IV. Kapitel.
Noch in K o u s ta n t in o p e l .
Den 23. Februar.
In der vergangenen Nacht war Feuer. Auch das gehört, leider Gottes!
zu den stereotypen Erlebnissen eines "Reisenden in Stambul. Die Strafsen-
wächter stiefsen mit dem Holzschaft ihrer Piken'' imaufhörlich auf das Steinpflaster
und riefen laut und vernehmlich: jangin war Galatada „in Galata
ist Feuer!“
Ein heller Lichtschein zeigte sieh in der That über den dunklen
Dächern der nächsten Hausgruppen. Wir kleideten uns schnell a n , liefen
in die Nacht hinein und begegneten in einer Querstrafse einer ächt türkischen
Feuerwehr:' einer kleinen, von vier Soldaten auf den Schultern
getragenen Feuerspritze. Am Ausgang der menschenleeren Gasse sahen
wir, dafs der Feuerschein von der Häusermasse jenseit des goldenen Hor-
nes, also nicht aus Galata herkam. Da er von Minute zu Minute abnahm,
so zogen wrir uns bald genug wieder in das warme Bett zurück.
Es ist nicht gerathen, selbst in gröfserer Gesellschaft, in Konstantinopel,
wir meinen im europäischen Theile der Stadt, nächtliche Wanderungen
anzustellen. Mord und Todschlag, Diebstahl und Brutalität sind
an der Tagesordnung. Das französische „Journal de Constantinople“ zählt
täglich eine grauenerregende Fülle der bekannt gewordenen Meuchelmorde
und Unthaten auf.
Der heutige Tag war dem Besuche einer Menge Sehenswürdigkeiten
gewidmet, zu denen uns die lehrreiche Begleitung des mit Sprache und
Sitten der Türken in gleicher Weise tief vertrauten Dolmetschers der K.
preufsischen Gesandtschaft in Konstantinopel die erwünschte, Gelegenheit
verschaffte. Zwei Kawassen dienten als schützende Eskorte, obgleich die
Sache nicht so schlimm ist. Beritten, wie wir waren, ging es über die
lange Brücke von Galata aus nach Stambul hinüber und hinein in das la-
byrinthische Gew'ühl von Gassen und Gäfschen. Ton dem erhöhten Standpunkte
auf dem Pferde aus liefs sich die dichte, unabsehbare Menge von
Menschen, Thieren und Wagen auf derselben leichter überblicken; um so
!
I mehr, als. die nach Scutari und dem Bosporus fahrenden Omnibus-Dampfer
I grade Passagiere' aus- un i einluden. Die verschleierte türkische Frauenwelt
I safs, nach der bekannten Methode der Heringsverpackung, auf dem Deck
! e i n e s Schiffes eng und unbeweglich nebeneinander. .Die zerlumpten Bettler
I gchrieen uns unaufhörlich ihr: A i tschelebi „ach Gentlemen!“ zu.
Zunächst liefsen wir unseren Thieren den Weg nach dem so berühmten
Platze A tm id a n - oder dem Hippodrom einschlagen, wobei sich Gelegen-
i heit bot, einen Theil der Bazare kennen zu lernen. Dieselben sind nach
I Art der orientalischen Märkte angelegt, und in langen, bisweilen mit Glas
bedachten Strafsen so vertheilt, dafs die Handwerker und Kaufleute gleicher
Zunft und Gilde mit ihren kleinen Buden gemeinschaftlich nebenein
ander hocken. Türken, Armenier, Griechen, Perser, Aegypter, Syrer,
Juden treiben in freundlichster Eintracht ihren Handel und Wandel. Unter
den Waaren der persischen Kaufleute i s t der Tumbaki oder der Tabak
1 zur Wasserpfeife die am häufigsten vorkommende. Ganze Ballen, in Thierfelle
eingenäht, liegen in den kleinen Buden und in den Magazinen der
Karawanserais. Ein sehr beweglicher, italienisch sprechender Jude unterstützte
durch seinen weisen Rath., gegen die erbosten Kaufleute, unseie
commerziellen Verhandlungen bei dem Ankauf von Bernstein-Spitzen und
Pfeifenrohren aus Weichselholz und Jasminstöcken, da bei den Türken
nicht sowohl das Sprüchwort: Kleider machen Leute, als Pfeifen machen
Leute, gilt. Die^Wahl der kostbaren Spitzen — die im-Preise bis zu
300 Thaler und mehr hinaufgehen — ist eine Qual, da man genau mit
der jedesmaligen Modeform und Modefarbe vertraut sein mufs. Diesmal
war die weifse, helle Farbe des Bernsteine und die Gestalt der Moscheenkuppel
von den Türken beliebt. Ein Tatarenbube von vier Jahren,
der neben uns stehend stolz wie ein Fürstenkind seine Papier - Cigarette
rauchte, schien sich zu verwundern, als nach langem Handel für vier
Spitzen mäfsiger Gröfse 10 Napoléons in blankem Golde gezahlt wurden.
Doch zurück nach dem Atmeidan! Mit besonderem Vergnügen be-
grüfste Schreiber dieses den uralten ächten Obelisken aus rothem Granit
von Syene, welcher den Leuten unter ihm, wie einst Ovid den Römein, sein
barbares hic ego sum quia non intelligor ulli
seit Jahrhunderten zuruft. Der Obelisk, eigentlich nur die gröfsere obere
Hälfte desselben, enthält unter der Darstellung gleich unter den Flächen des
Pyramidion auf jeder Seite eine einzeilige hieroglyphische Inschrift des In