Noah's Stadt, eine sehr wichtige Person für seine Landsleute mohameda-
nischer Religion. Im Fastenmonat Ramazan ist bekanntlich Speise und
Trank Allen, die nicht altersschwach, krank, im Kriege oder auf Reisen
begriffen sind, durch das Religionsgesetz streng untersagt. Man kann sich
denken, mit welcher Sehnsucht die gewöhnlich sehr verstimmten hungrigen
Schiiten den Gesang des Mollair erwarten, der ihnen Befreiung vom lästigen
Zwange des Fastens verkündigt. Was man bei Tage versäumt,- wird
nun bei Nacht so gründlich nachgeholt, dafs erfahrungsmäfsig der Monat
Ramazan Veranlassung zu vielen Krankheiten wird, die gröfstentheils in
Unmäfsigkeit und Ueberfüllung ihre Ursache haben.
Unter den merkwürdigen -Stätten Nachitschewan’s verdient eine Erwähnung
das oben schön genannte Grab Noah’s , ein oft besuchter Wallfahrtsort
armenischer Christen. Das Grab liegt aufserhalb der Stadt, nicht
weit entfernt von den Trümmerhaufen der persischen Feste, welche ehemals
die Citadelle von Nachitscbewan bildete. Man re ite t eine kleine halbe
Stunde und befindet sich schliefslich vor einem sehr niedrigen thurmartigen
Rundbau, der in gleicher Höhe über und unter der Erde steht. Eine kleine
Thür, durch die ich nur iu gebückter Stellung einzutreten vermochte, führt
in einen keRerartigen Raum im Innern, dessen Bogenwölbungen, ziemlich
roh und in modernem Stile ausgeführt, von einer Säule in der Mitte gestützt
werden. Ein beschmutzter Altar steht in der Nähe der Säule. Unter
ihm soll in einem vermauerten Kellergewölbe -das Grab des .ersten Bürgers
von Nachitschewan sein. Ein Stein mit unbekannten Schriftzügen soll die
Stelle genau bezeichnen. Die Armenier müssen einen starken Glauben besitzen,
um das wirkliche Grab Noahs so wenig zu bezweifeln, dafs sie' die
Umgebung des Thurmes als Grabstätte nach ihrem Tode gewählt haben.
Hier ist nämlich der altarmenische Kirchhof gelegen. Die Grabdenkmäler
hierselbst sind sehr einfacher Natur. Auf einem Haufen von Feldsteinen
Regt ein langer, behauener Steinbloek von röthlicher Farbe. Darauf befindet
sich die längere oder kürzere Inschrift, welche Bezug auf den Todten
darunter hat.
Die griechische Kirche der Stadt, klein aber s.ehr einladend am ändern
Ende von Nachitsehewan gelegen, besuchten wir am Oster-Sonntag. Die
Kirche, weifs angestrichen mit grüner Bedachung, ist in Kreuzesform angelegt.
Beim Gottesdienst stehen die Männer rechts, die Weiber links.
Man bekreuzigte sieh sehr häufig. Die heiRgen Texte wurden in psalmodirender
Weise abgesungen. Der Pope, ein junger schöner Mann mit langem
Haupthaar und ebenso langem Barte, hatte einen sehr feierlichen
Ausdruck, in seinem ganzen Wesen. Als der Leib des Herrn zur Schau
gestellt wurde, schnitt er aus dem geweihten runden Brote ein dreieckiges
Stück heraus, verzehrte es und reichte auf dem Teller den Rest des Brotes
dem Hrn. Baron v. Minutoli. Den Schlufs des Gottesdienstes bezeichnet
das dargereichte Kreuz, welches von der ganzen Gemeinde geküfst werden
mufs. In der Nähe der Kirche befindet „sich ein alter Todtenacker, der
seiner, häfslichen, schwarzen Scorpione wegen sehr berüchtigt ist. Der
Stich dieser Thiere, w e n n auch nicht jedesmal tödtüch, verursacht viele
Schmerzen u n d ist gewöhnlich mit AnfäRen von Krämpfen verbunden. Die
freie Aussicht von diesem Todtenacker aus nach dem Ararat hm is t, besonders
Abends, unvergleichlich schön. Im Westen, Rnks vom Ararat, thurmen
sich gewöhnlich goldgeränderte Wolkensehichten auf. Der riesige Berg
schien durchsichtig zu sein und verdeckte durch seine Gröfse den kleinen
Namensvetter beinahe vollständig. Am östlichen Horizonte lagerten sich
scharfkantig/zerklüftete vulkanische Bergmassen neben dem unheimlich
dunklen Schlangenberge, hinter denen lange schneebedeckte Bergketten mit
jähem Steilabfall emportauchten, vom Sonnenuntergang bald wie mit Feuers-
gluth, bald, mit sanftem rosigen Schimmer übergossen.
Die Hitze ist bereits entsetzRch drückend, und dabei ist man aus Gesundheitsrücksichten
genöthigt, sich so wann als mögüeh zu halten.
Am 11. April verliefsen wir in zahlreicher Begleitung den gasthchen
Ort Nätehitschewan, um in einem Tagemarsche die persisch-russische Grenze
zu erreichen. Das Gepäck wurde auf Pferde und Maulthiere geladen, als
vorbereitende Probe zur Weiterreise auf persischem Gebiete. Wir selbst
legten den letzten Theil. des Weges auf russischem Gebiete im Wagen
zurück. Obgleich die ganze Landschaft, von vulkanisch zerklüfteten, vegetationsleeren
Bergen eingeschlossen, einen unendüch traurigen, düsteren
Charakter darbietet, so fehlte es dennoch nicht an einzelnen Momenten, in
welchen die pittoresken,, eigenthümlichen Formen der vulkanischen Erhebungen,
der Aufenthalt des Bären und des wilden Bergsehafes, von uns
vielfach betrachtet und besprochen wurden. Jede Spur des -Menschen und
der menschüchen Kultur verschwindet je mehr man sich dem Aras nähert.
Der einsame Kosakenposten vor dem Felsenthore vor Dschulfa wirkt ordentlich
trostreich durch die Gegenwart menschdicher Wesen.