deck campiren, viele in Begleitung ihres wohlverhüllten, ächzenden und
jammernden Harems, und mit Sack und Pack ihr Lager ä la turc auf
etliche Tage und Nächte dicht nebeneinander aufgeschlagen haben, nur
eine schmale Gasse dem arbeitenden Seevolke und den spazierengehenden
Europäern gestattend.
Dem stillen Beobachter dieses zusammengepferchten Menschenknäuels
müssen tausend Dinge interessiren, diel vor seinen Augen in ununterbrochener
Folge der Stunden Gegenstand der Beschäftigung dieser Leute
sind. Hier ist ein seekranker Harem genöthigt, den Schleier vor dem
Gesichte zu lüften; der alte türkische Hausherr hat den grofsen blauen
Regenschirm aufgespannt und sucht mit demselben, ihn nach allen Weltrichtungen
hindrehend, die Reize seiner jugendlichen Frau vor unberufenen
Blicken zu verbergen. Dort verzehren ein paar Tataren ihr bescheidenes
Mahl, aus Brot, Salz und einem Bündel Zwiebeln bestehend; auf dem
Erdboden sitzend, verschlingen sie mit ungewöhnlichem Appetite die Pyramidenkost,
laden aber, ächt orientalisch gastfreundschaftlich, den vorübergehenden
Muslim mit einem bismillah „ im Namen Gottes! “ e in , an
der Mahlzeit Theil zu nehmen. Ein Armenier packt seine kleine Familie
sorgsam in Betten und Decken ein, hängt sich die zottige Burka windgerecht
um, und versucht den gefüllten Tschibuk in Brand zu bringen. Ein
paar Griechen haben in der Nähe des wannen Schornsteines Platz genommen
und fangen ein Streit erregendes Kartenspiel an. In ihrer Nähe leert
ohne Gewissensscrupel ein handfester Arnaut die wohlgefüllte Flasche,
wischt mit der Hand über den genäfsten Bart und flucht im Stillen auf
die Menschen, denen er heute und morgen nichts auszupressen im Stande
ist. Dann greift er nach der drahtbespannten Laute und singt zu ihren
Klimpertönen mit näselnder Stimme „so ein Lied, das Stein erweichen,
Menschen rasend machen kann “. Seiner Meinung nach ist aber der hehre
Musäget ein Stümper gegen ihn. Schweigsam sitzt der Perser da, läfst
die Perlen seines Rosenkranzes langsam durch die Finger gleiten und berechnet
den Gewinn einer beabsichtigten kaufmännischen Unternehmung.
Am häufigsten findet der Beobachter Gelegenheit auf schlafende Personen
zu treffen, die Tag und Nacht über die Augen' schliefsen und die Zeit der
ganzen Seereise auf das angenehmste verträumen.
Das -Schiff lag am Eingänge zum goldenen Horn, zwischen Asien und
Europa. Dunkle finstere Wolken bedeckten den Himmel, verminderten
aber keinesweges den Eindruck des herrlichen Schauspiels, welches der
Anblick Konstantinopels und der Vorstädte den überraschten Augen darbietet.
Eine ungewöhnliche Menge von Dampfern und Segelschiffen ankerte
in unserer Nähe, auf den Wasserstrafsen dazwischen schossen die flinken
Kaiks hindurch, und hunderte von krächzenden Möven umflatterten die
Schiffe , nach Nahrung aus dem Meere mit scharfem Auge und noch schärferem
Schnabel suchend.
Vier Stunden nach unserer Ankunft auf dem Dampfer war die Einschiffung
der übrigen Mitreisenden und des Gepäckes beendigt, die Anker
wurden gelichtet und in dem Augenblicke, als sich die Schraube des
Dampfers in Bewegung setzte, brach die Sonne hinter dem zerrissenen
dunkelen Gewölk hervor und beleuchtete mit falbem Scheine die herrliche
nova Roma. Die Fahrt durch den Bosporus, die seltsam genug mit einer
Fahrt auf dem Rheinstrome grofse landschaftliche Aehnlichkeit aufzuweisen
hat, dauerte gegen zwei Stunden. Die üppigen baumreichen Ufer auf der
europäischen wie auf der asiatischen Küste sind beinahe bis zum Eintritt in
das schwarze Meer mit Villen, Häuserreihen und Moscheen bedeckt, deren
ermüdende Würfelform und grellfarbiger Anstrich so wenig mit den wechselvollen
Gestaltungen des vegetationsreichen Hügellandes im Hintergründe
harmonirt. Delphine tauchen dicht neben uns aus der klaren, ruhigen
Wasserfläche empor, und in schnellem Fluge eilen grofse Schaaren wilder
Gänse über der Fläche des Wassers dem schwarzen Meere zu. Nicht
weit von der Stelle, wo dasselbe in den Bosporus seine Wassermasse wie
in eine-Schleuse ergiefst, erblickt man auf den beiderseitigen Höhen die
malerischen Ueberreste zweier alttürkischer Kastelle; später, auf der europäischen
Seite, nach Bujukdere zu, zwischen einer Bergschlucht, welche
sich nach dem Meere hin öffnet, einen Theil der alten riesigen Wasserleitung.
Weithin sichtbar zieht sich dieselbe auf den Höhen bis Konstantinopel
hin und versorgt noch heute die Stadt mit frischem Trinkwasser.
Der Eingang in das schwarze Meer wird durch kleine türkische Forts mit
Militär-Kolonien gedeckt. Oben auf der Höhe der asiatischen Seite Ruinen
einer genuesischen Feste.
Obwohl der Himmel trübe und bedeckt war, so blieb nach unserem
Eintritt in das schwarze Meer die asiatische Küste zur rechten Hand deutlich
und sichtbar. Hinter einer langen Hügelkette, welche sanft in die
ewige Fluth des Meeres herniedersteigt, erheben sich höhere massenhafte
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