ÜT
artig eingemeifselt sind), natürlich mit Erlaubnifs der Besitzer, einzudringen.
Glänzend sah es darin eben nicht aus; ,den Anblick socialen Elendes
nach unsern europäischen Begriffen verzuckert der trostreiche Gedanke
bescheidenster Genügsamkeit, die freilich in der Tonne des Diogenes Mafs
und Ziel noch nicht erreicht hat.
Teppichweberei ist auch hier eine Hauptbetriebsamkeit der Weiber,
welche den Tag über damit beschäftigt sind, Wolle za spinnen, zu waschen,
zu färben und zuletzt zu schönen Teppichen zu verarbeiten, während die
Männer den Feldbau betreiben und die Kinder, meist wie sie Gott geschaffen
hat, sich vor der Thür der Wohnungen herumbalgen. In einer
Hütte, deren Thür, zugleich Fenster und Rauchfang, offen stand,' sah ich
eine junge Frau mit niedlich geflochtenen pechrabenschwarzen Zöpfen an
einem Teppich von gewöhnlicher Gröfse fleifsig aiheiten. Ich bat um die
Erlaubnifs, näher zu treten, wörauf sie mir, der ich persisch zu ihr sprach,
statt aller Antwort das Arbeitsmesser vor die Füfse warf, dafs- ich beinahe
fürchtete, ihren Unwillen, obwohl ganz unverschuldet, erregt zu haben. Sie
lachte als ich erschrocken schien, bis mir ein Djener die Sache aufklärte.
Es ist hier zu Lande Sitte, dafs die arbeitende Frau dem Eintretenden und
Zugaffenden das Messer- entgegenwirft, das jener aufzuheben und in Begleitung
eines kleinen Geschenkes der Dame des Hauses einzuhändigen hat.
Ich that dies mit möglichster Courtoisie und hatte nun Gelegenheit, der
Arbeit längere Zeit zgzuschauen.
Der Abend war ungewöhnlich heifs; ein starker Wirbelwind, der dichte
Staubmassen auf das Dorf warf, und fallende Regentropfen'stellten sieb als
Vorläufer eines Gewitters ein, das in der That nicht lange auf sich warten
liefs. Mächtige Blitzstrahlen führen unter gleich folgendem Donner aus' der
dunklen Himmelshöhe auf die Erde nieder, ganz in der Nähe des Dorfes,
hörten aber nach einer Viertelstunde beinahe gänzlich auf. Das Gewitter
schien sich nach Hamadan hinzuziehen,'bis- seine letzten Spuren in starkem
Wetterleuchten am fernen Horizonte verschwanden.
In der Nacht vom 8. z um -9.-September hiefs es wiederum früh aufstehen.
Um drei Uhr safsen wir bereits zu Pferde:,- um einen Weg von
vier Fersach bis zü dem Dorfe Bibikabdd ohne Zwischenrast zurückzulegen.
So ermüdend auch immer ein Nachtritt sein mag, der gegen den Morgen
hin einen unüberwindlichen Haüg zum Schlafen hervorzurufen pflegt, so
angenehm ist er andererseits durch die Kühle der Luft, während bei Tage
die drückendste Hitze die Wanderung auf den schattenlosen Hochflächen
Menschen wie Thieren zu äufserster Beschwerde wird. Einen nicht zu verachtenden
Vorzug gewährt nebenbei das schnellere Fortkommen; die Thiere^
ungeduldig den Stall zu erreichen, unb.elästigt durch die sengende Sonne,
nicht zum Anhalten verleitet durch den verführerischen Anblick geniefs-
baren Krautes bei hellem Tage, marschiren Nachts in rascherem Tempo
vorwärts, und folgen dem Glocken- und Schellenklang des Leitpferdes an
der Spitze der Karawane willig auf Schritt und Tritt.
So wenig Unterhaltung im Laufe einer langen Reise, wie die unsrige
war, die landschaftliche Umgebung in finsterer Nacht darzubieten vermag,
so einschläfernd der regelmäfsige Karawanenschritt der Thiere auf die
Stimmung europäischer Reisenden wirkt, so sehr schärfen sich andererseits
die fünf Sinne und so sehr fesseln die kleinsten Ereignisse des Karawanenlebens
die Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem Mafse. Das Anzünden eines
gewöhnlichen Kaliun, den die-Diener oder die Knechte des Tscherwadars
mit Wasser und Tabak gefüllt haben * das Festbinden heruntergerutschten
Gepäckes auf einem Thiere, das plötzliche-Herunterfallen eines verschlafenen
Dieners oder Soldaten, das Gebet des Tscherwadars sind auf der
Karawanenfahrt wichtige und spannende Momente. Ein besonderes Intermezzo
ist die Begegnung reisender Perser, meistens Landleute der Umgegend.
Man hört nicht auf, jeden einzelnen zu fragen, wie weit es noch
bis zum näehsten Dorfe an der Strafse sei, und wird zuletzt ärgerlich und
ungeberdig, da die Antworten aller, abweichend von einander auszufallen
pflegen. Die Form der Antwort, ist die höflichste von der Welt und man
wird .stets mit dem Wunsche, bedacht werden: oghür: basched. „möge die
Reise glücklich sein!“ Am meisten interessirte mich anfänglich der betende
Tscherwadar. Sobald am östlichen Himmel die ersten matten Streifen
des Frührothes anfingen zu leuchten, rutschte der Tscherwadar, ein furchtsamer
aber grofsmäuliger Schirazer,< der in seiner Bewaffnung wie ein wanderndes
Zeughaus aussah, von seinem Maulthiere, ging eine' Strecke seitwärts
von der Strafse, legte seine Mordwaffen ab, und breitete an einer
glatten Stelle auf dem Erdboden seine weite Dschubeh oder den Mantel
aus. Dann trat er auf dieselbe mit blofsen Füfsen, streifte die Rockärmel
ein ganz Theil nach oben hinauf, wie Jemand, der im Begriff steht zü
waschen, langte aus einem Beutelchen ein rundes Stück geformter heiliger
Erde aus Kerbelä hervor, legte sie vor sich auf den Mantel hin und nahm
23*