Simonitsch ging dabei allen mit dem besten Beispiel voran. Bald,versank
der Wagen in der Schneemasse, welche üaeh der Bergseite zu sechs bis
zehn Fufs hoch eine steile, gefährliche Mauer bildete.; bald stürzten die
Pferde an den abschüssigen glatten Stellen der Strafse und der Wagen rollte
den liegenden Zugthieren auf den Leib. Während der ganzen Zeit unseres
Ueberganges waren wir lautlos stille, im Angesichte so augenscheinlicher
Gefahr hätte man den Pulsschlag des Herzens hören können.
Unglücksfälle an der bezeichneten Strafse sind nicht, selten und mahnen
während einer winterlichen Fahrt zu grofser Vorsicht. Nicht allein
die Karawanen haben Verluste zu beklagen, indem ihnen belastete Thiere
in die Tiefe seeabwärts stürzen, sondern auch von Reisenden werden einzelne
Unglücksfälle aufgezählt. So theilte uns Graf Simonitsch mit, dafs vor
kurzer Zeit ein Wagen, der einen Holländer nebst Frau und Kinder nach
Eriwan bringen sollte, von der steilsten Höhe der Bergstrafse in die Tiefe
stürzte, merkwürdigerweise, ohne dafs jemand ernstlich beschädigt wurde.
Wie durch Gotteswunder waren die Reisenden gerettet und kamen mit dem
freilich entsetzlichen Schreck glücklich davon.
Die Strafse von hier bis nach Eriwan hin ist aufserdem verrufen durch
ein Räubergesindel, das oft arg wirthschaftet und sich der strafenden Gerechtigkeit
durch die Flucht nach der nahe gelegenen türkischen Grenze
zu entziehen weifs. Es sind dies Tataren, die besonders von Kars her das
russische Gebiet unsicher machen und Reisenden und Karawanen auf der
Strafse auflauem. Vor allen zeichnete sich ein gewisser Jelik als Hauptmann
einer Bande aus, die ganze Dörfer brandschatzte und das Entsetzen
der Wanderer war. Oft geschah es, dafs Jelik ganz allein in ein Dorf einkehrte,
sich Speise und Trank vorsetzen liefs und Geld und anderes, was
ihm nöthig war, verlangte. Niemand unter den Dorfbewohnern wagte ihn
zu verrathen, aus Furcht seiner Rache anheimzufallen. Doch war es schliefs-
lich den Kosaken gelungen, seinen Aufenthalt auszukundschaften. Jelik
safs in dem Zimmer eines Malakanen-Dorfes und liefs es sich wohlschmecken.
Ein Kosak schlich sich heran, sah den Räuber sitzen und ersehofs ihn in
dieser Stellung durch das Fenster.
Graf Simonitsch zeigte uns den Kosaken in seiner Begleitung, eine sehr
gutmüthig aussehende Person, der das treffliche Pferd- des erschossenen
Räuberhauptmannes ritt.
Nur durch aufmerksamste Wacht Seitens der Kosaken kann dem räuberischen
Wesen auf der wenig belebten Strafse das .Handwerk eimger-
mafsen gelegt werden. Die Kosaken schleichen in allen Richtungen umher
und liegen oft tagelang bei Schneesturm und den furchtbarsten Unwettern
auf der Lauer.
Einen besonders lieblichen Anblick von der steilen Höhe der Goktscha-
Bergstrafse aus gewährt die-Insel Sewanga. .„Es befinden sich auf derselben
Spuren eines heidnischen Tempels, der im Jahre 305 von armenischen Bekehrern
zerstört sein soll. An der Stelle dieses Tempels stehen jetzt noch
die Ruinen eines von T i r id a t erbauten Klosters und ein steinernes Kreuz,
das dem grofsen G r e g o r geweiht ist. Im benutzbaren Zustande trägt die
Insel zwei Kirchen, von denen die eine im Jahre 880 von der Fürstin
T a k u j a erbaut und durch ihren Leichnam geheiligt ist, und die andere
im Jahre 1654 von den Tiflisern aufgeführt und unterhalten wird. Es re-
sidirt daselbst ein Erzbischof mit einigen Mönchen, die aufser mit Beten und
Fasten sich , auch noch mit Garten- und Ackerbau, so wie mit Fischerei
beschäftigen.“ (A. N ö s c h e l, Bemerkungen über den Goktscha-See im
Kaukasus. St.' Petersburg 1854 S. 4.)
Hat man die Bergstrafse^ im Rücken, so führt der Weg über einen
breiten Wasserfaden, die sogenannte falsche Senga. Der See, welcher unter
ändern wunderbaren Phänomenen (Goktschastein, plötzliche Wolkenbildungen,
Mondnebelbogen, Luftströmungen durch das Sengathal u. s. w.) periodische
Niveauschwankungen zeigt, die oft stündlich beobachtet werden
können, führt durch diesen sichtbaren Arm, so wie durch andere unterirdische
Abflüsse, einen Theil der,Wassermasse des Sees durch die Senga-
schlucht der eigentlichen, ächten Senga zu, an deren steilem Ufer die armenische
Stadt Eriwan gelegen ist. Bei dem armenischen Dorfe Tschasar
bildet die falsche Senga einen 70—75 Fufs hohen, schönen Wasserfall.
Gegen 1 Uhr Mittags zogen wir in das russische Kolonisten-Dorf
Ellenowka ein, eine wohleingerichtete Niederlassung der Malakanen. Ehrwürdige
Weifsbärte hegrüfsten, die Pelzmütze in der Hand, den aussteigenden
Minister-Residenten, geleiteten ihn bis zum Gastzimmer dés Posthauses,
dessen Wände so- rein und manierlich aussahen, wie der hölzerne Fufs-
bodeii und die Tische und Stühle darauf.
Ellenowka liegt dicht am See. Der Rand desselben war mit dünnem
Eise bedeckt. Eine kleine Zahl von Barken mit und ohne Segel stationirte
am Ufer. Die Leute von Ellenöwka bedienen sich ih rer, um zum Fisch