Grab des gelehrtesten, des ausgezeichnetsten, des vollkommensten Fürsten
der Aerzte, des Musters unter den Gelehrten, Abu-a'li-ibnd-sind
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u. s. w.) an den berühmten Arzt Avicenna, dessen Werke im 15. und
16. Jahrhundert sogar in Europa als die wichtigsten medicinischen Arbeiten
über ein dutzendmal lateinisch gedruckt worden sind und der hier seihe
letzte Ruhestätte gefunden hat.
Avicenna, arabischen Ursprungs, gehörte in der That zu den ausgezeichnetsten
Männern seiner Zeit. Durch wissenschaftliche Bildung, vor
allen durch seine Kenntnisse in der Arzneikunde, über welche er mehrere
bekannte Schriften verfafst hat, erwarb er sich sehr bald einen bedeutenden
Ruf, am Anfänge des eilften Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, so
dafs er als Leibarzt an den Hof der samanidischen und dilemitischen'Sultane
gezogen wurde. In Hamadan, woselbst er eine Zeit lang das Amt
eines Wezir’s verwaltete, starb er im Jahre 1037.
Als wir uns bemühten, in dem halbdunklen Räum die arabischen Inschriften
der einfachen Grabdenkmäler, von denen das zweite einem gewissen
Abu- Jussuf angehört, zu entziffern, erhob sich der eine von den
Derwischen aus seiner Ecke, kam zu uns heran, und setzte sich einen
sogenannten Nasenquetscher auf, um seiner Kurzsichtigkeit zu Hülfe zu
kommen. Eine Brille giebt, seltsam genug, den Orientalen und ich glaube
allen übrigen Völkern des Erdballes, ein europäisches Ansehen, und nun
denke man sich gar einen Derwisch in seiner phantastischen Tracht, der
in gebückter Stellung, seinen vorzeitlichen Nasenquetscher aufgesetzt, mit
ernster Gravität gemeinschaftlich mit Europäern Inschriften studirt! Doch
das Komische augenblicklicher Situation bei Seite gesetzt, wir kamen zum
Ziel und hatten die Freude, in dem Bruder Derwisch einen belesenen und
gelehrten Mann kennen zu lernen.
Die Inschriften des zweiten Grabdenkmales, das sich neben dem Grabe
des Avicenna in paralleler Richtung befindet und aus einem oblongen Steinblock
besteht, waren bereits zu verwittert, um irgend eine klare Einsicht
in den Sinn der eingeschriebenen Worte zu gestatten. Selbst der Derwisch
gab zuletzt die Mühe auf, nahm die Brille von der Nase, steckte si^ in
ein Futteral und streckte sich wieder auf seine Matte.
Wir verliefsen nach einem längeren Aufenthalte die Gräberstätte, um
unsern Weg durch finstere, häfsliche Strafsen nach dem Mausoleum der
Esther und des Mardochai einzuschlagen, doch dauerte es über eine halbe
Stunde, ehe wir uns durch das Strafsenlabyrinth hindurchwinden konnten.
Wir bemerkten bei dieser Gelegenheit,: dafs die einzelnen Viertel durch
grofse Thore mit schweren Riegeln (ähnlich wie in Kairo) abgesperrt werden
konnten, so dafs in unruhigen Zeiten die Juden, Armenier, Türken,
Perser ein Paar Tage lang eine gegenseitige Belagerung auszuhalten im
Stande sind. Endlich bogen wir linker Hand nach einem kleinen Platze
ein, der mit langen Bauhölzern und einem grofsen Topfvorrath angefüllt
war. Auf einer Erderhöhung stand ein Gebäude, quadratisch in seinem
Grundplan, mit einem verwitterten. Kuppelthurm, auf dessen Spitze an. Stelle
eines sonstigen Abzeichens ein Storch sein Nest aufgeschlagen hatte. Hier
war das Haupt-Heiligthum der jüdischen Gemeinde von Hamadan, die aus
hundert und fünfzig Khanewdr (also, aus etwa tausend Seelen) besteht und,
wie überhaupt die Juden in ganz Persien, nur nach schweren Verfolgungen
die gegenwärtigen milderen Zeiten erlebt hat. Sie stehen unter einem Mollah,
d. h. einem Geistlichen, dessen Bekanntschaft wir später machen sollten.
Es dauerte nicht lange, so erschien ein alter Jude, um mit Hülfe eines
morgenländischen Holzschlüssels den äufseren Eingang zu dem Gebäude zu