Karawanen schlagen nicht gern diesen ebenbeschriebenen Pfad ein, sondern
wenden sich von Marand rechts ab, um auf einem Umwege den Steilübergang
zu vermeiden.
Bei unserer Passage über den unbenannten Kothl (in Persien führen
mit wenigen Ausnahmen Berge, Bergpässe und meist auch Flüsse keinen
besonderen Namen, sondern werden nach der zunächst liegenden bedeutendsten
Stadt bezeichnet) hatten wir Gelegenheit, ein sonderbares Phänomen zu
beobachten, den Wechsel kalter und warmer Luftschichten, je nach den verschiedenen
Punkten unseres augenblickliehen Standortes'. Bald stürzte warme
Luft wie aus einem Ofen auf uns los, bald und plötzlich berührte uns ein
eisig kalter Luftstrom, so dafs wir uns fortdauernd in der seltsamen Täuschung
befanden,, in wenigen Momenten vom Sommer in den Winter versetzt
zu sein.
Unsere kleine Karawane marschirte in ihrem langsamen Tempo vorwärts,
die Abdars reichten von Zeit zu Zeit das gefüllte Wassergefäfs,
häufiger noch die Kalianddrs die wohl zubereitete Wasserpfeife. Aus einem
solchen Kaliän (häufiger nach der gewöhnlichen Aussprache Kalifin), aus
dem man mittelst eines Holzrohres, weit seltener mittelst eines langen gewundenen
Lederschlauches (pers. marpttsch) den abgekühlten Rauch in sich
hineinzieht, darf man schon der Schicklichkeit halber nicht mehr als drei
bis vier Züge thun. Jeder Zug eines Persers ist freilich so langathmiger
Natur, dafs ein Europäer an dem eingesogenen Qualm ersticken miifste.
Dann wird die Pfeife dem im Range Nachfolgenden gereicht und so wandert,
sie zuletzt, doch nur verstohlen, zu der dienenden. Klasse, welche den
Rest, halb Tabacks-, halb Kohlendampf, tapfer herunterschluckt und nach
einer Weile durch Mund und Nasenlöcher wie durch einen Schlot in weifsen
Wolken wiederum herausfahren läfst.
Unser Weiterritt, in der Richtung nach Safidn (Ich hörte auch Sufian
aussprechen), bot wenig erfreuliche Seiten dar,, insofern wir uns durch
eine förmliche Armee bettelnder Männer und Frauen, darunter Derwische
und Heilige, durchzukämpfen hatten. Die Ankunft einer fremden Gesandtschaft
giebt für alle, welche durch Unglück, Krankheit oder auch durch
eigene Unthätigkeit auf die Wohlthat ihrer Mitmenschen angewiesen sind,
das Zeichen zum Aüfbrueh. Unser Zug begegnete fortdauernd gröfseren
und kleineren Abtheilungen solcher Bettler, die uns mit lauter Stimme an-
schneen und mit sehr ausdrucksvollen Geberden ihren Wunsch nach unserem
Gelde zu erkennen gaben. Die Weiber waren in grofse dunkelblaue
Tücher eingehüllt, vor den Augen war ein weifser undurchsichtiger Schleier
angebracht. Neben unseren Pferden einherlaufend, suchten sie Mitleid zu
erregen durch die Anrufungen be-häzret-i- lsa „bei der Excellenz Jesu“,
be-häzret-i-Mirjam „bei der Excellenz Maria“ , be-izet-i-peghomber „bei
der Ehre des Propheten“. Die Derwische, in ihrem landesüblichen Costüm,
meist ohne Kopfbedeckung und mit schwarzem lang herabwallendem Haupthaar,
schrien ihr bekanntes ja hu „o E r“, oder ja haq „o Gott!“ entgegen,
gewöhnlich von den Geldgeschenken wenig befriedigt, welche wir ihnen zu
geben für gut befanden.
Bei dem allgemeinen Wassermangel im Reiche Iran erklärt sich die
Vorliebe der Perser, einer vorhandenen Quelle ihre längere Gegenwart zu
schenken. So wurde halbwegs gegen 10 Dhr Vormittags an einem murmelnden
Bache ein Zelt aufgeschlagen und wir nahmen, Perser und Europäer,
auf dem Filzteppich unser persisches Nahdr oder Frühstück ein.
Der Schahzadeh als guter Muslim enthielt sich des Ramazans wegen aller
Speise; der zweite Mehmendär, weniger gewissenhaft als der Prinz, hieb
tapfer ein, da ja der Koran den Gläubigen auf der Reise Speise und Trank
gestattet.
Am Ausgang des Gebirges lag Safidn vor unseren Augen. Den Hintergrund
bildeten schneebedeckte lange Bergketten, hinter einander zu beträchtlichen
Höhen aufsteigend. Feierlicher schweigsamer Empfang von
Seiten des Kedkhoda oder Ortsschulzen und einiger Leute aus dem Dorfe,
Geleit bis zum Quartier, das in einer elenden Hütte aufgeschlagen war,
Zuckerhüte und Theepackete konnten als die Fortsetzung der bekannten
ceremoniellen Gebräuche angesehen werden. Die Hitze, so stark wie bei
uns im Hochsommer, liefs uns das schattige Dach der Hütte sehr wohl
bekommen. Das neugierige Volk umstand das Gehöft und die grofse Neuigkeit,
dafs ein Padischah aus Frengistan seinen Eltschi zum König der Könige
gesendet hatte, schien für den Tag das Hauptgespräch im Diwan der
Weisen von Sufian zu sein.
Die Sonne des 15. April hatte sich kaum erhoben, als wir bereits auf
den Pferden safsen, um heute in feierlichem Istakbal in Täbriz einzuziehen.
Voraussichtlich stand uns ein schwerer Tag bevor, denn die persische Höflichkeit
erfordert Umstände aller Art, die mit grofsem Zeitverlust verknüpft
und nicht einmal unterhaltender Natur sind. In Hitze und Staub stunden