bezogen den zweiten Hof oder das Enderun und bald waren wir so wohnlich
eingerichtet, als hätten wir Lust, jahrelang in dem persischen Hause
zu Teheran zu sitzen.
Am 26. August hatten wir die Uebersiedelung zu Stande gebracht, am
2: September sollte die grofse Reise nach dem Süden angetreten werden,
deren Dauer auf drei Monate berechnet war und welche in der kurzen Zeit
bis zum Aufbruch eine Menge von Vorbereitungen aller Art erheischte.
Es mufsten Maulthiere und'Karawanenführer gedungen, Vorräthe eingekauft
und die Diener mit dem nöthigen Reiseapparat ausgerüstet werden, bis zu
den langen eisernen- Spiefsen hin, an welchen das persische Hammel-Kebab
über der Kohlengluth langsam geröstet wird. Was für die Reise am meisten
zu wünschen übrig blieb, war eine gute feste Gesundheit- und in dieser
Beziehung litten fast alle Mitglieder, unserer Mission an: Uebeln, welche
von dem Aufenthalt in Persien beinahe unzertrennlich sind. Die Erfahrung
hat gelehrt, dafs allzuhäufiger Genüfs von Wasser und Früchten auf den
europäischen Arikömmli 11 gy-schädliche Wirkungen ausübt und ebenso hartnäckige
Durchfälle, welche sich bis zur Blutruhr steigern, als heftige Fieberanfälle
zur Folge hat. Nach der Acclimatisation hören diese Leiden
allmählig auf und man gewöhnt sich leicht an die persische Art und Weise
zu leben. Wir mufsten leider -von vornherein den Einflüssen des Klima’s
unseren Tribut gehörig zahlen, um so mehr, als- grade- im Sommer 1860
auch bei denjenigen Europäern, welche bereits längere Zeit in Persien zugebracht
hatten, epidemische Cholerinen mit ungewöhnlicher Heftigkeit aufgetreten
waren. Da es eine bekannte Thatsache ist, dafs Reisen und der
Wechsel der Luft wohlthätig auf den angegriffenen Gesundheitszustand
wirken, so hatte unser Chef es für heilsamer gehalten, die Reise; sobald
als möglich anzutreten, als denjenigen zu folgen, welche den Rath ertheil-
ten , unter keinen Umständen die grofs.e Wanderung-im Herbste zu unternehmen,
sondern die Frühlings-Jahreszeit abzuwarten und dann erst ,mit
einer wohlausgerüsteten Karawane aufzubrechen.
Die wenigen Tage bis zur Abreise brachten wir beständig in Teheran
zu, nachdem die offiziellen Abschiedsvisiten Persern und Europäern bereits
von Rustemabad aus abgestattet waren. Kein Ereignifs von besonderer Bedeutung
hatte diese Zeit der Ruhe unterbrochen, mit Ausnahme einer Einladung
zu einem religiösen Schauspiel, welche ein Schahzadeh an den
preufsischen Eltschi -ergehen liefs. Als Nachbar hatte der Prinz, zweiter
Sohn Feth-Ali-Schah?s und Urheber einer Familie v o n -d re i Hundert Kindern,
Enkeln und Urenkeln-, die Höflichkeit, den fränkischen Wezir zu
einer'Tazieh zu bitten, welche ganz in der Nähe unserer Wohnüng am
28. August-auf seine Kosten Statt finden sollte.
Der kleine Tischler-Bazar, zu welchem unser Haus, gehörte, mündete
in entgegengesetzter Richtung von der Burg in einen mäfsig grofsen und
viereckigen Platz, in dessen Mitte zwei mächtige Sykomorenbäume standen
und den die'Strafse in zwei gleiche Hälften theilte. Schon bei unserem
Einzug in Teheran von Rustemabad aus hatten wir bemerkt, dafs an den
drei Seiten, des Platzes, welche an eine-lange Hauswand stiefsen oder ihr
gegenüberlagen, Hölzgerüste aufgeschlagen wurden, die im Hintergründe
mit buntem Flitter behängt waren und deren Stangen man mit rothen Lappen
schlecht genug umwickelte. Die weitere Ausschmückung bestand aus
europäischen und persischen Bildern unter Glas und Rahmen, aus Glaslampen,
Glasglocken- und sonstigen Gegenständen des persischen Luxus.
Der ganze Platz war mit grofsen ausgespannteü Zelttüchern bedeckt, welche
durch die erwähnten Bäume und durch lange Stangen gestützt waren. Diese
sowie die kahlen Wände des Platzes waren mit Thierfellen, Waffen, Bildern
(darhnter die Mutter Gottes mit dem Kinde), Schnüren, Troddeln,
Glasgegenständen und sonstigen Dingen ausgeputzt.
Gegen 5 Uhr Nachmittags begaben wir uns in Begleitung von Soldaten
und Dienern auf'den Platz, woselbst man für uns eine „Loge“ in Bereitschaft
gestellt hatte, d. h. ein schwankendes Gerüst', über dem Eingänge
zur „Schule des Khan’s von Merw“, zu dem man nur mit Hülfe einer hoch-
sprossigen , 1 wackligen,, krummen-Leiter gelangen konnte. Ehe es uns
glückte, auf Stühlen Platz zu nehmen, fing das Gerüst an in bedenklicher
Weise zu wanken. Dieselbe beunruhigende Erscheinung wiederholte sich
jedesmal, wenn unbekannte dienstbare Geister erschienen, um auf der gefährlichen
Höhe Scherbet, Kaffee und Kaliün zu präsentiren.
Die Bühne vor uns auf dem Platze- bestand aus einem Takht, d. h.
einer Erhöhung, die zwei Fufs über dem Boden aus Erde und Lehm aufgeführt
w>ar. Die Deeoration des Schauplatzes war höchst einfach: ein
Stuhl, daneben lagen Kissen' und Bettdecken, Häufchen von Häcksel und
etliche grofse Feldsteine. Rechts davon hockten in der innern Umhegung
s eines langen Strickes, der auf dem Erdboden ausgespannt wrar, eine Schaar
von dreihundert Weibern in blauen Ueberwürfen mit-weifsen Angenschleiern