Flufs zu ziehen. Ein hügelreiches Terrain führt schliefslich nach der rechten
Ufer des Flusses und nach dem wild-romantischen Thale, in welchem
die Europäer bei eintretender Pest, Cholera, oder bei starken Fieberanfällen
und Dyssenterien auf längere Zeit ihr Lager aufzuschlagen pflegen.
Um 1 Uhr Mittags stiegen wir von unseren Thieren, um in die Zelte
des türkischen Geschäftsträgers einzutreten, der hier auf ein Paar Wochen
mitten unter den Nomaden des Demawend sein Menzil aufgeschlagen hatte
und uns gastfreundschaftlich eine Raststätte anbot. Der L a r (hier auch
lalau, la l-d b t der „Stumme“, genannt) hat eine Breite von zehn bis fünfzehn
Ellen, und eine Tiefe im Durchschnitt von zwei bis drei Fufs. Er
fliefst geräuschlos dahin und in seinen klaren, gelblich spiegelnden Fluthen
spielen Tausende von Forellen ( qyzyl-laleh) lustig hin und her. Unsere
Diener fingen in einem Netze an dreihundert Stück in dem Zeiträume einer
Stunde. Es versteht- sich von selber, dafs unsere englischen Begleiter ihre
Patent-Angelruthen auswarfen, um den ganzen Nachmittag über am Ufer
des Wassers zu stehen und einen Fisch nach dem ändern auf das thauige
Gras zu schleudern.
Die Tribus, 3000 Köpfe stark, welche hier und in den anstofsenden
Thälern auf drei Sommermonate ihre Zelte aufzuschlagen pflegt, ist im
fieberreichen, sumpfigen Weramin, ungefähr acht Fersach von Teheran in
südöstlicher Richtung entfernt, aüsäfsig und führt den Namen Hedawend
oder Hvdawend. Sie wandert mit ihrem Häuptling, gegenwärtig Hanler-
Khan, und mit ihren Heerden alljährlich hierher und mufs für das Weideland
im Lar-Thüle 1500 Toman an ihren Khan zahlen. Die Weiber gehen
unverschleiert; eine einfache, aber weder ungeschickte noch geschmacklose
Industrie derselben besteht in der Weberei von Socken, Handschuhen,
Mützen und dergleichen.
Hanler-Khan ist ein grofser, schöner, breitschultriger, schwarzbärtiger
Perser:, etwa 48 Jahr alt, Vater einer sehr zahlreichen Familie. Er empfing
uns in seinem einfachen, aber reinlichen Hause,, dem einzigen in dieser
wilden Berglandschaft, das auf einem erhöhten Punkte errichtet is t, und
bewirthete uns in ächt orientalischer Weise. Unter den Gaben der Gastfreundschaft
zeichneten sich ganz vorzügliche Melonen und Aprikosen aus,
Weraminer Ursprungs," die wegen ihres, zuckerhaltigen Saftes weit und breit
berühmt und gesucht sind. Nach Teheran wandern allein alljährlich für
2000 Toman Melonen. Der Khan, ein unternehmungslustiger Nomadenfürst,
erzählte von seinen Absichten, hier im Thale von Lar ein Musterdorf
für zweihundert Familien anzulegen und bat unsern Chef um Rath
und Hülfe, „da er ja-ein Deutscher sei, und die Deutschen, wie er gehört
habe, ganz vorzügliche Kolonisten seien.“ Er wufste sehr genaue Kunde
von den Eigentümlichkeiten dieser Gegend zu geben, bis zu den Windrichtungen
hin, welche im Winter von Osten nach Westen, im Sommer von
Westen nach Osten wehen, und geleitete uns zu den beiden Hauptquellen
des wasserreichen Thaies (von den Türken „das Thal der vierzig Quellen“
genannt), zu der, welche den Namen ,A in Kadschar „Kadscharenquell“ führt,
und zu der ändern, welche ‘Ain-el-heijdt „Lebensquell“ heifst. Er wufste
ebenso gut mit der früheren Geschichte des Thaies Bescheid und erzählte, dafs
nach persischen Chroniken vor mehreren hundert Jahren dasselbe bewohnt
und bebaut gewesen wäre. Als Doctor oder Hakim, mit dem Doppelsinn
von Gelehrter und Arzt, mufste ich, geleitet von seinem Naib, in ein besonderes
Zelt treten, um zwei fieberkranken Frauen und einer ändern,
welche vom Aussatz geplagt war, meinen ärztlichen Rath nicht vorzuent-
halten. Wie alle Weiber des Morgenlandes, Kindern ähnlich, erwiederten