heben sich wie ungeheure Felsenmauern von allen Seiten, und auf den
Spitzen thronen wie Adler im Horst die Tscherkessen in ihren festen,
steinernen Auls. Von Spionen geleitet müssen die russischen Krieger
sauimt ihrem Gepäck, Mann hinter Mann, die steilsten Gebirgspfade passiren
und oft geschieht’s, dafs Mann und Pferd in gähnende Abgründe 'rettungslos
hinabstürzen. Ein Glück ist es für die Angreifer, dafs die Schapsuchen
und Ubichen, gegen die jetzt die neue Expedition eröffnet wird, die Taktik
nicht erfunden haben. Ein jeder Tscherkesse vertheidigt mit seiner Familie
sein steinernes Haus auf das kräftigste, und erst in höchster Noth
kommen die Nachbaren zu Hülfe. Es ist wahr, die Schapsuchen sind tapfere
Krieger, ohne Imams noch sonstige Chefs lebend, ohne Einrichtungen staatlicher
Natur; allein wie alle Gebirgsvölker sind es Räuber, die jede offene
Feldschlacht vermeiden, einen beständigen Guerrillas-Krieg führen, und wie
Räuber in ihren Schlupfwinkeln aufgesucht und ausgeräuchert werden
müssen.“
„„Und wie ist der Kampf?“ “ -
„Sie können sich leicht vorstellen, ein verzweifelter von Seiten der
Gebirgsvölker, besonders der Einzelkampf. Die Tscherkessen oder wie sie
sich selber bezeichnen, die Adige schiefsen selten mit Kanonen. Die Kugeln
sind in diesem Falle aus gehämmertem Kupfer. Das Pulver riecht
etwas englisch. Ihre alten Schufswaffen sind unbeholfen, doch hat sie in
neuester Zeit der Schmuggelhandel an der Küste in den Besitz einer nicht
unbeträchtlichen Zahl von Revolvern gebracht. Sind eine gehörige Zahl von
Schüssen gegenseitig gewechselt worden, so löst sich die Masse in Einzelkampf
auf. Beim Angriff nimmt der Tscherkesse den Säbel zwischen die
Zähne, die Pistole in die linke Hand, den bfeiten Dolch in die fechte. In
einer Entfernung von zwanzig Schritten werfen sie den letzteren nach dem
Körper des Feindes. Das ist eine der schrecklichsten und gefährlichsten
Waffen.“
„Und der russische Soldat?“
„Sie meinen den Soldaten des Kaukasus. Das ist ein Mann, wie er im
Buche steht. Sie würden schwerlich so viele gute und prächtige Eigenschaften
bei irgend einem ändern Soldaten der Welt finden. Er ist tapfer
und edel, arbeitsam und dabei genügsam. Mögen die Zouaven in Algier
tapfer sein, wir zweifeln nicht daran, so haben' sie doch nicht mit den unendlichen
Schwierigkeiten zu kämpfen, welche die Natur des Kaukasus nach
allen Seiten hin hemmend und störend in den Weg legt. Der Soldat bei
uns ist nicht allein Krieger im Kampf, er ist zugleich Anbahner der Ci-
vilisation im weitesten Sinne des Wortes. E r zerstört die Felsennester
der tscherkessischeii Auls, um bald hernach Kolonistendörfer anzulegen, er
sprengt Felsen, baut Dämme, ebnet und chaussirt, um den Heeren sowohl
als den Reisenden und den Kaufleuten Wege zu öffnen, wo früher nur der
wilde, unbändige Sohn der Berge zu gehen wagte. Werfen Sie nun einen
Blick in den innern Menschen, wie sehr würden Sie in Ihren Ansichten
vom russischen Soldaten enttäuscht werden, vielleicht wie beschämt anerkennen
müssen, dafs unter dem groben Tuchmantel oder unter dem zottigen
Schafpelz des Kriegers auf der Expedition ein warmes menschliches
Herz schlägt.“
„Jede Compagnie bildet eine besondere Familie für sich, der Chef
derselben ist das „Väterchen“, für den im Lager wie in der Schlacht zuerst
gesorgt wird. Nach einem beschwerlichen Marsche macht die Compagnie
Abends spät Halt. Weder Unwetter, noch Hunger und Durst, noch Müdigkeit
verhindert die treuen Soldaten, zuerst für ihr Väterchen ein trocknes
und bequemes Lager zu bereiten und dann erst an sich selber zu denken,
d. h. sich in Pelz und Mantel zu hüllen uiid auf dem blofsen durchfeuchteten
Boden die ganze Nacht zuzubringen.“
„Vor dem Beginn eines Treffens nehmen sie ohne Commando die Kopfbedeckung
ab, beten wie gute Christen und-bekreuzigen sich. Auf dem
Schlachtfelde suchen die Leute einer jeden Compagnie ihre Brüder; finden
sie einen Todten, so weinen und jammern sie, wie um ein gestorbenes
Mitgljed der Familie, begraben ihn auf gemeinschaftliche Kosten und kaufen
für ihn geweihte Wachskerzen und Bilder. Jeder Soldat hat ein Testament
gemacht. Die Hälfte seines Sparpfennigs — und wenn es ein Rubel ist —
hinterläfst er seiner Familie daheim, ein Viertheil seinem Freunde, oft auch
dem Compagnie-Chef, den Rest der Compagnie-Kasse.“
„Ja wohl, fiel dem Erzähler ein Kamerad in die Rede, Mitleid und
Barmherzigkeit ist keine der geringsten Tugenden unserer Soldaten. Ich
könnte Ihnen rührende Züge von Herzensgüte vorführen. Hier fällt mir
grade eine Geschichte ein, die ich selbst miterlebt habe und bei der ich
Augenzeuge war. Im Jahre 1857 waren wir auf einer Expedition im feindlichen
Lande begriffen. Von Mangel und Noth getrieben, es war mitten
im Winter, liefen eine Menge tscherkessischer Familien zu uns über und
6*