jenigen Scene übergehen, in welcher der unglückliche Hossein am Boden
hingestreckt und bereit lag, den Todesstreich von einem in Rüstung gehüllten
Kerl zu empfangen, der die Rolle des Nachrichters spielte. In diesem
Augenblicke liefs die versammelte Menge ein lautes .Wehgeschrei erschallen,
und wahrhafte Seufzer und Thränen flössen, so weit unsere Blicke
reichten, um dieselben wahrnehmen zu können. Der Unwille des gemeinen
Volkes bedurfte eines Gegenstandes, an welchem er sich auslassen konnte,
und verfiel auf diejenigen Schauspieler, die die Rolle der Kriegsknechte
Jezid’s durchgeführt hatten. Kaum war Hossein todt, so trieb man sie
mittelst eines Steinhagels, dem Schimpfwörter nachhallten, von ihrer Bühne.’
Man berichtete uns, wie es so sehr schwer hielte, für diese Rollen die erforderlichen
Darsteller zu erhalten, dafs diesmal ein Trupp russischer Gefangener
dazu gezwungen worden war, die Kriegsknechte Jezid’s vorzustellen,
und die denn nun nach der Katastrophe liefen was sie laufen
konnten, um den Steinwürfen zu entrinnen.
Das Schauspiel endete mit dem Niederbrennen der Stadt Kerbela.
Mehrere hinter der Umzäunung aufgestellte Rohrhütten wurden zur Versinnbildlichung
dessen plötzlich in Flammen gesetzt; dann sah man das
Grab Hossein’s mit schwarzem Tuche bedeckt, und auf demselben eine in
ein Tigerfell gehüllte Figur sitzend, die den wunderbaren Löwen vorstellen
sollte, der, wie die Sage geht, bei Hossein’s Leichnam so lange Wache
hielt, bis man diesen begraben konnte. Der aufserordentlichste Theil der
ganzen Schaustellung war die Versinnbildlichung der getödteten Märtyrer,
die, nachdem sie enthauptet waren, alle in eine Reihe, jeder Leib nahe
seinem Kopfe gelegt wurden. Um dieses Bild zu liefern, begruben mehrere
Perser sich lebend, so dafs sie ihren Kopf herausliefsen, wogegen andere
ihren Kopf unterhalb des Bodens versteckt hielten, dafs' blofs ihr übriger
Körper zu sehen war. Köpfe und Leiber erschienen dann so gelegt, dafs
man es so ansehen konnte, als wären Erstere von Letzteren abgesondert
worden. Dies Bild wird von Büfsem ausgeführt; bei heifsem Wetter soll
jedoch die dabei erforderliche Anstrengung schon Manchem das Leben gekostet
haben. Die ganze Ceremonie schliefst mit dem Khotbeh, einem Gebete
für Mahomed, für dessen Nachkommen und für das Wohlergehen des
Königs, und ward mit lauter Stimme von einem Manne, „dem besten
Schreier seiner Zeit“, wie Xenophon den Tolmides nennt, abgehalten. Wirklich
verdiente der diesmalige Schreier dieses Lob, denn obschon wir an
fünfzig englische Ellen weit von ihm entfernt waren, hörten wir doch, ungeachtet
des uns umringenden Volksgetöses, deutlich jedes Wort, das er
sprach.“
Die Zeit der dramatischen Vorstellungen wird von frommen Persern
noch in einer besonders zu erwähnenden Weise zu religiösen Andachten
benutzt, von denen wir um so mehr reden müssen, als sie wesentlich dazu
dienen, ein Licht auf den Charakter des so wunderbaren Volkes zu werfen.
Eine Woche vor der Trauer-Dekade des Moharrem-Monats hörten wir
eines Tages nach Sonnenuntergang einen ganz ungewohnten, wunderlichen
Lärm, der von der Terrasse des aiistofsenden Hauses nach unserem Garten
herüberdrang. Wir vernahmen, wie man laut feierliche Gebete in singendem
Tone absagte, und dazu ein schallendes Klatschen, das hin und wieder von weinenden
und schluchzenden Stimmen übertönt wurde. Unsere Neugierde wurde
rege und es war natürlich, dafs wir uns sofort auf den Weg machten, um die
Beweggründe dieser sonderbaren Hebungen auszukundschaften. Nachdem
wir das fläche Dach unseres Hauses erstiegen und vorsichtig eine Leiter
an die niedrige Mauer angelegt hatten, welche die Terrasse unseres Men-
ziles von der des nachbarlichen Hauses tren n te : überblickten wir auf den
Sprossen der Leiter stehend und vorsichtig den Kopf über die Mauerbrüstung
erhebend, folgende eigentümliche Scene.
Auf der Fläche de's Daches lag ein ziemlich grofser Teppich ausgebreitet.
An dem einen Schmalende desselben hatte ein Moliah, schwarz
gekleidet, doch mit weifsem Turban, auf einem Stuhle Platz genommen,
während etwa ein Dutzend Perser, darunter auch der Wirth des Hauses,
auf den Längsseiten des Teppichs nach persischer Weise safsen, d .h . knieten,
und dem Moliah -voller Andacht zuhörten. Die Umrisse der beschriebenen
Personen liefsen sich trotz stockfinsterer Dunkelheit deutlich erkennen
bei dem Scheine zweier Kerzen, welche in der Mitte des Teppiches standen
und durch zwei gläserne Merdengtl oder Windglocken vor dem Verlöschen
durch den Abendzüg geschützt waren. Der Moliah berichtete mit
kläglicher Stimme -von dem Märtyrthum Ali’s und seiner Familie , besonders
seines Sohnes Hussein auf der Ebene von Kerbela. Er schilderte mit
zunehmender Verstärkung der Stimme, sich selber durch ein schnell aus-
gestofsenes Wai! Wai! Wai! in Pausen unterbrechend, die Leiden und
den jammervollen Tod der Frommen und die Grausamkeit ihrer gottlosen
Verfolger. Die Zuhörer,, welche den Knopf an ihrem Hemde gelöst hatten,
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