Der kleine Hof der Moschee- — -sonst so leer — war heute wie besäet
mit Menschen beider Geschlechter. Die Männer hockten zusammen, theils
mit der hohen persischen Lammfellmütze, theils mit der eng anliegenden
kurdischen Kappe, theils, wie die Sejid’s oder die Nachkommen-des Propheten,
mit grünem, theils, wie die Mollah’s und Schreiber,, mit weifeem
Turbane das geschorene Haupt bedeckt. Eng nebeneinander kauerten an
der einen Langseite des Hofes die tief in blaue Schleier verhüllten Weiber,
lebhaft mit einander schwatzend und mit den bemalten Händen und Armen
gesticulirend. Ein Mann mit langem Stocke hielt die bewegliche Schaar
in Ordnung und ein anderer spendete den Durstigen mittelst einer metallenen
Schale aus einem grofsen, auf dem Rücken befestigten Schlauche
Trinkwasser. * ; •
Der Mollah des Dorfes hatte die höchste Spitze eines thurmartigen
hölzernen Stuhles eingenommen. Verwegene Buben kletterten wie Affen
an dem seltsamen Gestell auf und nieder, ohne dafs sich der fromme Mann
in seiner unter Weinen abgesungenen Predigt stören liefe , durch welche
er, wie üblich, die Gemüther für das bevorstehende Schauspiel würdig vorzubereiten
suchte. Die Weiber, seine Worte zu Herzen nehmend, fingen
bereits an laut zu weinen und zu schluchzen, die Männer rauchten noch
immer mit kalter Ruhe ihre Wasserpfeife. Hier und da wischte sich Einer
und der Andere eine Thräne aus dem feucht gewordenen Auge. Wir suchten
inzwischen nach der Bühne. Die Diener, welche hinter uns standen,
gaben uns bald eine nähere Aufklärung. Ein mäfeig grofeer freier Raum
im Hofe, von einer mächtigen Sykomore beschattet, stellte die Bühne vor.
Kleine Haufen gehackten Strohes auf demselben sollten dazu dienen, die
Stelle des Staubes zu vertreten, mit welchem sich die agirenden Schauspieler
bei den ergreifendsten Scenen des Stückes den Kopf zu bestreuen
pflegen. Ein von Holz gebautes niedriges, wie ein breites Bett geformtes
Gestell mufete das Innere eines Hauses vorstellen.
So waren wir über glles Aeufeerliche der Scenerie genugsam belehrt.
Es fehlten nur noch die Schauspieler, deren Ausbleiben unsere Ungeduld
erregte. Man suchte uns durch angebotene Scherbets, Thee und Wasserpfeifen
für das lange Warten zu entschädigen, mit der Erklärung, dafs die
Acteurs auf dem Wege von Niaweran, dem etwa eine halbe Meile weit
nach den Bergen zu gelegenen Lustschlosse und Sommeraufenthalte des
Schah, gesehen würden, dafs sie dort bereits vor dem König der Könige
und der Königin Mutter gespielt hätten und baldigst das Dorf Rustem-abad
erreichen würden.
Endlich verkündigten neue Mark und Bein durchdringende Tiompeten-
stöfee die Ankunft derselben und somit den Beginn des Stückes. Die
Bande bestand aus einem Director und aus etwa zwölf Männern und Knaben,
die, mit guter Stimme begabt, während der Moharrem-Schauspiele
ihr Handwerk oder was sie sonst, treiben mögen im Stich lassen und sich
einem Schauspieldirector anschliefsen. Sie wandern mit ihm von Ort zu
Ort und müssen oft, wie diesesmal, hintereinander an verschiedenen Plätzen
spielen. Jeder trägt in Gestalt langer beschriebener Zettel seine Rolle in
der Hand und liest und singt a b ,u m dem mangelhaften Gedächtnifs zu
Hülfe zu kommen. Frauenrollen werden nur von Männern gespielt ; heilige
Personen dürfen nur mit einem grünen Schleier vor dem Gesichte dargestellt
werden..
Obgleich ich nicht Alles verstand, was die Schauspieler, immer in singendem
Tone, recitirten, so war Ich doch aufs Tiefste ergriffen von der
Lebendigkeit und Wahrheit des Ausdrucks und von den Zeichen des tiefsten
Schmerzes und der Klage, welche das ganze Publicum in echt homerischer
Weise an den Tag legte. Man heulte und .weinte, zerschlug sich die
Brust und das Gesicht, bis das klare Blut aus den zerfetzten Körpertheilen
fiofs, ja ich habe Perser gesehen, welche Steine vom Boden aufhoben, um
sich damit die Brust zu schlagen. Je mehr sich der Augenblick höchster
Gefahr für den Imam und seine Familie näherte, wobei ein ziemlicher Aufwand
an Menschen, Pferden, Kameelen und Costümen stattfand, je grimmiger
ward das ganze zuschauende Volk. Unaufhörlich streuten die Schauspieler
Häcksel auf ihr Haupt, schlugen mit den Händen auf die Lenden
und heulten immer wilder ihr Wai! Wai! ja Hassan! ja Hussein!
Auf dem Punkte, von den 72 Pfeilen getroffen zu werden, die seinem
Leben ein Ende machen sollen, hat Hussein die Genugtuung, dafs ein
fränkischer Abgesandter —- aller Augen richteten sich dabei unwillkürlich
auf uns Europäer — ihm die Hülfe seines Königs anbietet, und dafs selbst
die wildesten Thiere, Löwe und Tiger, ihm beistehen wollen. Doch der
fromme Imam weist jede Hülfe zurück, sich allein in Gottes Willen schickend,
und nun geht die Mordscene in aller Ausführlichkeit vor sich.
In dem Augenblick, als das rothe Blut auf seinem von Pfeilen durchbohrten
Körper sichtbar ward, erhob sich in tobender Wuth der ganze