ich mufs zweifeln, oh man in Paris schönere Diamanten, umfangreichere
Krinolinen, herrlicheres Haar und dunklere, brennendere Augen hätte
sehen können. Die französische Sprache bildete das allgemeine Mittel der
Unterhaltung in diesem babylonischen Sprachgewirr. Die jüngeren Herren
und Damen tanzten in dem einen Saale des Hauses, die älteren plauderten
in den anstofsenden Gemächern oder rauchten in dem Bibliothekszimmer
des Internuntius, dessen wissenschaftlicher und politischer Thätigkeit an
dem mit werthvollen Altërthümern bedeckten Arbeitstische manches geistreiche
Denkmal seinen edlen Ursprung verdankt.
Die Seele der Gesellschaft schien mir der junge russische Gêsandte,
Fürst Labanoff zu sein. In dem heiteren, lachenden, von witzigen Einfällen
übersprudelnden, liebenswürdigen Fürsten hätte der ruhige Beobachter
eher einen französischen Weltmann, als den klugen und feinen Diplomaten
des mächtigen Zaren am Hofe des Sultans vermuthet.
Neben den türkischen Gröfsen — ich denke vorzüglich an den redlichen
Grofs-Yezir Mehemed-Ruschdi-Pascha, der sich vom gemeinen Soldaten
bis zu der hohen Stellung, die er gegenwärtig einnimmt, hinaufgearbeitet
h a t, und an Kiamil- Pascha, den früheren türkischen Gesandten
in Berlin, jetzt Präsident des Staatsrathes | § waren für uns augenblicklich
die Perser der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit. Den Türken gegenüber
erschienen sie gewandter, glätter, und, selbst bei den Damen, weniger
ängstlich und zurückhaltend. Mirza-Hussein-Khan zeichnet sich vor
allen durch feinen Tact und durch sein gewinnendes Benehmen aus. Er
steht in den Dreifsigern. E r trug sich- europäisch, nur die schwarze
Lammsfellmütze und der goldgestickte Gürtel mit der diamantenen Agraffe
kennzeichnete den persischen Hofmann. Mit grofser Befriedigung äufserte
er sich über das gesellige Leben in Teheran, wo, wie er sagte, mehr
Bälle als in Konstantinopel gegeben würden; Das war etwas Neues in
dem Yerzeichnifs unserer Reisenotizen über die terra incognita, welche
wir nächstens betreten sollten.
Das Ende des Balles werteten wir nicht ab, sondern begaben uns in
der mitternächtlichen Stille nach Hause. Ueberall hielten Portechaisen-
Träger mit brennenden Fackelstangen, sehnsüchtig auf die Dame ihrer
Nummer harrend. Wir aber stolperten über erhärtete Kothberge und aufgerissene
Pflastersteine zum englischen Hôtel, um von Konstantinopel und
seinen Herrlichkeiten zu träumen.
Wer Konstantinopel besucht hat und nicht in dem pfeilschnellen Kaik
o-efahren ist, hat Vieles, Vieles versäumt. Der Versuch, in diesen berühmten
Nachen zu steigen, liefs sich schon wagen, als Hr. Graf von der
Goltz zu einem Besuch nach Babi humajun in Stambul einlud.
Im zwei langen, sehr spitz zulaufenden und von leichtem Holze zierlich
o-ebauten Kähnen, worin eine oder höchstens zwei ru h ig sitzende Personen
Platz haben, fuhren wir, richtiger schossen wir über das stürmisch
bewegte- goldene Horn pfeilschnell hinüber. Nach kurzer Zeit landeten
wir an Ort und Stelle, in der Nähe des Ministeriums. Die verschiedenen
Abtheilungen desselben durchlaufend, woselbst Schreiber, Soldaten, Krämer,
dazwischen hin und wieder Europäer im Fefs, durcheinander hockten,
standen und gingen^ wandten wir uns zunächst dem Diwan des Ministers
der auswärtigen Angelegenheiten zu. Unter der Aegide des preufsischen
Gesändten standen wir bald vor Fuad-Pascha. Der Minister, ein schöner
Mann mit geistreichen, feinen Zügen, schien traurig und niedergeschlagen.
Den sonst so witzigen, gesprächigen Mann hatte der Schmerz um den
jüngsten Verlust seines 23jährigen talentvollen Sohnes gebeugt. Das Gespräch
war anfangs einsilbig und wollte, gar nicht in Gang kommen. Nach
der offiziellen Pfeife und dem ministeriellen Kaffee drehte es sich langsam
um Reiseangelegenheiten,rum die zu wählende Strafse, um Sprache und
Sitten der Perser und endlich um Politik.
Ali Pascha, Chef des Tansimats und der eigentliche Reformer, hatte
von dem gestrigen Balle beim Freiherr v. Prokesch eine starke Indisposition
davon getragen und war einsilbig. Die Reise nach Persien, Thouvenels
neueste Note, Englands Verhalten mufste Stoff zu geflügelten Worten abgeben.
Von gewinnender Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit war das Benehmen
des Grofsvezirs. Aeufserst zuvorkommend im Empfang, berührte
er im Gespräch dieselben Gegenstände wie vorher, bis unter grofser allgemeiner
Heiterkeit die Finanzreform die belebte Unterhaltung schlofs.
Wir verliefsen nach zweistündigem Aufenthalte die Hohe Pforte, stiegen
am Quai in unsere Kaiks, und flogen, pfeilschnell wie wir gekommen,
Galata zu. In der Nähe des Thores Köpry kapu, an der zweiten Brücke
über das goldene Horn, wanderten w ir über Friedhöfen und todten Alttürken
unserem Viertel zu.