Unterhalt und Lebensweise macht.
Der Yater Bähram-Mirza’s, der vor dem Tode seines Erzeugers, 'Fethr
Äli-SchaKs, dahingeschiedene persische Naib-Sultaneh oder Kronprinz
Abbas-Mirza hat einen besonderen Ruf in der neueren persischen Geschichte.
Durchaus gewonnen und eingenommen von den Fortschritten europäischer
Civilisation, war er nach allen Seiten hin bestrebt, die segensreichen Einrichtungen
Frengistans, so weit dies möglich war, auf persischen Boden zu
verpflanzen. Leider fand er in dem Fanatismus Feth - A liS ch a h 's Hindernisse,
die er nicht zu überwältigen vermochte. Nach langer Ueberredung
setzte er allein die Organisation einer nach europäischem Muster bewaffneten
und geschulten Armee (nizäm) durch. Unter der Leitung französischer
und englischer Offiziere, an ihrer Spitze der französische General
G a rd a n n e , trat im Jahre 1808 der persische nizäm zu Teheran ins Leben.
Täbriz, einst blühend und reich an schönen Bauten und Denkmälern,
deren Gröfse selbst die wenigen traurigen Reste bekunden, die den Sturm
der Zeiten bis auf den heutigen Tag überlebt haben, hatte allmählig durch
Krieg und Erdbeben (zilzileh) so viel gelitten, dafs die Stadt elend herunterkam.
Erst seit dem Regimente des vorhergenannten Schahzadeh Abbas-
Mirza fing sie an, sich einigermafsen zu erholen und als Haupthandelsplatz
Persiens eine neue Bedeutung zu gewinnen. In der Nähe der russischen