öffnen. Die Thür, ursprünglich in ächt persischem Bogenstyl, aber wie
das ganze Haus von aufsen ohne jede Spur von Ornamentik, war durch
Mauerwerk zur rechten Hand und von oben her verkleinert worden und
eine mächtige Granitsteinquader mit einer runden Oeffnung in der Mitte
bildete gegenwärtig den Verschlufs. Der Jude , steckte den Arm durch das
runde Loch des Steines und öffnete von innen her den Zugang. Die Steinplatte
drehte sich in ihren beschwerlichen Zapfen, und nachdem wir in
gebückter Stellung durch das viereckige Thürloch in einen schmutzigen Vorraum
eingetreten waren, befanden wir uns in einer Umgebung, die in Gestalt
von grofsen Krügen, Holzstangen und verräucherten Oellampen in keiner
Weise die Nähe heilig gehaltener Gräber ahnen Tiefs. Der Jude zündete
hier eine der Lampen an, wendete ¿ich seitwärts rechter Hand nach einer
lochartigen Thüröffnung und kroch mühsam hindurch, wir ändern so gut
es gehen wollte ihm nach. Wir befanden uns jetzt in einem ziemlich geräumigen
und hohen Gemache unter der Kuppel, das von obenher eine
matte und trübe Beleuchtung erhielt. Nach rechts hin zeigte sich ein . erhöhter,
apsisartiger Baum mit Mosadkpflasterung, der mit vielen Inschriften
in erhabener Arbeit angefüllt ist, die an den Wänden ringsherum fortlaufen.
Im Hauptgemache des Gebäudes befanden sich nebeneinander zwei hohe
Sarkophage aus einem vielfach geflickten rothbraunen Holze,- jeder aus drei
besonderen Absätzen bestehend. Der oberste Aufsatz schien jünger als die
beiden unteren zu sein. Höchst geschmackvolle Ornamente wechselten in
der kunstreichsten Holzsculptur mit vielfach in einander verschlungenen
Inschriften in ebräischen Charakteren, welche sich auf die beiden Inhaber
der Gräber bezogen. Die Särge hatten ungemein yiel Aehnlichkeit mit den
Todtenladen ägyptischer Märtyrer, welche ich Gelegenheit fand in einem
der Klöster bei den Natronseen, im Westen vom ägyptischen Deltalande,
zu sehen. Schöne eingemeifselte Inschriften älteren Datums schmückten die
Wände in der Nähe beider Särge und Hunderte vpn kleinen Zetteln , an
die Särge und an die Wände geklebt, waren ebensosehr mit jüngeren Schriftzügen
bedeckt, als frei gebliebene Stellen der vier Wände. Die Juden
pflegen nach Hamadan zu pilgern, um an dieser geheiligten Stelle auf Persiens
Boden ihr Gebet zu verrichten. Als ex-voto hinterläfst jeder Pilgrim
eine Inschrift sehr einfachen Inhaltes: Ich N., Sohn des N. aus der Stadt N.,
bin hierher gekommen und habe gebetet. Gewöhnlich tritt auch noch das
Datum hinzu.
Nachdem wir uns rechts und links herumgedreht, alles genau geprüft
und untersucht hatten, und eben im Begriff standen, wieder in das freundliche
Tageslicht hinauszutreten: erschien ein alter, siebenzigjähriger Mann,
dessen ehrwürdiges, mit einem langen weifsen Barte geschmücktes Haupt
ein Turban bedeckte. Er stellte sich als den Mollah der Hamadaner Judengemeinde
vor und war erstaunt, mich die ebräischen Inschriften lesen zu
hören. Auf meine Bitte versprach er mir eine genaue Abschrift der Inscriptionen
um die Särge und der gröfseren Texte an den Wänden gegenüber
von. den Särgen. Tags darauf erschien in der That der Mollah mit
einem Bogen, dessen schriftreicher Inhalt mir den Beweis lieferte, dafs der
Alte Wort gehalten hatte.
Ich glaubte irgend einen ganz besonderen Fund gethan zu haben, nachdem
ich durch des Mollah Güte in den Besitz einer vollständigen Abschrift
der Sarg- und Wand-Inscriptionen gekommen war, sah mich aber schrecklich
enttäuscht, als ich nach meiner Rückkehr in die Heimath eine vollständige
Literatur jener jüdischen Legenden vorfand, mit denen fromme
Ignoranz, wie es scheint, das hamadanische Tabernakel beschenkt hat.
Zur Geschichte der Esther (ein p e r s i s c h e s Wort mit der Bedeutung
St e r n , griechisch aster; ihr eigentlicher- Name lautete Eedassah „die
Myrthe“) und ihres, Pflegevaters Mardochai mufs bemerkt werden, dafs die
Hamadaner Judenschaft die Ereignisse,, welche im Buche Esther erzählt
werden, von ihrem eigentlichen Schauplatze Susa weg nach Hamadan versetzen
und deshalb, wahrscheinlich einer alten Tradition folgend, die Grabstätten
beider Personen hier annehmen. Die Perser schütteln darüber ungläubig
das^Haupt, meinen, sie wüfsten besser wer hier begraben sei,
nämlich Benjamin, der Bruder Jöseph’s, und zerbrechen sich nicht weiter
den Kopf über die historische Begründung dieser Angabe.
Einen unvergefslichen Eindruck hinterliefs der Anblick einer Moschee-
Ruine, die qns die Leute kurzweg als Imamzadeh bezeichneten, auf einem
Platze in der Nähe der beiden jüdischen Grabstätten. Das herrliche Werk
besteht nur noch aus den vier Wänden, aber nicht aus vier kahlen, denn
da sitzt eben die Pracht und Herrlichkeit , welche Staunen und Bewunderung
erregt. Von oben bis unten bedeckt ein versteinertes Epheugeranke,
oder, wenn man das Bild klarer findet, Brüsseler Spitzen in vergröfsertem
Mafsstabe die Flächen der Aufsenwände, und die -zierlichsten Arabesken
schlingen und winden und schmiegen sich durcheinander und aneinander.