Ich hatte die Ehre, den Fürsten durch die neugebauten Räume seines
Bibliothekzimmers begleiten zu dürfen.
An der einen Wand desselben befindet sich eine große vortreffliche
Relief-Karte des Kaukasus, eine sehr gelungene Arbeit russischer Offiziere,
die in zwei oder drei Exemplaren vorhanden ist.
Der Fürst zeigte mir das Terrain des letzten Feldzuges, der bekanntlich
mit der Einschliefsung und Gefangennahme Schamils in der tscher-
kessischen Feste Weden endete.
Wir verfolgten den schwierigen Weg durch das Längenthal des Koissu,
welches nach dem kaspischen Meere zu ausmündet, mit der auf den Höhen
ron Audi neu angelegten Festung Preobragenski („Verklärung“, so genannt
nach dem kaiserl. russischen ersten Garde-Regiment) auf der linken Seite
des Flusses und hielten auf dem Berge von Gunib still. Hier lagerte Schamil
mit seinen Naibs oder Lieutenants und seinen Tscherkessen.
Der Fürst hatte sein Hauptquartier auf dem gegenüberliegenden Berge
in dem Aul Kegher aufgeschlagen.
Die Einschliefsung und Umzingelung Schamils begann. Immer enger
und dichter u u id e der Kreis der russischen Bajonette, immer größer die
Zahl der Todten. Aber es galt einen grofsen Zweck.
Die Tscherkessen wünschten zu unterhandeln.
„Keine Unterhandlung! rief ihnen der Fürst zu: ist in dem Zeiträume
einer Stunde Schamil nicht mein Gefangener, Weden nicht freiwillig geöffnet:
so wird die Feste ein Aschenhaufen, keinem lebenden Wesen Pardon geschenkt
werden.“
Die Geschütze wurden gerichtet, alles zur blutigen Entscheidung vorbereitet.
Schamil hatte gehofft zu entkommen. Sein guter Stern, der ihn so
oft und so wunderbar den Händen der Russen entzogen hatte, schien untergegangen
zu sein.
Es verging keine Stunde.
Schamil erschien umgeben von seinen Naibs, streckte die Waffen und
stellte sich unter den Schutz des russischen Doppeladlers.
Der linke Flügel des Kaukasus war mit einem Schlage unterworfen. —
Ich fühlte in diesem Augenblicke einen eigenen Stolz, an der Seite des
Siegers zu stehen.
Im Laufe der belebten Unterhaltung berührte der Fürst-Statthalter die
neuen Feldzüge, welche in etwa zwei Monaten „an der Linie“ bevorstehen
und gegen die Tscherkessen in dem langen, nach dem schwarzen Meere zu
gelegenen Thale des Kuban gerichtet sind, vorzüglich gegen zwei Völker,
die Schapsttchen und die Ubichen, mit welchen die russischen Krieger blutige
Kämpfe zu bestehen haben werden. Bereits oben ist ihrer gedacht worden.
Viel friedlicherer Natur war die Unterhaltung am Schlüsse unserer
Wanderung durch die Neubauten des fürstlichen Pallastes, die zuletzt zu
den Gartenanlagen hinter dem Gebäude führten. Terrassen mit Springbrunnen
bilden den hervorragendsten Theil des Meinen Sanssouci, zu dessen
Pflege und Erweiterung ein Gärtner aus Preufsen berufen worden ist. Der
Namen Lenne hat der preufsischen Gartencultur einen Ruf verschafft, der
dem Vaterlande ihres Stifters allenthalben zur höchsten Ehre gereicht. ■
XII. Kapitel.
T i f l i s .
Wie heiter, wie fröhlich läfst sich’s durch Tiflis zu Fufs wandern,
durch seine breiten und, engen Straßen, durch seine Hallen und Bazare,
über seine Brücken und an dem Fuße seiner Berge, wenn schönes trockenes
Wetter einen Ausgang gestattet. Schlimmsten Falles hilft eine Droschke
aus, wenn es nicht grade Sonntag ist, an welchem Tage die meisten Kutscher,
Anhänger der Malakanen-Secte, als fromme Altgläubige feiern, oder
ein Reitpferd, obwohl man in Rufsland lieber fährt als reitet und mehr
Geschick im Fahren aß, im Reiten entwickelt. Die Wanderung - stimmt
fröhlich, man empfindet unter dem Schutze des russischen Doppelaares das
Gefühl wohlthuender Sicherheit, nicht jene unheimliche Beklemmung, welche
den Fremdling bei Spaziergängen durch mor'genländische Städte beschleicht,
wo die Muselmanen düstere Blicke voll Haß und Verachtung wie Pfeile auf
den Frengi abschiefsen, der eg, wenn auch in Kawassen- Begleitung, wagt
in das labyrinthische Wirrsal ihrer Straßen und Gassen einzudringen.
Die Bazare von Tiflis ziehen sich mitten in der Stadt am Ufer der
Kura bis zum F u ß e .d e r Berge-mit den Resten der Davidsburg hin. Ein