
XIX. Kapitel.
I n R n s t e m - a b a d .
Wir rückten auf den Monat Juni los. Die Hitze wurde von Tag zu
Tag immer gröfser, der Staub immer unausstehlicher. Die Rosen unseres
Gartens fingen an zu welken und liefsen traurig die Köpfe hängen. Die
Früchte an den Bäumen färbten sich zusehends dunkler unter dem brennenden
Strahle der Sonne und die oberste Schneedecke des Elburs fing an
zu schmelzen und nur hier und da in den tiefen, schattigen Schluchten und
Felsspalten, wohin Sonne und Wärme nicht zu dringen vermochten, blieb
die Schneemasse wohl geborgen liegen. Der Schah und sein Harem hatten
die Stadt Teheran bereits verlassen und waren nach Niaweran gewandert.
Das Schlofs des „ Königs der Könige “, mit dem rothbehängten Balcone,
zum Zeichen der Anwesenheit des „Mittelpunktes des Weltalls“, und die
zahlreichen Zelte ringsherum konnten wir aus dem Talar unseres Gebäudes
mit unbewaffnetem Auge deutlich am Fufse des Gebirges liegen sehen. Die
Gesandtschaften waren seinem Beispiele gefolgt, Maulthiere und Pferde,
beladen und bepackt mit allem, was zum Sommer-Gampement bis zur
Küche hin gehörte, bildeten auf der Strafse nach Schimran förmliche Karawanen.
Es war an der Zeit, dafs auch wir in das Sommerlager zogen. Unser
Eltschi hatte das Glück, in Ober-Rustem-abad ein kleines Haus mit zwei
Gärten für den Preis von 65 Ducaten auf die Zeit des Sommers miethen
zu können, und da dauerte es nicht gar lange, bis wir uns in dem neuen
Menzil sommerlich eingerichtet hattem Der eine Garten, in welchem das
kleine Haus mit buntem Talar lag, hatte zwei schattige Bäume, eine Menge
kleiner Obstbäume, etliches Gebüsch, sonst aber sah er wild und unordentlich
aus und das Gras wucherte fufshoch in der Mitte. Der zweite Garten,
wie der vorige von hohen Erdmauern umschlossen, doch viel gröfser, war
eine Art von schattenloser Steppe mit wenigen Bäumen. Hierin schlugen
wir unsere Zelte auf, der Gesandte sein grofses, schönes, indisches Zelt,
ein wohlgebautes Haus von Leinewand, wir ändern die kleinen viereckigen
persischen Zelte, Die Pferde eampirten gleichfalls im Freien, längs der
Gartenmauer, geschützt gegen die brennenden Strahlen der Sonne durch
ein künstlich gebautes Laubdach.
Die Luft, anfangs kühl und milde, wurde von Tage zu Tage drückender,
das Gras starb ab und sah gelb und verbrannt aus. Wir hielten deshalb
Rath, brachen unsere Leinwandhäuser ab und schlugen sie in dem
erstbeschriebenen kleineren Garten unter den schattigen Bäumen auf. Der
Wirth unseres Hauses, Perser wie sie alle sind, sah mit Aerger, dafs ihm
die Gelegenheit genommen wurde, den Obstgarten trotz unserer gezahlten
Miethe für sich allein zu benutzen, und fing in Folge dessen Händel mit
unserem Dragoman an, der ihm mit Recht auf gut persisch die Wahrheit
sagte. Der Wirth gebehrdete sich immer toller, setzte einen Drohbrief
gegen uns auf, um selbigen dem persischen Minister des Auswärtigen zu
überreichen, ungefähr, des Inhaltes: dafs er vom Dragoman der Gesandtschaft
mit Worten verletzt worden sei, dafs es ihn schmerze, seinen guten
Ruf nicht geringer als 100 Tomän anschlagen zu können, und dafs er ihn,
den Minister des Auswärtigen, ersuche, die preufsische Gesandtschaft zu
zwingen, selbige Summe baar und richtig zu bezahlen und Quittung in
Empfang zu nehmen. Da die Klage zu spafshaft war, um ernstlich in Er
wägung gezogen zu werden, so liefsen wir ihm die Freiheit, seinen Brief,
den er jms in feierlichster Stimmung vorlas, an den Ort seiner Bestimmung
gelangen zu lassen. Der gute. Rustemabader wollte aber nur schrecken,
denn ein paar Stunden später erschien er mit. einem Korbe schöner reifer
Früchte, die er unserem Eltschi unter der Versicherung präsentirte, dafs
„die Excellenz des geehrten Wezires“ eigentlich in ihrer Art einzig dastünde,
dafs es ihm eine hohe Genugthuung gewähre, seine Gegenwart zu geniefsen,
und dafs sein Eigenthum das Eigenthum des Ministers wäre. Mal-i-men
mdl-i-schuma'st „mein Eigenthum ist euer Eigenthum“ heifst in Persien
so viel als: „Solltet ihr etwas übrig haben, so bin ich gern bere it, es als
Geschenk zu empfangen.“
Eine zweite, weniger erbauliche Geschichte ereignete sich mit einem
Derwisch; man könnte ihr als Fortsetzung der eben besprochenen Redensart
die Ueberschrift geben mdl-i-schuMa mal-i-men esi „Euer Eigenthum
ist mein Eigenthum“. - _
Bereits. während unseres Aufenthaltes im Rosengarten vor dem Schim-
ran-Thore hatten wir die Bekanntschaft eines Derwisches gemacht, der sich
unter schattigen Bäumen am Wege nach der Ausgangsthüre unseres Gartens