Höflichkeit hatte den Mollah der Armenier zu einem Geschenke mehrerer
Flaschen trinkbaren Weines veranlaßt, die er als Pischkesch unserem Eltschi
überreichte, und dieselbe Veranlassung hatte den jüdischen Mollah, einen
zaghaften, ängstlichen Greis,, in das Haus des fränkischen Gesandten getrieben.
Die Aussicht auf den Verkauf von Antiquitäten (darunter auch
nachgemachte, da Hamadan ein Hauptplatz der Fabrication falscher Münzen
und Antiken ist) hatte den Rest der Hofbesatznng in’s Haus geführt, und
einer nach dem ändern, ohne Unterschied der Religion, schüttelte seinen
Vorrath aus dem schmutzigen Sacke auf den Teppich des Talars. Wir
durchmusterten alles mit größer Vorsicht und wählten aus, was uns werthvoll
oder besonders interessant schien. An Münzen aller persischen Dynastien
stellen Hamadan’s Händler eine reiche Auswahl zu Gebote| weniger
zahlreich ist die eigentliche Antike vertreten, und dann auch nur in kleinen
Dimensionen. Wir kauften von den Leuten eine Menge der' sonderbarsten
Dinge, alle aus einen Art von Bronze gearbeitet, deren Zweck
zum Theil kaum mehr zu errathen ist und die sämmtlich auf dem Terrain
von Hamadan gefunden worden sind. Menschliche Figuren, auch bloß der
Vorderkopf, Fäuste, Thierköpfe, Löwen, Hähne, Katzen, Vordertheile einer
Katze (mit Vorrichtungen, auf dem Rücken, um sie zu befestigen),’ Thier-
fiifse, Blumen, Stiefel, die wie unsere Reiterstiefel aussefien, Ringe (zum
Theil mit älteren a r a b i s c h e n Inschriften),- Ornamente, eine Unzahl von
dreikantigen Pfeilspitzen u. dgl. m. — zum grofsen Theil mit Oesen zum
Aufhängen,, also wohl, ehemals als Amulette benutzt, alles roh und kunstlos'
gearbeitet, mit Ausnahme weniger’Antiken griechischen oder römischen
Ursprunges, bildeten die Haupterwerbungen unseres Hamadaner Aufenthaltes.
Nachdem wir einen Spazierritt durch die'Stadt unternommen hatten,
überraschte uns die Dunkelheit bereits auf der Rückkehr zur Herb'erge.
Wir eilten unsere Hauptmahlzeit einzunehmen und hatten den Abend über
einen ebenso unverhofften als überraschenden Kunstgenufs, eine — Ballet-
vorstellung, wie sie selbst in unserem Berliner Hoftheater sicher noch nie
aufgeführt worden ist.
Die Bühne repräsentirte unser Talar mit seinen Teppichen, den ersten
Rang und das Parterre bildeten die bunten Nischen in den Wänden unseres
Saales und ein Paar' zerbrochene Feldsessel, das Amphitheater dagegen,
Stehplätze in der nachtkalten Luft, befand sich draußen auf dem Hofe,
und das Orchester am Rande des langen aufgezogenen Wandfensters. Statt
Gasschein und Kronenleuchter waren hier und da Stearinlichter mit AVind-
glocken auf den Boden gestellt worden.
Nun zur Besetzung des Theaters! Wir Europäer, vermehrt durch die
Anwesenheit des stehenden und döllmetschenden Jalma, d. h. Jahija- Beg
nahmen die ersten Plätze ein,' die Soldateske und Dienerschaft, mit ihren
neuen hamadanischen Bekanntschaften, das Amphitheater; das Orchester
hockte am offenen Fenster nieder— Es bestand aus einem alten, schielen
Musikanten, der seinem ächt persischen Instrumente, einer kleinen Violine
mit vier Drathsaiten, die nach Art unserer Oellogeige mit einem Bogen
gequält wurde,1 die jammeryollsten Töne entlockte. Neben ihm schlug sein
Fachgenofs die rasselnde Handtrommel und zwei andere Perser begnügten
sich lediglich damit, mit den Händen zu klatschen, nicht etwa als Claqueurs,
sondern- um den- Tänzern und dem Orchester den Tact anzugeben. Eine
wilde Musik, welche das ganze Amphitheater in Entzücken- setzte, leitete
das Ballet ein.
Das Corps de ballet erschien endlich, auf'de r; Bühne. Es bestand an-,
. scheinend-aus zwei jungen Damen mit langen Haarflechten, die .eine etwa
vierzehn Jahr alt, die andere um die Hälfte jünger. Ohne Jahijas Bemerkung
wußten wir iudefs von vornherein, daß .es verkleidete Tänzer waren,
dä die Tage längst vergangen sind, in .denen es Europäern vergönnt war,
den Tänzen wirklicher Mädchen zuzuschauen oder sich in den Kaffeehäusern
von Isfahan durch weibliche Bedienung aufwarten zu lassen, oder gar
während eines feierlichen GesandtsChafts-Istakb'al auch durch die Anwesenheit
loser Tänzerinnen beglückt zu wer de nwovo n uns Ol e a r i u s , Ta-
v .e rn ie r , Cha r d i n und andere Reisende^aus den vergangenen Jahrhunderten
so erbauliche Geschichten hinterlassen haben. Auf dem Programm
waren für den heutigen Abend persische, türkische, kurdische und afghanische.
Tänze angekündigt. Ein, Zeichen ward gegeben und das Ballet begann.
Die Musikanten fingen an1 zu spielen, die Pseudo-Claqueurs zu klatschen,
mit den Fingern zu knacken und dazu entsprechende Lieder zu
singen; die Tänzer erhoben ihre Arme, schlugen ihre -Gastagnetten, . aus
zwei Metallplatten bestehend, die einen hellen, wie, Glöckchen klingenden
Ton von sich gaben, mit den Fingern aneinander, setzten kunstgerecht ihre
nackten Füfse in Bewegung — Tricot ist in Persien auch bei der weiblichen
Tänzerschaar unbekannt —, drehten in den, wunderlichsten AYeisen
den Körper hin und her und führten mit großem Geschicke die verschie-
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