schlechtem Wetter. Hat es geregnet, oder ist sonst ein feuchter Niederschlag,
so bildet sieh ein beinahe'undurchdringlicher Morast. Wir hatten
von besonderem Glück zu sagen, dafs der Weg von der Feuchtigkeit der
letzten Regengüsse einigermafsen ausgetrocknet war. Unten, in der Tiefe
des Beckens, zieht sich ein Bach entlang, der spärliche Rest der alten See-
fluth, deren Dämme und steile Ufer sich in weiter Ferne vor uns ausdehnten.
Das Panorama über die reizende Landschaft, welche uns die Reise im
Seebecken auf kurze Zeit geraubt hatte, trat- von Neuem hervor,' als wir
das steile Ufer am entgegengesetzten Ende des Sees erklommen hatten.
Nicht weit davon, ps war die zweite Poststation, an Welcher die dampfenden
Pferde gewechselt wurden, meldeten sich zwei ? russisch redende Ordonnanz
Offiziere bei unserem Minister. Das Dorf daselbst sah sehr' ärmlich
aus, eigentlich nur schiefstehende Hütten, die wie ihre Umzäunung roh
aus Flechtwerk aufgeführt waren, oder Erdlöcher, Wie' sie obeii bereits beschrieben
worden sind. Wenige Wohnungen waren aus Stein gebaut, wie
das Posthaus, vor dem Pferde und Telega . schnell gewechselt wurden.
Das Zeichen zum Aufbruch liefs nicht lange auf sich warten. Reifsend
schnell sausten die Wagen in der Mitte der grofsen Tataren-Steppe dahin.
Kosaken und Tataren, die letzteren höchst malerisch und wild costiimirt,
sprengten daneben einher. Grofse Rinder- und Schaäfheerdeh bedeckten
die Grasflächen der weiten Steppe, um das erste Frühlingsgrün, mit Welchem
sich die Erde anfing zu schmücken, sofort in den hungrigen Bauch
zu befördern.
Gegen Mittag hatten wir ein elendes Dorf, Sarwan, erreicht. Ein Kosaken
Unteroffizier machte unserem Gesandten seine militairische Meldung,
die Herr Begliaroff getreulich verdollmetschte. Alles ist hier streng soldatisch
vorgeschrieben und wird mit der gröfsten Pünktlichkeit ausgeführt.
Am Ufer eines kleinen, schmutzigen Baches wurde ein bescheidenes
Frühstück ausgebreitet; wir hockten und lagerten uns herum. Grofse Schäferhunde
kamen dicht heran und schauten' mit bettelnden Augen zu.
Die Steppe nahm kein Ende, so schien es für heute. Nichts unterbricht
die todte Oede und Leere. Das einzige Bunte, woran das Auge
wie auf Ruhepunkten haftet, sind die in blutrothe Stoffe gekleideten
Frauen der Tataren, welche auf den Dächern ihrer Erdlöcher herumhocken
und stehen.
Die nächste Station führte den Namen Marahlu. Hier waren vor
dem Posthause etwa ein Dutzend tatarischer Reiter aufmarschirt. Die
Kirchhöfe sehen hier und bei- den späteren tatarischen Dörfern muhame-
danisch aus. Die Steine, bisweilen sehr hoch, haben die Gestalt aufrechtstehender,
oben abgerundeter Platten. Wir waren beinahe bis zum Fufse
ansteigender Vorberge herangerückt.
Traurig wie die . Steppe, eintönig wie das Dasein in der Steppe, kann
nur die Schilderung einer Reise durch dieselbe sein. Es raubt fast den
Muth, der Beschreibung der todten Landschaft belebte Worte zu leihen.
Wir hatten kaum die Höhen vor uns erstiegen, als sich vor unseren
Blicken neue grofse und traurige Steppenflächen ausdehnten, bevölkert von
erdbewohnenden Tataren, deren Weiber mit dem schweren Wasserkruge
auf dem Rücken vpn den Ufern der Kura her zu ihren Höhlen lieimkehr-
ten. Die Kura fliefst hier in einem breiten, steinigen Bette mitten durch
die Steppe. Ihr Lauf läfst sich weithin verfolgen, da ihre Ufer, ebenso
wie die zahlreichen Inseln in Mitten des Bettes, von üppigem Gestrüpp' und
Gebüsch eingefafst sind, das sichy-so weit das Auge reicht, in Schlangenwindungen
durch die Steppe hinzieht. Die Strafse durchschneidet hier an
einer Stelle den Flufs, über den eine alte,- recht stattlich aussehende Brücke
in persischem Stile-, von den Russen die „rothe“ getauft, hinüberführt.
Die grofse Fläche hat den Namen der Karaja-Steppe. Bewohnt wird
sie von Tataren, genauer den turkomanischen Terekeme. Mit dem Namen
Tatar wird im Kaukasus eigentlich die ganze nördlich vom Araxes, also
auf russischem Gebiete wohnende muhamedanisChe Bevölkerung bezeichnet.
Die Jagd auf der grofsen Steppe soll sehr ergiebig sein, vorzüglich
giebt es da viel wilde Schweine.
Der Gesandte entschlofs sich auf Anrathen des russischen Reisebegleiters,
die Nacht über in dem einsamen Flecken Saloglu zu bleiben. Das
Haus,; in dem wir wohnten, war nach Art aUer russischen Posthäuser im
Kaukasus eingerichtet, d. h, ganz leidlich, mit "Ausnahme der Küche. In
dieser Beziehung ist ein Jeder auf das, was er mitbringt; angewiesen. Die
Bewohner von Saloglu hausen als ächte Troglodyten in ihren Maulwurfslöchern.
Der aus dem Deckenloche aufsteigende Rauch, oder gar eine Frau,
die mit dem Kruge auf dem Kopfe wie ein Gespenst langsam aus der Erde
emporzusteigen scheint, ist ein besonderes Ereignifs, das unsere ganze Aufmerksamkeit
erregt. Ein Blick aus dem Fenster unserer Station nach dem