sondern der Schlamm des aufgeweichten Lehmbodens und die rasche Folge
sumpfiger Moräste boten dem schnellen Fortkommen so bedeutende, Schwierigkeiten
dar, dafs wir jede Meile nach Stunden zu zählen fürchteten.
Obgleich die Meer- und Flufsfahrt bis nach Maran nur angenehm und bequem
gewesen war, so gewährte trotz der unbehülflichen Stellung auf dem
engen Raume des Gepäckes die Veränderung der Landreise eine Zerstreuung,
die uns für den ersten Tag fast ganz beschäftigte und alles vergessen
liefs, was unter anderen Umständen unerträglich erschienen seiu
würde.
Zunächst rollten die vom Kothüberzug fast unkenntlich gewordenen
Räder der Telega an einer Reihe von Blockhäusern vorüber, welche ein
dichter Zaun geflochtener Zweige umschlofs. Mächtige Bäume bildeten
davor den schönsten natürlichen Park; in mannsdicker Stärke rankte sich
die Weinrebe um ihre Stämme und Zweige. Grofse Schweine -Heerden
weideten zufrieden auf dem fettigen Boden, mit ihrem grunzenden Rüssel
die feuchte Erde hochaufwühlend.
Der Weg wurde allmählig fester; pfleilschnell flog die Troika dahin,
lieblich hallte der klare Ton des Glöckleins am Joche über dem Kopfe
des mittleren Pferdes durch Berg und Thal. Die Landschaft wurde von
Werst zu Werst winterlicher. Das- Thal des Rion hinaufsteigend blies uns
Boreas mit so eisigem Hauche an, und fegte uns so feinen Staub in das
Gesiebt, dafs sich unsere Augen sehr bald rötheten und entzündeten und
die Haut an Gesicht und an Händen wie abgeschält aussah.
In dieser Jahreszeit, vielleicht die ungünstigste die man zur Reise im
Kaukasus wählt, kann man den Tag über zwei, höchstens drei Stationen
oder 50 bis 60 russische Werst zurücklegen. Die letzteren werden durch
die kleinen Posthäuser an der neuen Landstrafse bezeichnet. Man hält vor
einem aus Holz oder Stein gebauten niedrigen Hause (stanzie auf russisch,
obwohl hier tatarisch-türkisch gesprochen wird) an, wo gewöhnlich ein
halbes Dutzend Kosaken mit ihren Pferden im Quartier liegen, der Posthalter
(smcäritel) läfst sich die Kaiserliche Postmarschroute Podorosckna
zeigen, die Pferde — wenn solche zu haben sind — werden gewechselt
und das Gepäck auf andere Telegas übergeführt. Alles das nimmt Zeit
weg und erfordert Geduld; uns, den preufsischen Argonautenfahrern, pafste
das sehr wenig, und wir hätten manchmal recht böse werden können,
wäre nicht die Kälte gar zu grimmig gewesen.
Die Podorosckna, um auch darüber ein Wort zu sagen zu Nutz und
Frommen der Nachkommenden, ist eine dreifache. Die wichtigste, am
schwierigsten zu erlangende, ist die Podoroschna kurrierska, welche die
Regierung nur ihren Courieren und besonders empfohlenen Ausländern
einhändigt. Die Pferde, sobald solche nur irgend disponibel sind, müssen
bei Vorzeigung eines derartigen Courier-Passes erster Klasse sogleich gewechselt,
;Telegas geliefert, und alles Sonstige auf das schnellste besorgt
werden. Vortheile: Ersparnifs an Warten, schnelleres Fortkommen, billigere
Fahrt, und — unmenschlich genug, aber glücklicherweise wahr —
Zurücksetzung d. h. Wartenlassen aller übrigen Reisenden, welche das
Unglück haben, keine derartige Podoroschna zu besitzen. Nummer Zw e i
kommt die Krona Podorosckna: Eie hat den Vorzug der Beförderung n a c h
den Courieren und v o r den Reisenden der folgenden Kategorie, die,
Nummer D r e i , nur mit*einer gewöhnlichen Post Podoroschna versehen
sind. Wenn so ein Unglücklicher' Couriere oder Reisende mit Nr. 2. vor
und hinter sich h a t, so k.ann er tagelang auf den Stationen sitzen bleiben
und es machen wie jener russische Tourist, der sein Bett auf die
offene Strafse.schleppte, sich dort hineinlegte und in dieser Lage.bereits
einige Tage auf Gelegenheit zur Weiterbeförderung wartete, als wir mit
Nr. 1. in der Tasche an ihm und seinem Geduldslager vorübersausten.
Wem Stellung, Gelegenheit oder Mittel fehlen, einen Postpafs zu erlangen,
miethet sich einen Hauderer, kriecht mit seiner portativen Habe unter den
Plan und läfst sich von einem und demselben Pferde- oder Ochsengespann
wochenlang durch den Kaukasus langsam fortschleifen.
Bei Nacht kehrt man ein in d.as Posthaus. Ein oder zwei Zimmer
mit Holzpritschen, Tischen und Stühlen, mit einem Kamin im Hintergründe
oder in der Ecke, empfangen den müden Wanderer. Wenn nicht
bereits alles besetzt is t, in welchem Falle man auf dem Flur oder auf der
Strafse bleiben darf, macht man es sich bequem so gut es eben geht.
Das unsichtbare Büffet des Postmeisters, den ein Soldat, gewöhnlich ein
polnischer Jude, in-seinem Amte unterstützt, liefert einen Thee, der im
dampfenden Samowar bereitet wird , vielleicht einen jungen, nach Naphtha
schmeckenden Landwein, Eier und grobes- schwarzes Brot. Kommt sonst
noefl. etwas dazu, als Hühner, geräucherter Fisch u. s. w., so glaubt man
sich nach einem Delicatessen-Laden versetzt. Etwas fehlt nie und das ist