Bergzüge, an deren Kämmen zerrissenes Regengewölk wie angeklebt hing.
Hier und da zeigt sich auf den höchsten Theilen der Berge weifsblitzender
Schnee. Freundlicher sieht’s unten am Fufse der Hügel aus, wo hellgrüne
Matten zwischen dunklem Gehölz und Gestrüpp die nahe Ankunft des
Frühlings Voraussagen.
Am 2. März langten wir gegen 2 Uhr Mittag auf der. Rhede von
Ineboli an. Es liefsen sich vom Schiff aus nur ein paar neugezimmerte
Häuser erkennen, die in der Ferne im Stil der Schweizerhäuser erbaut zu
sein schienen. Sie lagen hart am Eingänge einer Bergschlucht, aus welcher
sich ein schmales Flüfschen nach dem Meere zu hervordrängt. Auf
dem Ufer überwinterten einige Schiffe geringer Gröfse. Die ganze Gegend
erzeugt viel schönes Obst, besonders Aepfel und Birnen, das nach Konstantinopel
hin verkauft wird.
Ein ungemein belustigender Anblick am Dampfer ist die Ausschiffung,
richtiger Aussetzung der Passagiere letzter Klasse und ihres zugehörigen
Gepäckes. Das Meer hier an dem ganzen Küstenstrich hat einen ungewöhnlich
starken Wellenschlag. Vier Boote, mit einem eigenthümlich gestaltetem
Fischflofssteuer versehen, schaukelten an der Treppe des Schiffes
in förmlichen Bogen auf und a b ; kaum dafs die kräftigen türkischen Schiffer
im Stande waren, mit ihren Ruderhaken den Standort auch nur einiger-
mafsen zu behaupten. Vom Deck des Dampfers herunter flog auf einmal
ein wunderbares Knäuel von Gegenständen in die Boote hinein: Betten,
Decken, Bündel, Mäntel, Kisten, ihnen nach stürzten kopfüber die orientalischen
Mitreisenden in die Boote hinein, suchten unter Schreien, Fluchen,
Zanken ihr Gepäck, unbekümmert um das Schaukeln des Nachens, der
sich wie ein unbändiges Pferd auf dem Wogenschwall hoch aufbäumte.
Als nun das suum cuique hergestellt war, da hockten die Leutchen ruhig
und schweigsam nebeneinander nieder und fuhren gen Ineboli.
Den ganzen Tag über hatte es geregnet. Erst gegen Abend klärte
sich der Himmel einigermafsen auf, der Regen liefs nach, und so hatten
wir die Gelegenheit, beim Scheine des aufgehenden Mondes wenigstens
Einiges von der Stadt Sinope wahrzunehmen, die wir Abends eine Viertelstunde
nach 9 Uhr erreichten. Nachdem der Dampfer an einem sehr felsigen
Cap rechter Hand den Cours gewendet hat, erblickt man die Stadt,
welche sich bogenförmig an dem Fufse eines sanftabfallenden Hügels hin-
ziebt. Der bleiche Schimmer der Mondsichel liefs weifse Häuser und
Das schwarze Meer. 37
schlanke Minarets deutlich genug erkennen. Im Hafen lagen einige gröfsere
Schiffe, darunter auch eine türkische Kriegsbrig. Der Prattica halber
mufsten wir längere Zeit liegen bleiben.
In der historischen Bildergallerie des Winterpalais zu St. Petersburg
habe ich später Sinope noch einmal gesehen. Ein Bild zeigt im Hintergründe
die Stadt, erleuchtet 'von den brennenden und explodirenden türkischen
Schiffen, auf welche die im Vordergründe stationirte russische
Flotte Feuer und Eisen speit. Das Gemälde stellt die Katastrophe des
30. November 1853 dar. Ich habe seitdem Sinope nie vergessen können.
Die arbeitende Schraube unter unseren Füfsen setzte das Schiff um
Mitternacht von neuem in Bewegung, und so sah uns der folgende Morgen
bereits in Samsun. Lange Wälder, welche das Schiff bis hierher begleiten,
geben der Meeresküste ein angenehmes Ansehen.
Die Häuser sind in acht türkischem Stil erbaut, liegen am Ufer des
Meeres: nur einzelne Gruppen, auf der Höhe, beherrschen die Stadt.
Wir sahen vom Schiffe aus in langer Ausdehnung eine weifse Feste, an
deren Wällen sich die schäumenden Wogen des wild aufgeregten Meeres
lautrauschend brachen. Bei der Ausschiffung der morgenländischen Passagiere
in Samsun wiederholten sich dieselben heiteren Scenen, welche im
Hafen von Ineboli unsere ganze Lachlust rege gemacht hatten.
Nach der Menge von Kupferplatten zuurtheilen, welche während mehrerer
Stunden von unserem Dampfer aus nach Samsun in Booten übergeführt
wurden, mufs in der genannten Stadt ein eigener Industriezweig ge-
handhabt werden.
Je mehr sich die Luft aufklärte, je deutlicher wurde das Bild von
Stadt und Umgebung. Die Kämme der höheren Berge im Hintergründe
waren mit dichten Schneelagen bedeckt. An dem Fufse des niedrigen
Hügellandes vor uns weideten dagegen muntere Thierheerden auf üppig
grünem Wiesenteppich. Die Hirten hatten unter Zelten ein Obdach gegen
die Kälte gefunden, welche in der Bucht unbeschreiblich fühlbar ist.
Offenbar treibt sie der Wind von den schneeigen Bergketten nach dem
Meere zu.
Je mehr wir uns nach unserer Abfahrt von Samsun von den schneebedeckten
Nachbarn entfernten, je angenehmer wurde der wärmende Strahl
der hellen Sonne. In behaglichster Stimmung konnten wir uns ganz des
lieblichen Schauspiels an der asiatischen Meeresseite erfreuen. Da zog