schrieen in ihrer bedenklichen Lage laut um Hülfe, unsere persische Dienerschaar
stürzte wie wahnsinnig aus Thür und Nische der Tschaparkhaneh
ins Freie nach der Quelle hin, und es entspann sich eine der grofsartig-
sten Prügeleien, von der ich je in Persien Augenzeuge gewesen bin. Nachdem
die Prügelschlacht eine Weile" gedauert hatte, legten sich vernünftigerweise
die Alten des Dorfes in’s Mittel und ergriffen, zur Ehre ihres Gerechtigkeitsgefühls
sei es ihnen nachgerühmt, die Parthei der Tscherwadare
und unserer Diener. Man ging endlich auseinander, nahm als Andenken
Wunden, Blutspuren und blaue Flecke mit nach Hause und kühlte seinen
Zorn durch einige kraftvolle Verwünschungen und Verfluchungen der Ge-
genparthei allmählig ab.
Es ist ein bemerkenswerther Zug im Charakter der Perser, und ich
habe die Eigenthümlichkeit desselben bei dieser Gelegenheit recht bestätigt
gefunden, dafs die Diener eines Hauses sich nie im Stich lassen, sobald
einer von anderer Seite her in irgend einer Weise verletzt worden ist. Bei
allem Neid, bei aller persönlichen Feindschaft untereinander, — und wie
reich ist das häusliche Lehen daran! — stellen sie das in der Person ihres
Kameraden beleidigte Ansehen ihres Herrn über alles und fangen, leicht
erregbar, mit einer wahren Wuth die blutigsten Händel mit dem Gegner
an. Dem Tscherwadar, dem unsere Leute sonst nichts weniger als hold
waren, leisteten ‘sie sofort Beistand, weil ihrer Meinung nach der „geehrte
Wezir“ durch eine ihm widerfahrene Unbill verletzt war. Der altpersische
Charakter bewährt sich hierin in der ausgeprägtesten Weise. Auch sonst
zeigte sich manches Erbtheil von Stammeigenthümlichkeit bei den Epigonen
des alten Perserthumes auf der Reise in sehr vortheilhaftem Lichte. So faul,
so lässig, so sehr dem Müfsiggang ergeben die Schaar der Bädscheh un-
seres Hauses in Teheran und Rustemäbad gewesen waren, so fleifsig und
rührig, so munter und unverdrossen bewiesen sie sich während unserer
Rundreise durch Persien. Sie schienen wie umgewandelt, luden das schwere
Gepäck auf und ab, schlugen nach manchem heifsen Ritte die Zelte so
schnell als möglich auf, legten die Teppiche, reinigten schmutzige Quartiere,
machten Feuer an, kauften Nahrungsmittel ein, holten von weit her das
Wasser, mit einem Worte, sie verdienten durch ihre Thätigkeit das Lob
guter Diener. Während wir mit wenigen Ausnahmen nach der Ankunft in
ein Menzil erschlafft und müde waren, schienen die Perser unserer Begleitung
durch den jedesmaligen Tagesmarsch erst recht munter geworden
zu sein. Der ächte Perser, die, Stadtbewohnenden nicht ausgeschlossen,
ist ein g e b o r e n e r Noma de , das unstate Wanderleben auf dem Pferde
ist seine Sache, der .feste Aufenthalt ist ihm zuwider und macht ihn schlaff,
das Zelt zieht er dem Hause vor. Eines dagegen wird er von der Stadt
mitzunehmen n ie vergessen: den Hang zur Vornehmthuerei, das Bestreben,
überall und mit Nachdruck ein „Etwas“ zu sein. Unsere Leute standen in
dieser Beziehung als ein Mustervolk da. Obgleich sie sich in Teheran untereinander
einfach bei ihrem Namen rjefen, also A li! Memed (Muhammed)!
Riza! Jahijai u. s. w.,, nannten sie sich auf der ganzen Reise nie anders
als Ali-begr Memed-beg, Riza-beg, Jahija-heg, und würden es schmerzlich
empfunden haben, wenn jemand sie durch den fortgelassenen Ehrentitel
Beg gekränkt hätte. Als Grundsatz ihrer vermeintlichen Würde stand ihnen
d ieo ftg e äu fserte Ansicht auf der Stirn geschrieben: w e r s in d wi r u n d ,
wer s e i d ihr? was i s t der Gl anz u n d was i s t d er Schmut z?
jj Noch vor der Mitternacht vom 7. zum 8. September sagten wir dem
an Abentheuern erinnerungsreiehen Dorfe Nuarän Valet, bestiegen unsere
Rosse und setzten uns, die Karawane hinter uns, allmählig in Bewegung.
Wir reisten auf einem ziemlich guten Terrain, von Plateau zu Plateau immer
höher ansteigend. Nach einem Marsche von etwa einer Fersach zogen
wir an einem einsam stehenden Hause vorbei, das uns als Gumruk oder
Rahddr-khan&h,, d. h. Steuerhaus bezeichnet wurde. Hier war zugleich .die
Grenze der Districte Teheran und Hamadan. Ein wasserleeres Flufsbett,
das nach dem in der Nähe liegenden Dorfe Rezeh den Namen Rezeh-tschai
„Rezehflufg“ oder, wie hier an Ort und Stelle, die Benennung Ab-i-rahdar-
khan'eh „das Wasser des' Steuerhauses“ führt, mufste von unserem ganzen
Karawanenzuge passirt werden. Gegen das Frühlicht hin zeigte sich die
Gegend immer deutlicher in ihrer besonderen Eigenthümlichkeit. Breite
Plateau’s dehnten sich wie lange Steppen hintereinander, aus und schienen
gar kein Ende nehmen zu wollen. > Einzelne Nomadenfamilien hatten an
verschiedenen Stellen, meist in der Nähe von Kharäb oder Dorfruinen,
wobei fast immer ein regelmäfsig angelegter, spitz zulaufender Feuerhügel
(:teppeh) stand, ihre-Zelte aufgeschlagen, und nur wenige Dörfer tauchten
in weiter Ferne von uns än dem Rande welligen Hügellandes hervor.
Nach einem eilfstündigeii, sehr ermüdenden Nachtritt sahen wir auf
einer Anhöhe die Station d. 8. Septembers, das ärmlich aussehende Dorf
Zäreh vor uns liegen. In der Ebene, am Fufse der Höhe von Zäreh, zieht