sehn nach, übernahm es, uns den Weg nach dem empfohlenen Gasthof
Missirie in Pera zu zeigen. Auf einem schrecklichen Steinpflaster mufsten
wir, noch dazu bergan steigend, durch unergründlichen Koth eine halbe
Stunde lang fortglitschen, bis wir uns endlich in der Hauptstrafse Pera’s
vor dem Eingänge des europäisch eingerichteten Hotels befanden, in dem
man sich gegen 17 Francs täglicher Pension häuslich niederlassen darf.
Grofströpfig fiel am Tage unserer Ankunft und an dem darauf folgenden
der Kegen vom Himmel. Am 18. machten wir den Versuch, unter
Führung eines türkischen Kawassen der K. preufsischen Gesandtschaft, zu
einer Badstube zu gelangen, um die vielgerühmte Annehmlichkeit einer
türkischen Abwaschung in bester Form zu geniefsen.
Die Häuser an beiden Seiten der Strafsen, die wir durchwateten,
schienen in einem grofsen See zu stehen, der durch aufgethürmte Koth-
berge und da, wo der Weg abschüssig geht, wie nach Galata und der
Badstube zu, durch rauschende Giefsbäche herabfliefsenden schmutzigen
Regenwassers unterbrochen wird. Da hiefs e s , sich wacker durchzuarbeiten.
Die Mehrzahl der Europäer wanderte in gewaltig grofsen Wasserstiefeln
einher, die berittenen suchten sich aufserdem durch Regenröcke und Regenmäntel
zu schützen. Die Hauptstrafse Pera’s ist ziemlich eng, und führt
bei vielen türkischen Friedhöfen vorüber, welche fufshoch über dem
Strafsenniveau liegen. Der Mohamedaner liebt es, den Wanderer auf seiner
Reise durch ein solches Memento mori! an das letzte Reiseziel zu erinnern.
Bis tief in Asien hinein sind die Leichenäcker zu beiden Seiten
der Karawanenstrafsen angelegt.
Laden drängt sich an Laden in der Strafse.- Ein jeder hat sein meist
in französischer Sprache abgefafstes marktschreierisches Aushängeschild.
In gleicher Weise hat jede Strafse ihre besondere französische Benennung,
wahrscheinlich eine Reminiscenz civilisatorischer Bestrebungen aus den
Zeiten des Krimkrieges her.
Nach Galata zu geht’s von Stufe zu Stufe bergab auf dem unbequemen
holprigen Steinpflaster. Die Thür der Badstube war endlich erreicht.
Weniger schmuckvoll im Innern als die arabischen Bäder, wie man sie
in Kairo und Damäscus sieht, hatte das türkische den grofsen Vorzug
reinlichen, sauberen Aussehns. Der Besitzer des unsrigen war ein Armenier.
Die Söhne Haik’s , mit denen ich seit meiner Rückkehr aus Afrika
zum erstenmale hier wieder zusammentraf, haben in der neuesten Zeit
eine grofse Bedeutung für den Gesammtorient gewonnen. Von Natur mit
g r o f s e n geistigen Anlagen beschenkty voller. Scharfsinn und Feinheit , alles
leicht auffassend, unterfiehmungslustig, aber vorsichtig speculirend, dabei
tnäfsig in seinen Ansprüchen und Bedürfnissen, repräsentirt der Armenier
den Geldbesitzer, den grofsen Kaufmann und Industriellen, den eigent-
Jichen Vermittler des Westens mit dem Osten. In der Türkei und in den
abhängigen Provinzen dieses Reiches, wie in Aegypten, Syrien und Klein-
Asien, im Kaukasus,- in Persien — überall is t es der Armenier, weleher
sich auf fremden Boden ansiedelnd bald ,eine bedeutende Rolle in allen auf
Gelderwerb gerichteten Geschäften spielt, und mit kluger Berechnung und
Schlauheit die einflufsreichsten Personen in seine Netze zu ziehen weifs.
Er ist schliefslich die Seele des ganzen Geldverkehrs.
Unser Armenier, der Badstubhalter, empfing uns mit ächt türkischem
Ceremoniel, eingeleitet durch die üblichen Worte: salam aleikum „Friede
se\ über Euch!“ Ich will mich nicht in die ausführliche Beschreibung
der Geheimnisse des Bades versteigen, welche bis zum unvermeidlichen,
aber wohlthuenden K e f am Schlüsse aus einer Reihe gut einstudirter und
ausgeführter Abreibungen, Abwaschungen, aus Kneten und Verrenken der
Glieder.bestehen. Das kann man nur empfinden, wie die Wärme des
Sonnenstrahles. ' Das Bad hatte über zwei Stunden gedauert. Wir ver-
liefsen es, zufriedener mit der Wirkung der Behandlung als mit dem
Preisej : der für drei Personen nicht weniger als sechs preufsische Thaler
betrug. Achmed, der grofsbärtige türkische Kawafs, geleitete uns durch
Regen und Koth bis zur Herberge heimwärts, wo wir bei dem hellen
Kaminfeuer sitzend, die nafskalte Witterung zu vergessen suchten.
Konstantinopel hat so gut wie Berlin seinen Winter und seine Regenzeit.
In den europäisch eingerichteten Häusern schützen französische Kamine
vor der empfindlichen Kälte. Die Türken und ich füge gleich
hinzu die Araber und Perser — dagegen erwärmen sich mit Hülfe des sogenannten
Mangals. Dies ist eine sonderbare. Vorrichtung, die wohl eine
nähere Beschreibung verdient.
Man läfst über Nacht auf dein Dache des Hauses ein mit glühenden
Holzkohlen angefülltes und mit Asche bedecktes Metallbecken — Mangal
genannt — ausglimmen, und stellt es in die Mitte des Zimmers. Ein
kleiner, etwa anderthalb Fufs hoher Tisch wird darüber gesetzt und über
den Tisch eine grofse Decke ausgebreitet, die mit ihren Enden allent