dem Typus des rein Soldatischen an, aber mit jener Beimischung des Edlen
und Humanen, das sich so beredt und so vielsagend in den Augen und in
den Linien um die Mundwinkel auszudrücken pflegt.
Heri Baron v. MinutoU hatte die Güte, auf die besondere Specialität
meiner Studienrichtung aufmerksam zu machen.
„Ist es möglich, rief mir der Fürst zu, voller Erstaunen und voller
Fieude zugleich wissen Sie denn, dafs ich der glückliche Besitzer der
gröfsten und vollständigsten Bibliothek über altägyptische Literatur im ganzen
russischen Reiche bin?“
Das war mir allerdings ganz-neu, und ich verhehlte meine Ueber-
raschung keinesweges.
Der Fürst erzählte darauf in der heitersten Weise die sonderbare, ihn
hoch ehrende Geschichte der Erwerbung dieser Bibliothek, ln einem deutschen
Bade weilend, begegnete der russische Feldmarschall in Civilkleidern
einer Person, offenbar einem Badegaste, die von Krämpfen befallen plötzlich
vor ihm auf den Erdboden niedersank. Von Niemand unterstützt, hob
ihn der Fürst vom Boden auf, brachte ihn nach seiner Wohnung und sorgte
für augenblickliche Hülfe. Aus Dankbarkeit vermachte die Person, der
mssische Akademiker Goul ianof , bekannt durch eine eigenthümliche Richtung
in der Auslegung altägyptischer Schriften und durch seine kritische
Beleuchtungen der Champollion’schen Arbeiten, seine ganze, aus 3000 Bänden
bestehende Bibliothek dem Fürsten Bariatinsky. Der Held des Kaukasus
blieb nicht zurück in den Beweisen edelmüthiger Gesinnung. Er
übernahm die ägyptische Erbschaft unter der Bedingung eines Jahrgehaltes
von 2000 Silberrubel. Go u l i a n o f bezog die Summe zwei Jahre lang, bis
ihn der Tod seinen Lieblingsstudien entzog. Der Katalog dieser Sammlung,
welche in dem Bibliothekzimmer des fürstlichen Statthalters vom
Kaukasus in Tiflis aufgestellt ist, wurde auf A l e x a n d e r von Humb o ld t ’ s
Anrathen und mit Unterstützung des Herrn von R a d owi t z vom Professor
Bu s c hma n n in Berlin angefertigt.
An dem Diner beim Fürsten nahmen an sechszig Personen, Herren
und Damen, den ersten russischen und georgischen Familien angehörig,
Theil. Unter den anwesenden Herren mufste vor allen die Gegenwart des
Herrn v o n K r u s e n s t e r n , des Ghefs der Civilverwaltung des Kaukasus,
eine besondere Anziehung auf die deutschen Landsleute ausüben. Herr
v o n K r u s e n s t e r n gehört zu den wenigen Personen im Lande, die an der
Spitze eines der verschiedenen Zweige der Verwaltung stehend, sich nicht
nur der allgemeinsten Zufriedenheit, sondern sogar, und bei einem Beamten
deutschen Ursprunges ist dies hoch anzuschlagen, sich eines vorzüglichen
Lobes erfreuen. Güte und Sanftmuth malen sich neben einer vollendeten
Amtsstrenge in den Zügen des vortrefflichen Mannes, dessen
bescheidenes Wesen einen eigenen Zauber auf jeden ausüben mufs, der
Gelegenheit hat, mit ihm in nähere Berührung zu treten.
Unter den Damen befanden sich drei georgische Fürstinnen, den alten
Königsfamilien entsprossen, die bekanntlich ihren Stammbaum bis 100 Jahre
vor der Geburt des Erlösers hinaufreichen lassen, andererseits aber im
Zusammenhang mit jüdischen Wanderstämmen stehen sollen, die .sich im
Kaukasus niederliefsen und später als Könige des Landes das Christenthum
annahmen. Leider waren die Damen, so sehr wir uns den Anblick
gegönnt hätten, nicht in Landestracht erschienen, sondern trugen die neuesten
Pariser Moden.
Nach einem ebenso reichen als auserlesenen Diner begab sich die Gesellschaft
in das sogenannte p e r s i s c h e Z imme r des Fürsten. Hier ist
alles, bis zu der buntbemalten Laterne, welche die Stelle des Kronleuchters
vertritt, in persischem Geschmack eingerichtet. Die feinen wollenen
Teppiche auf dem Fufsboden, die prachtvoll gestickten Decken auf Tischen
und Stühlen, die seidenen Vorhänge mit ihren eigentümlichen Mustern
und Zeichnungen, die Wanddekorationen und Stalaktitenornamente, welche
um den oberen Rand des Zimmers liefen und die Decke zu tragen schienen,
und eine Menge kleinerer Gegenstände verrietben die iranische Herkunft.
In der Nähe des Einganges erregt eine eigenthümliche Sammlung, auf
drei grofsen Sammetscheiben befestigt, die Aufmerksamkeit des Eintretenden.
In den mehr- als hundert kunstlos gearbeiteten silbernen Platten von
etwa anderthalb Z°H Durchmesser, bald rund, bald halbmondförmig gestaltet,
welche die Sammetschilde bedecken, liegen für den Eingeweihten
blutige Geschichten aus den Kämpfen im Kaukasus niedergesehrieben. Mit
einem jeden Zeichen hatte Schamil die Brust eines tapferen Helden seiner
Tscherkessen geschmückt. Den Odem des Lebens und das Zeichen der
Ehre verlor der Träger wohl in den meisten Fällen zu gleicher Zeit.
Mir ward bange vor so viel blutigen Siegeln. Ich wandte gern mein
Auge zu dem schönen Oelbilde daneben, das Werk eines wackern deutschen
Landsmannes, der sich im Allerhöchsten Aufträge den Kriegszügen