von singen, wie man im fremden Lande- nie goh churden, d. h. Koth essen
soll, um mit den Persern zu reden.
Auch die Juden bevölkern das Land. Wenn sie nicht in den russischen
Soldatenmantel gesteckt sind, so leben sie gröfstentheils vom Kleinhandel
und Schacher mit Europäern und Asiaten. Im Grofshandel erstickt
sie der Armenier durch seine angeborene Fähigkeit, -Schlauheit und Gewandtheit.
An der Spitze der europäischen Bevölkerung stehen vor allen die
Russen, die Herren des Landes. Die Menge glänzender Uniformen in den
Strafsen giebt das beste Zeugnifs, dafs im Kaukasus das Schwert nothge-
drungen regieren mufs. Die kaukasische Armee , deren erprobte Tapferk
e it, Ausdauer und vortreffliche Disciplin to n allen auswärtigen Militärs
anerkannt wird, bildet, gegenüber dem eigentlich russischen Heere, eine
eigene Truppe, die sich mit Stolz ihrer Sonderstellung bewufst ist. Der
schwarze kaukasische Papach auf dem Haupte eines russischen Soldaten,
früher wohl verächtlich angesehen, als man den Kaukasus wie ein Klein-
Sibirien betrachtete, kennzeichnet den Träger in der ehrenvollsten Weise.
Offiziere und Soldaten, denen man in der Stadt begegnet, haben viel von
ihren Expeditionen zu erzählen und manche tiefe Nai;be bestätigt ihre kriegerischen
Berichte mehr, als die Worte ihres Mundes.
Unter den übrigen, in Tiflis lebenden Europäern nehmen die Franzosen
die. nächste Stelle ein. Bei der vorherrschenden Sucht nach Luxus und
Glanz machen die meisten Franzosen ein gutes Geschäft, bis zu den Putzmacherinnen
und Schneidermamsellen hin, welche in den französischen
Läden arbeiten, in denen die Nouveautés de "Paris verkauft werden. Die
Zahl der französischen Unterthanen, welche unter einem eigenen General-
Consul (gegenwärtig Baron Finot) stehen, beläuft sich auf drei- bis vierhundert.
Nach ihnen kommen die Deutschen, die armen Deutschen; Wie überall,
so wird auch hier deutscher Fleifs, deutsche Arbeitskraft und deutsche Gut-
müthigkeit auf das Traurigste ausgebeutet. Wir können unsere Landsleute
nicht genug vor den Menschen-Commissionären warnen, welche im Aufträge
deutsche Arbeiter nach dem Kaukasus locken^ wo sie schutzlos unter den
härtesten Bedingungen, ohne Aussicht auf Ersparnisse, ein wahres Sclaven-
leben führen Und oft elend zu Grunde gehen. Wir nehmen die aus religiösen
Rücksichten ausgewandérten Würtémberger Kolonien aus, die seit
einer Reihe von Jahren im Kaukasus ansäfsig sind, eine eigene, für sich
abgeschlossene Verwaltung haben und im vollsten Sinne des Wortes floriren,
dagegen keinen deutschen Landsmann weder aufnehmen noch unterstützen.
Italiener, Griechen und sonstige Mitbewohner Europas sind hier und
da noch anzutreffen; Engländer mufs man mit einer Laterne suchen,
eine Folge gegenseitiger nationaler Antipathie, f
Die Gesammtzahl der Bewohner Tiflis, das sich nach vielen Belagerungen
und - Zerstörungen seit achtzehn Jahr.en an Häusern und Leuten
vervierfacht hat, beläuft sich gegenwärtig auf 100,000 Seelen. Der Mangel
nationaler Einheit wird ersetzt durch die Interessen, welche ein Jeder in
seiner Richtung verfolgt. Bei der gfofsen Sprach Verschiedenheit der einzelnen
Völker, die auf etwa 70 Sprachen vertheilt sind, dient bei der asiatischen
Welt das türkisch-tatarische Idiom, bei der europäischen die französische
Sprache als VerständigungsmitteL
Unser Menschen-Studium konnte bei der beschriebenen Kothunterlage
der Stadt vor der Hand kein besonders günstiges sein. Hier und da zeigte
sich auf den Baikonen der benachbarten Häuser eine georgische Schönheit,
verschwand aber bald wieder in das Innere der Wohnung. Die männliche
Bevölkerung, meist den ärmeren Klassen angehörig, arbeitete sich mühsam
durch die Strafsen dürch, die reicheren Leute nahmen die kleinen schnellen
russischen Droschken zu Hülfe, nur um ein Paar Schritte über den Strafseu-
dämm zu gelangen.
Wir zogen uns bald genug nach unserer Wohnung zurück, um mit Entsetzen
den zerschlagenen und zerfetzten Inhalt der geschundenen und gespaltenen
Reisekoffer zu durchmustern, mit wiederholten Verwünschungen
gegen die Telegas, welche bereits längst unserer Erinnerung entschwunden
zu sein schienen.