1. ein Stück Holz von der Arche Noah;
2. die Lanze der Passion, d. h. der oberste Theil des Holzschaftes derselben
sammt der eisernen Spitze, mit dem armenischen Kreuze in
Hohlarbeit darin;
3. ein vom Evangelisten St. J o h a n n e s geschnitztes hölzernes Kreuz
mit einer Darstellung der Abnahme des Welterlösers;
4. die Hand S a n c ti G r e g o r i i ;
5. die Hand J a c o b s von -Nisibe.
Nachdem wir diese Reliquien einige Zeit lang betrachtet hatten, wurden
sie in derselben feierlichen Weise wieder in den dunklen Wandschrein
gethan und die mit Goldblech' beschlagene Thür desselben wohl verschlossen,
wir selbst aber in’s Freie geführt, um dem Katholikos selber vorgestellt
zu werden.
Ein Seitengebäude, das nach einem zweiten sehr freundlichen Hofe
führt, in dem sich Gartenanlagen, kleine Kanäle und Springbrunnen befinden,
enthält die Wohnung des Hochehrwürdigen. Ganz europäisch de-
corirt, wenn man die grofsen buntfarbigen Teppiche persischen Ursprungs
ausnehmen will, enthält sie zunächst einen grofsen Empfangssaal, in dem
an der oberen Wand die Reihe der armenischen Päpste in Oelbildem aufgestellt
sind.
Kleinere Räume führen zuletzt zu einem Gemache, in dem der Katholikos
im vollsten Priesterornat auf einem Sopha safs.
Der Patriarch Matthäos imponirte durch seine Erscheinung in der
würdigsten Weise. Ein Kleid von violetter Seide umhüllte die Gestalt des
greisen Katholikos, dessen Antlitz mit langherabwallendem schneeweifsem
Barte ein unendlich feiner, geistvoller Schnitt markirte. Die grofse schwarze
armenische Priestermütze bedeckte das Haupt, und Schleier von schwarzer
Atlasseide fielen von derselben auf die Schultern herab. Das Bild des
Welterlösers hing an einer goldenen Kette und in Diamantfassung auf seiner
Brust.
Mit jener unvergefslichen Würde, welche den orientalischen Kirchenvätern
angeboren zu sein scheint, gemischt mit einer sofort für ihn einnehmenden
Freundlichkeit, empfing er den Gesandten Preufsens und die
übrigen Mitglieder der Mission, sich zu jedem einzelnen wendend und mit
grofser Leichtigkeit und Sachkenntnifs das Gespräch eine gute halbe Stunde
im Flufs haltend.
Als wir. schieden, reichte er uns die Hand zum Kusse, segnete uns
und drückte, nach Landessitte, einen Kufs auf die Stirn, eines jeden.
Mir selber liefs er durch den russischen Dollmetscher sagen, dafs sich
sein Herz zu mir besonders hingezogen fühle. Eine so grofse Theilnahme
des ehrwürdigen Kirchenvaters konnte ich natürlich nur mit grofser Rührung
empfangen. '
Ein russisches Frühstück, das in aller Eile in dem grofsen Empfangssaale
hergerichtet ward, liefs eine geschmackvolle-Neigung zum europäischen
Leben auch nach dieser Seite-hin nicht verkennen, und empfahl sich
vor allem durch die starken, sehr wohl mundenden Weine von Etschmiadzm.
Sind wir doch auf dem Gebiete Vaters Noah, der hier zu Lande eine vielfach
in Sage und Schrift gefeierte heilige-Person is t und der die erste
Weinrebe in den fruchtbaren Boden der Landschaft des Ararat gesenkt hat.
Die Geistlichkeit von Etschmiadzin gehört durchaus nicht jener rohen,
unwissenden, stumpfsinnigen Klasse mönchischer Einsiedler an , wie man
'sie leider zu häufig Gelegenheit hat in den christlichen Klöstern des Morgenlandes
anzutreffen. D ie . Armenier im Gegentheil bekunden eine gewisse
geistige Regsamkeit für ihre kirchliche und weltliche Literatur und
ein eingehendes Studium für das Schriftverständnifs der altarmenischen
Handschriften. Sie hegen und pflegen diese Literatur mit Vorliebe und wie
bereits Venedig, Moscau und Wien ein zahlreiches Gelehrtenthum entwickelt,
dem als bedeutendstes Hülfsmittel zur Verbreitung armenischei
Schriftwerke die ßuchdruckerkunst zur Seite steht, so hat auch Etschmiadzin
eine gelehrte Schule aufzuweisen, deren Bemühungen das Erscheinen
manches durch den Druck allgemein verbreiteten Buches zu danken ist.
Die Buchdruckerei von Etschmiadzin versorgt die armenische Christenheit
in Asien, die durch gewaltsame Entführungen vom Boden der Väter und
durch freiwillige Auswanderungen über einen grofsen Theil dieses Conti-
nents verbreitet ist, mit den nöthigen literarischen Hülfsmitteln für Schule
und Haus. Mit der Druckerei, die von Mönchen gehandhabt wird, ist zugleich
eine -Holzschnitzerei zum Druck von Holzschnitten verbunden, die
sich aber freilich nach den mir bekannt gewordenen Proben noch in ihren
ersten Anfängen befindet.
In der Schule von Etschmiadzin, ■ die in mehrere Klassen eingetheilt
ist, empfangen armenische Knaben, die sich zum priesterlichen oder gelehrtweltlichem
Mönchsstande ausbilden wollen, von den Mönchsprofessoren