halben den Erdboden oder richtiger den Teppich berührt. Die Familie
kriecht nun, um sich zu wärmen, etwa bis zur Brusthöhe von den Füfsen
an, unter die Decke, und so haben bisweilen 12 Personen hinreichend
Platz und Gelegenheit, von unten herauf warm zu werden.
Die ärmeren Leute, besonders in den persischen Häusern, construiren
gleich beim Bau ihrer Wohnungen ein Kohlenloch in der Mitte, über das
Tisch und Decke gebreitet wird , und wärmen sich in der beschriebenen
Weise. Besonders häutig wenden die Frauen sammt ihren Kindern diese
Wärmmethode an , ja schlafen selbst die Nacht hindurch mit dem Mangal,
obgleich die Gesundheit darunter leidet, und die Ausdünstung der Kohlen
sogar den Tod bei kleineren Kindern herbeigeführt hat. Eine europäische
Dame, welche in Teheran zur Winterzeit die Ehre hatte, in den Harem
des Schah eingeführt zu werden, fand die Frauen des Hofes unter der
Decke des Mangala nebeneinander hockend. Man schien so wenig Auffallendes
in der augenblicklichen Lage zu finden, so erzählte sie mir, däfs
sie sogar aufgefordert wurde, einen Platz unter der Decke mit einzunehmen.
Nichts lehrreicher, nichts anziehender in Konstantinopel, als die Beobachtung
und das Studium der Menschen auf den Strafsen Pera’s oder
Galata’s ! Die Europäer — um mit den ehrenwerthen Landsleuten zu beginnen,
die bereits bei den Türken unterschiedslos in die grofse Kategorie
der Frengi gestellt werden — mag sie der eigene Wille, mag sie Fügung
des Schicksals an diesen äufsersten Arm der politischen Kloake Europa’s
geführt haben, sind wohl aus aller Herren Ländern, von dem fein gekleideten
Kaufmann und Beamten im türkischen Dienste an , bis zu dem zerlumpten
Bettler hin. Am reichsten vertreten ist der Süden, da Griechenland,
Italien und Frankreich eine nicht unbeträchtliche Beisteuer zur ethnographischen
Liste geliefert zu haben scheinen. Männer und Weiber zeichnen
sich durch eine ganz besonders ausgesprochene Putzsucht aus. Selbst das
schlimme Regenwetter hält sie nicht ab , sich auf der Strafse im gröfsten
Staate zu zeigen,' und es gehört anfänglich alle Kraft dazu die Lach-
muskeln im Zaum zu halten beim Anblick einer grofsmächtigen Crinoline,
die von Füfschen getragen wird, welche auf zollhohen hölzernen Stelzschuhen
trippelnd durch Koth und Regenwasser einherschreiten, nur um
dem Bedürfnisse Genüge zu leisten, die bunten Fahnen auf der Strafse
sehen zu lassen.
Wunderbar im Gegensatz dazu ist die asiatische Welt, in Physionomie
und Tracht, welche hier schon in Pera mit der europäischen Bevölkerung
in Berührung kommt, und meist der dienenden Klasse angehört. Sie ist
am lächerlichsten da, wo sie in meist unschöner Nachäffung alles europäischen
Wesens auftritt, bis zum türkischen Soldaten und Kawassen hin,
der mit gravitätischer Miene die Strafse Pera’s entlang schleicht. In jenem
feingekleideten „citoyen“, der ernst und langsam einherschreitet, das pechschwarze
starke Haar mit dem feinen Fe/s bedeckt, mit der langen,
hakenförmig gebogenen Nase und den schwarzen, stechenden Augen mit
starken Augenbrauen darüber, erkennst du auf der Stelle den reichen
Armenier. Sieh nur, wie er eine Kugel seiner Bernsteinschnur nach der
ändern bedächtig durch die Finger gleiten läfst, um Gelegenheit zu haben,
die Brillanten seiner Ringe den Leuten zu zeigen. Der ruhelose Landsmann
des ewigen Juden läfst sich nicht ableugnen aus jenem schönen,
aber verschmitzten Gesichte mit bekanntem Rassentypus. E r geht in türkischer
oder europäischer Tracht, je nachdem es seine besonderen Interessen
erheischen. Werft einen Blick auf die Lammsmaske mit der
spitzen, schwarzen Pelzmütze. Schwört er’s auch ab , er ist und bleibt
der geschmeidige Perser.
An der Farbe erkennt man den Mohren. Das hat man in Kontanti-
nopel in Hülle und Fülle zu beobachten. In allen Abstufungen der Hautfarbe
tritt die Negerbevölkerung als eine bedeutende Beigabe des afrikanischen
Continentes auf, mögen die einzelnen theils als vielgesuchte
Eunuchen, theils als Sclaven oder Diener ihr Leben fristen.
Einen traurigen Eindruck hinterliefs der Anblick der zahlreichen aus-
gewanderten Nogai-Tataren, welche bekanntlich die russische Nogai-Steppe
in grofsen Massen verlassen haben und nach Konstantinopel gewandert
waren, um ein neues Vaterland von den rechtgläubigen Muslimen zu
empfangen. Die Versprechungen waren glänzender als die Erfolge, wenigstens
lungerten sie obdach-, brot- und arbeitslos in den Strafsen Konstantinopels
herum und bettelten mit wahrer Wuth jeden anständig gekleideten
Spaziergänger an. In ihrem Kopfe, den eine mit Pelzwerk verbrämte
Lederkappe bedeckt, zeigen sie viel Mongolisches. Die kleine
Stumpfnase und die schräg stehenden Augen sind unverkennbare Merkmale
davon.
Nach den Nachrichten, welche wir später an Ort und Stelle von einem