Wir waren bis zur Veste hin dem Laufe des Baches gefolgt, zogen an dem
Fufse der zwanzig Ellen hohen Mauern und Thürme bei ihr vorüber und
kehrten in ein für uns bereitetes Menzil ein, das aus einem Gehöfte in
Mitten eines kleinen Vorortes aufserhalb der Kal'a gelegen war. Ein
respectabel aussehender Perser mit Schönem schwarzen Barte, gutmüthigem
Gesichte, etwa vierzig Jahr alt, stellte- sich unter den üblichen Begrüfsun-
gen und Redensarten dem Eltschi als Kedkhodd (hier Kend-khodä ausgesprochen)
vor und geleitete ihn bis zum Menzil. Mit „Seid willkommen!“
" t »Wie habt ihr euch bemüht!“| |§ | „Welche Ehre für u n s!“ — ¿Unser
Eigenthum ist euer Eigenthum!“ — „Ihr habt unser Angesicht weifs gemacht!“
zogen wir ins Quartier, wo der geschäftige Wirth aus der ersten
Etage seines Hauses das Zimmer-Ameublement zu Fenster und Thür hinauswarf,
um Raum für so seltene Gäste in möglichster Schnelligkeit zu
schaffen. Wir zogen auf einer steilen Treppe von Mauerwerk in das Gemach
ein, in welchem ganze Wolken von Staub umherflogen, und bewunderten
die eigenthümliehe Stuben Verzierung natürlichster Art, welche nach
persischer Sitte auf dem Lande die Wohnungen des persischen Bauervolkes
nach der Weinlese zu schmücken pflegt. Man bindet nämlich eine Zahl
von fünfzehn bis zwanzig Weintrauben mit baumwollenen Fäden zusammen,
so dafs sie einen langen Strauch bilden, und hängt sie eine neben die andere
rings an den Zimmerwänden, oft selbst noch an der Decke derselben
auf. Die einzelnen Beeren der Trauben schrumpfen zwar mit der Zeit zusammen,
halten sich aber den ganzen Winter über so gut, dafs sie niemals
faulen, sondern stets geniefsbar bleiben. Den persischen Bauern sind sie
eine Art von Zuspeise, die mit Brot gern genossen wird. Kaum hatten
wir unter dem Weintraubendach uns einigermafsen eingerichtet, kaum der
stärkenden Ruhe nach dem nächtlichen Ritte auf kurze Zeit gepflogen, als
der Hauswirth und der obenerwähnte zuthuliche Kedkhodd,"mit belasteten
Tellern langsam hereintraten, auf denen Weintrauben, Melonen, Wassermelonen,
Pflaumen, Zuckerwerk und ähnliche Herrlichkeiten ihres goldenen
Beifalls harrten.
Nach gegenseitigen Complimenten hatten wir das Vergnügen, von dem
Kedkhodd durch das Dorf und-die Veste von Tschemarum geleitet und durch
manche Notiz erfreut zu werden. Der Ort zählt genau fünfhundert Kha-
newdr oder Hausstände, welche der Regierung alljährlich als Malidt eine
Summe von vierhundert Toman zahlen müssen. Er stellt fünfundvierzig
Soldaten und ?weh Sultdn’s oder Hauptleute. Für jeden Soldaten müssen
aufserdem zwei Toman Jahr aus, Jahr ein gezahlt werden, welche Summe —
macht neunzig Toman — die Obersten natürlicherweise einstecken. Das
Dorf gehört gegenwärtig zur Hälfte einem Khan. Der älte Khan war vor
Kurzem gestorben und hatte als Nachfolger seinen einzigen Sohn Ahmed-
Khan, einen noch unmündigen Knaben hinterlassen. An seiner Stelle verwaltete
ein listig aussehender, Mirza das Khanat Tschemarum. Ich habe
selten' fein so fuchsähnliches Menschenangesicht gesehen, wie es dieser Naib
oder Stellvertreter zur Schau trug. Er umschlich uns scheu, dabei süfslich
lächelnd lind die Augen verdrehend, und hatte etwas in seinen Manieren,
was Jeden zurückschrecken mufste, der sich ihm näherte. Das Haus des
Khanes ist eine Veste in der Veste; die Wohnungen der Dörfler, durch
enge Strafsen in mehrere Viertel getheilt, haben das Eigenthümliehe, dafs
sie mit wenigen Ausnahmen durch eine Oberetage, die sogenannte Bala-
khankh, erhöht sind. Von der zerfallenen Berghohe aus gesehen, die sich
in der Mitte von Tschemarum erhebt1, scheint der ganze Ort aus grofsen
Würfeln zu bestehen, die in allen Richtungen neben und übereinander
liegen. In den Höfen, auf den Balconen der ersten Etagen (obgleich so
vornehme Ausdrücke eigentlich schlecht zu den elenden Räumen, die wir
im Sinne haben, passen) hockten die Weiber und schauten neugierig nach
uns Frengi, die wir, allen sichtbar, auf dem höchsten Punkte der oberen
Festung, wo bittere' Armuth eine Stätte der Zuflucht gefunden hatte, neugierig
herumkletterten, bald nach dem malerischen Gebirgslande im Hintergründe,
bald nach dem persischen Dorfleben vor uns und zu unseren Füfsen
auslugend. Tschemarum hat trotz gegenwärtiger elender. Zustände das Ansehen
eines Ortes, dem eine bessere Vergangenheit geblüht hat. Und in
der That bestätigten das die Erzählungen der Leute, welche beklagten, dafs
durch die Habsucht und Grausamkeit des bekannten Mirza-Hadschi-Agassi,
desselben, der- sich durch seine unbegrenzte Liebhaberei für Kanonenbohrerei
ein nnvergefsliches Angedenken in Iran geschaffen hat, der einst
reiche1 Ort völlig heruntergekommen und seines Wohlstandes beraubt worden
sei. Den Haupterwerbzweig bildet der Ackerbau, der von den Männern
betrieben wird, und die Weberei von Zeugen und wollenen Teppichen,
mit welcher sich die Weiber beschäftigen. In der Wohnung des Kend-
khodä, die ungewöhnlich reinlich aussah,, bewunderten wir prachtvolle
Teppiche mit schönen Farben und Mustern, welche die Frauen seines Hauses