fahrtsort hochberühmten Imdm-zadeh (Kapelle) vorbeigeritten waren, betraten
wir das Innere der Stadt, Ich mufs gestehen, dafs mich der Anblick
des vor uns liegenden Marktplatzes und einer breiten schönen Strafse, die
zu einem grofsen Imaret oder Pallaste führte, billigerweise überraschte. Es
waren nicht die zahlreichen neugierigen Städter in ihren uns bereits, geläufig
gewordenen Trachten noch ihre lebendigen Unterhaltungen und Gesten,
die auftällen konnten, sondern die schöne Allee mächtiger, schattenreicher
Sykomoren, die mich lebhaft an die bekannte und berühmte Allee von
Schubra vor einem der Thore Kaird's erinnerter Rechts und links dahinter
waren die Bazare angelegt, weiter nach dem Imaret zu zeigten sich sehr
stattliche Gebäude, offenbar aus der alten guten Zeit, leider aber, wie alle
frühere Bauten, zerfallen, schonungslos geplündert, ohne Spur sorgender
Erhaltung.
Vor dem Portal des Imaret, mit höchst geschmackvollen Mustern in
bunter, glasirter Ziegelarbeit (darunter auch das Bild des persischen Wappenlöwen),
präsentirte eine Compagnie rothjackiger Serbdzen unter Trommelschlag
das Gewehr,, vor dem Eltschi gingen Ceremonienmeister, Polizeimänner,
zwei Schatir in seidenen Röcken und vieles andere Volk, das sich
mit uns durch das Thor in das Schlofs hineindrängte. Schöne gewölbte
Hallen, grofse geräumige Vorhöfe, schattenreiche Gärten mit künstlichen
Wasseranlagen, hohe Taldre und zahlreiche Wohnungen — alles zerfallen,
zerfressen, baufällig — gehörten zu den weitausgedehnten Räumlichkeiten
des Imaret. In dem Oberbau auf der Terrasse eines altersschwachen Seitenflügels
mit kleinem Hofe wurden wir einquartirt. In den weifsgetünchten
Gemächern, die im Vergleich mit unseren bisherigen A/enzilen
wahre Pallastzimmer waren, hatte man auf reinen Teppichen die gewöhnlichen
Zuckergeschenke aufgestellt, aufserdem aber vermehrt durch eine Gabe
reifer Früchte (Citroaen, Granatäpfel, getrockneter Weintrauben und Melonen)
und gedörrter Pflanzenkerne, eine „Lieblings-Knabberei“ der Perser.
Dem Gouverneur der Stadt beeilte sich unser Eltschi .sobald wie möglich
einen Besuch zu machen. Derselbe safs in einem Seitenflügel des
weiten Imaret, das die Aussicht nach einem Garten mit grofsen Platanen
hatte. Wir waren erstaunt, einen jungen, vierzehnjährigen Mann vor uns
zu sehen, der sichtlich erschrocken war, sich einem welterfahrenen Manne
aus Frengistän, wie es unser Eltschi war, gegenüberzusehen und mit Anstand
ein Gespräch durchführen zu müssen. Trotz seiner Blödigkeit er-
Von Täbriz nach Teheran. 195 ,
reichte er dennoch seinen Zweck zu imponiren, in soweit, als er durch
äufserst würdevolles Benehmen zu ersetzen sachte, was ihm an Erfahrung
und an Talent zu reden mangelte. Ein Knabe von vierzehn Jahren bei uns.
hätte wahrscheinlich bei ähnlicher Gelegenheit eine höchst jämmerliche Rolle
gespielt, wenn er nicht grade ein sogenanntes Wunderkind gewesen wäre.
Doch konnte man es dem blutjungen Gouverneur, dessen Wezir beständig
in der Nähe seiner.Person blieb, ansehen, dafs er sich bald befreit von
den engen Fesseln der Ceremonie und zu seiner zwölfjährigen Gespielin
hin wünschte, die man für gut befunden hatte, ihm der Gesellschaft halber,
gg welch’ ein gefährliches Spielzeug! — beizugeben. So erzählte uns
wenigstens ein Perser, der von der Sache genaue Kunde haben konnte.
An die Terrasse unserer Wohnung stiefs ein mehrere Stockwerke hoher
Tliurm, natürlich nicht weniger baufällig, als seine übrige Umgebung
und ein vielbesuchter Aufenthalt lichtscheuer Eulen und Fledermäuse. Wir
kletterten mühsam die wacklige Stufenreihe h inan, standen endlich an
der überdachten Brüstung und hatten den Genufs eines höchst lohnenden
Panoramas über das gartenreiehe Qazwtn hin; freilich konnten wir den
Ausspruch des Propheten nicht theilen, wonach Qazwtn auf Erden das Abbild
des Gartens Eden im Paradiese sein ¡joll. Nach der Menge der zu
unseren Füfsen liegenden Häuser zu schliefsen, schien mir die Angabe des
Kalenter's nicht übertrieben, wonach die Stadt eine Bevölkerung von
70,000 Seelen zählte. ,
Die Geschichte von Qazwtn datirt nicht von gestern. Vom König Schapur
mit dem Beinamen Z u - l- Akta f gegründet (die Festung hiefs damals Kesch-
wtn) , wurde sie im Jahre 24 der Hidschret dem Islam unterworfen und
stellte ehenso tapfere als glaubenstreue Verfechter der Lehre des neuen
Propheten, vorzüglich im Kampfe gegen die benachbarten Düendten im
Norden, nach der kaspischen Meeresseite zu. Auf seinem Zuge gegen
Khorasdn, von Hamaddn aus, besuchte Harun-er-raschid auch die Stadt
Qazwtn, liefs eine Moschee, auf seine Kosten aufführen und gründete zur
Erhaltung derselben Vermächtnisse aus, den Einkünften von Bazaren und
Speichern. Auch eine Befestigung legte der Beherrscher der Gläubigen
hierselbst an, die im Laufe folgender Zeiten mehrfach erweitert wurde, aber
nicht schützen konnte gegen die Einfälle der Mongolen^ welche wie allenthalben
so auch in Qazwtn gründlichst aufräumten. Die Stadt,' welche unter
der Sefiden- Dynastie sich einer besonderen Blüthe erfreute, ist der Ge-
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