des Einzelnen vor der Despotie, sodann aus dem Glauben, dafs in Folge
einer Weissagung mit der zunehmendon Noth und dem Elend dio nahe Ankunft
des Messias bevorsteho, und endlich aus der Bangigkeit, dafs mit
einer Erhebung eine europäische Intervention und damit eine Verfolgung
des Islam verbunden sei.“
Der Hauptsache nach war unser Leben in Rustem-abad ein ruhiges,
beschauliches, stilles Dasein. Nur der Anblick der steilen Gebirgskette
dos Elburs, gekrönt von dem schneebedeckten Kegel des Demawend, welcher
von Norden über die hohen Gartenmauern auf uns herniederschaute,
und die thurmähnlichen spitzen Pelzmützen unserer persischen Umgebung
zerstörten die Täuschung, als lebten wir den heifsen Sommer über in dem
Obstgarten irgend eines europäischen Bauergehöftes. Nur die Abende waren
schöner, poetischer, als sie es jemals in Europa sein mögen. Auf den
bunten Teppichen vor unsern Zelten liegend, schauten wir nach dem tief
dunkelblauen, reich mit Sternen besäeten Himmelsgewölbe über uns, oder
warfen den Blick auf die mannigfachen Formen der Baumgruppen, welche
sich über der Mauer am Nachthimmel silhouettenartig abmalten, von dem
Lichte der klaren Mondscheibe mit mattem goldigem Glanze übergossen.
Der Gesang der Nachtigall wurde durch die Stimme des Moliah unterbrochen,
welcher von dem Dache der nahen Moschee her das Abendlied
abrief. Seine Worte:
„Gott ist sehr grofs!“ (ällahu akbär, viermal wiederholt),
„Ich bekenne, dafs aufser Gott kein Gott is t! “ . ( äschhäddu änla illdhä
illalah, zweimal),
„Ich bekenne, dafs Muhammed der Gesandte Gottes ist!“ (äschhäddu änne
Muhammed-ar-russul ctllah, zweimal),
„Ich bekenne, dafs der Beherrscher der Gläubigen Ali und dafs' er der
Stellvertreter Gottes is t! “ { äschhäddu emir- el-mumenin Ali-jen
welij-ullah, zweimal)
verhallten langsam und zitternd wie klagende Accorde der Aeolsharfe in
die schweigende Nacht hin, bis die Stimmen der Kinder des Dorfes von
den Dächern und Höfen her seine Worte im hellen Chor wiederholten. Der
alte Sänger-Mollah stieg von der Moschee herunter und das tiefe Schweigen
der Menschen unterbrach nichts als das Summen und Schwirren der
Käfer und der Gesang der persischen Bulbul. Solche Abende gehören zu
den schönsten Erinnerungen unseres persischen Aufenthaltes und verwischten
manche düstere Schattenseite des Lebens unter dem Volke Iran’s.
Der Elburs, diese Riesenmauer, welche das alte Land der Diw am
kaspischen Meere von der Hochfläche Inner-Persiens trennt, lud uns oft
zu Ausflügen nach seinen zahlreichen tiefen Schluchten ein, von denen die
Felsenspalte von .Paskaleh und ein Wasserfall darin eine gewisse Berühmtheit
erlangt hat. Die letztere besuchte ich eines Tages in Gemeinschaft
mit unserem vortrefflichen und liebenswürdigen Freunde und Reisegefährten
Hrn. v. G ro lm a n .
Morgens früh 5 Uhr zogen wir von unserem Hause ab. Unser Zug
bestand aus uns Beiden, unserem europäischen Koche und 4 persischen
Dienern, alle zu Pferde. Daran schlossen sich zwei Maulthiere, welche die
nothwendigsten Küchengeräthschaften und Decken auf ihren geduldigen
Rücken trugen. Obgleich es noch früh am Tage war, so war dennoch die
Luft heifs und drückend. Wir schlugen den Weg in nordwestlicher Richtung
über mehrere persische Dörfer ein, die man sich in folgender Weise
vorstellen mufs. Nicht gar zu lange, sehr enge, holprige, durch Rinnsale
unterbrochene Gassen, rechts und links von hohen Erdmauern eingeschlossen,
über welche die persische Pappel und zahlreiche Fruchtbäume hinwegragen.
In der Mitte des Dorfes pflegt ein offenes Gebäude aus ungebrannten Erdziegeln
mit einem gleichfalls offenen Vorhofe zu sein, hier und da mit
kleinen Gittern versehen, vor welchen Theehändler und Kaliünhalter ihre
Waare auszubieten pflegen. Dieser Ort, der gewöhnlich mit vielen Sonnengesichtern
bemalt ist, vertritt die Stelle der in Backsteinen erbauten städtischen
Moschee. Da sitzt denn Alt und Jung unter den Männern, raucht
die Wasserpfeife und trinkt den Thee dazu, der bei den Persern in Stadt
und Dorf in jeder Beziehung die Stelle des Kaffee ersetzt. Hat man ein
solches Dorf passirt, wo halbnackte Kinder mit rothgefärbtem Haare von
zartestem Alter auf der Gasse herumkriechen und laufen und die Bauernweiber
unverschleiert die Ankömmlinge anlachen und bespötteln, so kommt
man auf das sonnige, verdorrte, steinbesäete freie F e ld, wo nichts erfreut
als der Anblick des langen Elburs-Gebirges, an dessen Fufse wie Oasen
baumreiche Dörfer gruppenweise und amphitheatralisch allmählig in die
glühende Ebene herniedersteigen.
Auf solchem Schauplatze waren wir etwa eine Stunde im starken Schritt
geritten, ehe wir das hoch und hübsch gelegene Dorf Imamzadeh Qcmm, er