Der Postmeister erwiederte auf unsere bescheidene Anfrage,- dafs
sämmtliche Zimmer der Stanzie besetzt seien. Wir möchten deshalb in
der nahegelegenen Gostinitza oder dem Hotel des Orts absteigen. Auch
in dem Hotel war kein Platz zu linden. Draufsen auf der Strafse konnten
wir mit unserem Gepäck und unserer Kälte nicht bleiben, also drangen
wir in das nächste beste besetzte Postzimmer ein, —
Auf einer Holzpritsche, vor den Kamin herangerückt, safs halb entkleidet
ein junger, bildschöner Mann. Sein schwarzes seidenartiges Haar
an Kinn und Haupt wallte in Locken um Bimst und Schultern. Er blickte
mit seinen brennend schwarzen Augen melancholisch in die züngelnden
Flammen, die vom Kamin her seine ganze Gestalt matt, aber doch deutlich
genug erleuchteten.
Seine Füfse waren unbekleidet. Ein langes schwarzes Gewand umhüllte
nachlässig geschlungen den halben Leib. Ein kleines Diamantkreuz
blitzte im Flammenwiederscheine am Halse des jungen Mannes.
Zu seinen Füfsen kauerte in der Tracht der Tscherkessen ein anderer
ziemlich gleichaltriger Kaukasier, minder Schön als er.
Mit langsamen Handbewegungen unterhielt dieser das Feuer.
Ein dritter lag auf einer Pritsche in einer entgegengesetzten Ecke des
Zimmers und schien zu schlafen.
Ein fliefsendes Talglicht, auf eine Flasche gesteckt, erleuchtete von
einer anderen Seite her mit mattem Scheine die Menschengruppe in dem
schlechtgeweifsten Zimmer.
Der schöne Mann wendete den Kopf beim Oeifnen der Thür langsam
herum, schaute uns mit sanftem Blicke an und schien statt ärgerlich, erfreut
zu sein, dafs Gäste sein heutiges Nachtquartier mit ihm theilen wollten.
Gegenseitige Vorstellung. Hauptresultat war, dafs jene interessante
Persönlichkeit ein eingeborener Knäs oder Prinz war, der die geistliche
Würde eines angehenden Archimandriten bekleidete und nach Tiflis reiste.
Wir sind ihm später auf der Strafse in Tiflis wieder begegnet. Er
ging an der Spitze einer Procession. Er trug die hohe schwarze Mütze
der griechischen Geistlichen mit schwarzem Schleier, eine seidene Soutane
von gleicher Farbe und ein grofses Diamantkreuz auf der Brust. Die feurigen
schwarzen Augen schienen in das schöne bleiche Gesicht gar nicht
hineinzugehören.
Das Räthselhafte der Erscheinung fand später seine Auflösung. Englückliche
Liebe trieb den Fürsten D f zu dem Entschlüsse, der Welt
für immer zu entsagen und Klostergeistlicher zu werden.
Als wir ihn im Posthause zu Gori begegneten, geleitete er eine theure
Leiche gen Tiflis.
Wir waren bald in die lebhaftesten Gespräche mit ihm verwickelt.
Er konnte überaus freundlich sein und lächelte mit einem Zauber, den ich
selbst auf einem Frauenantlitz selten gesehen habe.'
Das Anerbieten, ein bescheidenes Souper mit uns gastfreundschaftlich
zu theilen, schlug er mit Dank ab, da die russische Fastenzeit gewisse
strenge Gebräuche in der Enthaltsamkeit von Speise und Trank vorschreibt.
Dann legten wir uns auf Pritschen und den Erdboden hin und bald
schliefen acht Tiflis-Fahrer, vom grusischen Fürsten herab bis zum deutschen
Diener, in der engen Poststube von Qori den gesegneten Schlaf übermüdeter
Pilget- ; r •
Der frühe Morgen sah uns in. drei Tejegas weiter fahren. Der Prinz
war mit seinen Begleitern lange vor uns aufgebrochen und so hatten wir
nicht einmal die Freude, ihm ein Lebewohl zu sagen.
Der steile Felsen vor unserem Auge sah wunderbar genug aus in der
Beleuchtung des dämmernden Wintermorgens im Kaukasus. Die nackten
Wände des Kegels umgürtete ein Ring von Mauern und Thürmen, die sich
vom Fufse desselben bis zum Gipfel in langen Windungen fortzogen. Von
wannen datirt die alte Feste? welche Geschlechter hausten darin? Niemand
vermag eine sichere Antwort zu geben. Wie die vielen, meist sehr romantisch
gelegenen Felsennester u n d Burgen auf den hohen Bergspitzen an den
Eingängen der Thäler und Schluchten des Kaukasus sind auch sie dem
Fluche des Sängers anheimgefallen. —
„Gott weifs es besser“, würde sich ein Mohamedaner trösten.
Wir liefsen die Feste und den Berg links liegen. In rasender Eile
trieb der versoffene Jemtschik, welcher sich kaum mehr auf der Kante des
vorderen Kastens zu halten vermochte, durch eine ziemlich breite, gut aussehende
Strafse einem Flusse zu, an dessen jenseitigem Ufer eine mächtige
Bergkette mit Klöstern und Burgruinen den Weg zu versperren schien.
Wir standen an der rauschenden Kura, dem. Kyros der Alten. Der
reifsende Bergstrom, welcher grofse Eisstücke in wildem Wogenschwalle
ortwälzte, hat vor 12 Jahren eine massive steinerne Brücke gänzlich weggespült.
In der Nähe der wenigen stehen gebliebenen Pfeiler befinden