sehen Propheten Muhammed, sein Recht als Nachfolger desselben geltend
zu machen. Seine'Anhänger und d ie der vorangegangenen, von den Persern
als ungesetzlich betrachteten Khalifen reichten sich über Osman’s Leiche
die Hand der Versöhnung und Ali beherrschte das ungetheilte Reich der
Gläubigen. Ein solcher Tag mufs natürlich den an Ali hängenden Persern
in besonderer Erinnerung sein und sie feiern ihn deshalb in folgender schönen
Weise. Zwei Perser,, die auf Lebenszeit mit einander Freundschaft
schliefsen wollen, gehen zum Moliah, bezeugen vor demselben ihre Absicht
und lassen sich als brader-hd oder „Brüder“ feierlich einsegnen. Wir sind
nicht darüber belehrt worden, wie lange diese Brüderschaft stichhaltig ist,
jedenfalls ist aber die Sitte eine sinnige und verdient darum eine lobende.
Erwähnung.
Der Khalif Ali, um auf die Geschichte desselben zurückzukommen,
herrschte nicht lange auf dem Stuhl des Propheten. Im Jahre 40 der Hi-
dschret, am Ramazan, war er zu Kufa durch Meuchelmord und Dolch gefallen
und neue Streitigkeiten erhoben sich über die Nachfolge. Die eine
Parthei, welche sich auf die bewaffnete Macht stützte, erklärte das Recht
der Geburt und Verwandtschaft für unzureichend zur Stelle eines Beherrschers
der Gläubigen und erwählte einen ihrer Feldherren, Moawijah, zum
Nachfolger des Propheten. Die beiden Söhne Ali’s , Hussein und Hassan,
wurden zurückgedrängt, ihre Parthei verfolgt, und so entstand ein förmlicher
Religionskrieg, der beinahe 300 Jahre dauerte und zum Nachtheile
der Parthei des Imam Ali endete. Es versteht sich von selber, dafs dieser
Krieg dazu beitrug, den gegenseitigen Hafs beider Partheien, der Sunniten
und Schiiten, in der unglaublichsten Weise zu schüren, so dafs aus der
anfänglich politischen Spaltung zwei religiöse Secten hervorgegangen sind,
die (sich noch heut zu Tage ebenso scharf gegenüberstehen, wie in der
christlichen Welt die Protestanten und Katholiken, mit welchen sie in der
That häufig genug verglichen worden sind.
Unter Moawyah (661—680), welcher das Khalifat zugleich erblich in
seiner Familie (d . Omijaden) machte, hatte die Parthei der Söhne Ali’s,
Hussein und Hassan, eben so wenig glückliche Erfolge, als unter dessen
Nachfolger und Sohne Jesid (680 — 683). Hussein weigerte' sich entschieden,
den neuen Khalifen Jesid als rechtmäfsigen Herrn und Beherrscher
der Gläubigen anzuerkennen, so dafs er sich genöthigt sah, seinen Aufenthalt,
die Stadt Medineh, zu verlassen und nach Mekkeh zu wandern. In
Folge dieses Ereignisses erhielt Hussein von den Bewohnern von Kufa,
woselbst die Alidön einen bedeutenden Anhang gewonnen hatten, die Aufforderung,
zu ihnen zu kommen, das Khalifat zu übernehmen und Jesid
als Usurpator zu erklären und zu bekriegen.
Hussein brach mit seineir ganzen Familie auf, und ein Zug von gegen
siebenzig Seelen schlug bald darauf den Weg nach Kufa ein, der über die
dürre wasserldse Ebene von Kerbela in der Nähe von Bäghdad führt. Hier
ward er und die Seinigen von den Truppen des Jesid, an deren Spitze der
Feldherr Abadullah stand, eingeschlossen, angegriffen und zuletzt getödtet,
Das traurige und unglückliche Schicksal Hussein’», der gewaltsame Tod
seiner ganzen Familie hat den Pers.em, die natürlich als Anhänger und
eifrige Verehrer des Imäm Ali der'Person und der Familie desselben mit
Leib und Seele ergeben , sind, den Stoff zu einer seltsamen Feier der eben
beschriebenen Ereignisse geliefert. Alljährlich in den ersten zehn Tagen
des Monats Moharrem erinnern dramatische Vorstellungen, welche in Städten
und .Dörfern, wo Schiiten wohnen, öffentlich mit vielem Aufwand gegeben
werden, an diese Leidenszeit. Den Schlufs derselben bildet die Haupt-
Vorstellung am zehnten Tage (a’schura, im Jahre 1860 dem 29. Juli entsprechend),
an welchem die- Mordscene Statt findet, daher der Tag bisweilen
auch ru z -i-q a tl „der Tag des Mordes“ genannt wird. Wir versuchen
es, in, folgender Schilderung- die Trauerzeit der Perser zu beschreiben und
den Eindruck wiederzugeben, welchen dieselbe auf uns gemacht hat.
Wir lebten in der ersten Hälfte des Monates Juli. Eben vergoldete
die untergehende Sonne mit purpurrothem Strahle die steilen, nackten
Gipfel der riesigen Kette des Elburs-Gebirges-, als wir nach unserer Gewohnheit
in der abendlichen Dämmerung den Garten durchschritten. Kaum
hatten wir uns dem Ausgange nach der Hauptstrafse des Dorfes, zu genähert,
als der schlafende persische Wachtposten, von unserem Geräusch erweckt,
eiligst aufsprang, um nach dem verrosteten Schiefsprügel zu greifen,
der an der Mauer als eine sehr unschuldige Mordwaffe lehnte.
Bald standen wir mitten auf dem Hauptplatze des Dorfes, in der Nähe
der sehr ärmlich und einfach construirten Moschee. Während wir uns hier
an den verschiedenartigsten Scenen des persischen Volkslebens ergötzten
und scheinbar mit ernster Miene hin und her spazierten, wurde unsere Aufmerksamkeit
durch ein ungewöhnliches lautes Geräusch wach gerufen, das
von vielen Klapperinstrumenten herzurühren schien, die in regelmäfsigem