nungen der französischen Literatur concentrirte. Der General schreibt und
spricht das Französische mit einer Geläufigkeit und Eleganz, die ihresgleichen
unter Nichtfranzosen zu suchen hat und unsere ganze Bewunderung
erregte.
Seiner Meinung nach war es notlnvendig, dafs die fremden Gäste zu
allererst in seiner Begleitung Kenntniss von Eriwan und der unmittelbaren
Umgebung der Stadt nahmen. Für den Tag unserer Ankunft ward deshalb
ein Ritt zu Pferde durch die Stadt, für den folgenden ein Ausflug nach
Etschmiadzin, dem armenischen Rom, verabredet.
Der ausgesprochene Wunsch des Generals hatte eine ungewöhnliche
Zahl aufgeputzter Tataren-Khane und tatarischer Reiter auf dem grofsen
Meidan versammelt, die sich mit ihren Pferden herumtummelten, ehe sie
sich der Begleitung anschlossen. Der Bazar, durchaus asiatisch, das Quartier
der Tataren, die armenischen Viertel, der Garten des ehemaligen
Serdars in der Nähe des felsigen Ufers der Senga, auf der anderen Seite
der Stadt, wurden besucht, und zuletzt die persische Feste in Augenschein
genommen.
Europäischen Truppen kann das Erdbollwerk durchaus keinen Schrecken
einflöfsen. Das buntbemalte Lusthaus des letzten Serdars und die Moschee,
gegenwärtig ein Pulvermagazin, gaben die ersten grofsartigen Beispiele des
persischen Baustiles und der persischen Blumenornamentation ab. Das
in der Nähe befindliche europäische Lazareth, von musterhafter Ordnung
und Reinlichkeit, war mit russischen Soldaten angefüllt, welche meistens
vom Fieber befallen waren und ihrer Genesung harrten.
Der abendliche Aufenthalt in einem hell erleuchteten Bade persischen
Ursprunges, mit Spiegeln und Blumenmalereien an den Wänden, war belustigend
genug durch die Bemühungen der Tataren, uns nach Landessitte
auf das vollkommenste zu behandeln, d. h. so stark und so lange zu kneten,
dafs es' mir vorkam, als sei mir jeder Knochen im Leibe zerbrochen.
Die. Unmöglichkeit, mich meinen Quälern mittelst des tatarisch-türkischen
Idioms verständlich zu machen, liefs mich die ganze Reihe der üblichen
Badetorturen überstehen, bis ich erst zur Besinnung kam, als man mich
wie durch ein Loch im Backofen in ein Bassin mit briihheifsem Wasser
schob, aus dem ich mich mit einem lautem Angstschrei durch eine zweite
Oeffnung zu retten suchte. Zum Schlüsse wurde als Erfrischung Eriwaner
Braunbier mit persischen Kalians gereicht, beide so wenig zu einander
passend, als der europäische Verehrer des kalten Wassers in der warmen
Brühe der tatarischen Badstube.
Reisende mit gesandtschaftlichen Pässen und Empfehlungen haben den
Vorzug vor gewöhnlichen Touristen, die besonderen Merkwürdigkeiten einer
fremden Stadt leicht und schnell kennen zu lernen. Freilich wird immer
das Beste aufgetischt, während die ordinären Pilger, zu deren Klasse ich
mich sonst zu rechnen habe, erst lange suchen und anklopfen müssen,
freilich aber dafür mit manchen Nebendingen vertraut werden, die eben
nicht als Glanzpunkte auf dem fremden Boden leuchten.
So wurde auf den 3. April unser Besuch in dem Mädchen-Institut von
Eriwan angesagt, bevor wir unseren Ausflug nach dem armenischen „Dreikirchen“
unternehmen wollten.
Das in Rede stehende Institut, unter der Leitung einer Deutschen,
Madame B e r g h a u s , die während eines fünfundzwanzigjährigen Aufenthaltes
in Rufsland ihre deutsche Muttersprache vergessen h a t, dafür aber
sehr gut russisch parlirt, bildet eine Erziehungsanstalt junger Damen. Zwei
Klassen enthalten ungefähr vierzig Schülerinnen, die in den gewöhnlichen
Unterrichtsgegertständen unterwiesen werden. Die Mädchen tragen sich in
Blau und Weifs, den vorgeschriebenen Farben, die Offiziere des gelehrten
Mädchenbataillons, d. h. die Fleifsigen, sind durch eine rothe Schleife an
der linken Schulter ausgezeichnet. Es ist ungemein interessant, aus der
versammelten Kindermenge die verschiedenen Nationalitäten herauszuerkennen.
Auf einen Blick unterscheidet man die russische, georgische, armenische
und tatarische Rasse. Das Institut wird durch Pensionats-Beiträge
(60 bis 100 Rubel jährlich), durch freiwillige Gaben und durch den Erlös
von Theater-Vorstellungen unterhalten, in denen die Mädchen als Acteurs
zu ihrem eigenen Besten spielen müssen. Die Waisen, welche einige Freistellen
besetzen, haben den Vorzug, oft noch sehr jung an den Mann zu
kommen. Für das höchste Gebot der Kebine oder der Mitgift werden sie
an die anwesende heirathslustige Männerschaar öffentlich unter den Auctiens-
hammer gebracht!
■ „Und sind die Ehen erfahrungsmäfsig glücklich?“ fragte ich.
„Odschi! Qdschi! gar sehr!“ erwiederte Madame B e rg h a u s .
Ländlich, sittlich! dachte ich bei mir im Stillen. Gott A m o r wird in
Eriwan gewaltig geprellt.
Der Weg bis Etschmiadzin dauert etwa zwei Stunden. Auf der stei-
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