Jahrhunderte, beschreibt diese Felseninschrift, die er ziemlich richtig in die
Zeit der ältesten Persergeschichte versetzt,, und läfst Alexander M. davor
stehen bleiben, um sich die Uebersetzung der Inschriften, lange vor Spiegel
und den Keilschrift-Entzifferern, vortragen zu lassen. Man höre dieselbe!
„Die Wahrhaftigkeit ist die Wage Gottes des Allmächtigen, womit er
die Gerechtigkeit ausmifst, und die Lüge ist der Metzen des Teufels, womit
er die Ungerechtigkeit mifst. Wahrhaftigkeit, wenn auch nur von der
Gröfse eines Gerstenkorns, ist Licht von Gott. Seid wahrhaftig, denn
Wahrheit erzeugt Wahrhaftigkeit, und lüget nicht, denn die Lüge erzeugt
die Falschheit; die Frucht der Wahrheit ist Arznei und die Fruelit der
Lüge Krankheit.“
Ehrlicher Ahmed! Du hast schrecklich gelogen, aber niemals hat eine
Lüge eine gründlichere Wahrheit enthalten, als sie deine vermeinte Uebersetzung
ausspricht.
In der altpersischen Sprache der Inscriptionen zeigt sich trotz des beinahe
2,400jährigen zeitlichen Abstandes' manches neupersische Wort, wie
man aus folgenden Beispielen leicht ersehen wird. 1 Khsdyathiya, modern
Schah, der Schah, König — afman, neup. äsnidn, der Himmel martiya,
neup. merd, der Mensch — framätar (Gebieter); erhalten im neup. Zeitwort
fermüden, befehlen, woher fermän, firmdn, der- Befehl — dahydüs,
District, Land, neup. deh, Dorf --- pulra, neup. püser, Sohn — vazraka,'
neup. buzurk, grofs — paru, neup. pur, viel etc. Nur in den vermittelnden
Uebergangsdialekten oder sehr versteckt im Neupersischen haben sich
andere Wörter erhalten, wie es in der langen Geschichte einer Sprache
auch nicht anders sein kann, so z. B. baga, Gott, nach Spiegel noch im
Neupersisohen in dem Stadtnamen Baghddd sichtbar (auch in dem slavi-
schen bog, wie z. B. in -Cernobog, der schwarze Gott).
Doch wir fürchten zu weit zu gehen, wenn wir, unserer Neigung folgend,
in die philologischen Geheimnisse der altpersischen Tafeln weiter
eindringen wollten; ziehen wir es lieber vor, auf den Felsstücken zwischen
dem Granitblock der Inschriften und dem rauschenden Bache Platz zu nehmen
und unser einfaches persisches Frühstück unter dem Schatten des
Eiwend-Ge b i r g e s zu verzehren. Wir haben dabei Zeit, mit Mufse den
Erzählungen des armenischen Graubartes zu lauschen, der mit eben so
fabelhaften Geschichten von dem geheimnifsvollen Wesen des Berges, im
besten Glauben daran, unterhält, als der alte Bauer am Fufse des Brocken
oder des Riesengebirges von dem gespenstigen Treiben in heimathliehster
Nähe, Wie überall, so haben sich auch hier die alten Traditionen vom
heiligen Qrontes-Berge in das Gewand märchenhaften Aberglaubens gehüllt.
Es wird erzählt, dafs nicht allein reiche Schätze verborgen im Innern dés
Berges lägen, sondern dafs dgr Eiwend'sogar den St e i n d e r We i se n
beherberge; dafs die Kräuter des quellenreichen Berges nicht allein jede
Krankheit heilen, sondern dafs unter ihnen auch die Wunder-Pflanze
wüchse,- durch deren Berührung die gemeinsten Metalle in das schönste
leuchtende Gold verwandelt würden. Solche Dinge können in der That den
Kopf eines Orientalen mit den hitzigsten Gedanken erfüllen, und wir sahen
es unserem Armenier an,-dafs er eigentlich ärgerlich war, von so grauslichen
Reiçhthümèrn sprechen zu müssen, ohne auch nur für einen Sebähi
davon zu besitzen
Die neueren und älteren Namen des Eiwend,- Erwend, Arwend, Orontes
gehen'auf eine Wurzel zurück,' welche so viel als das „Fliefsende“ bezeichnen.
und sich in diesem Falle auf den Quellenreichthum, des Berges
beziehen soll.- Dasselbe Wort kehrt im Persischen (worin es auch Gröfse,
Pracht und Herrlichkeit bezeichnet) zur Benennung des Tigris wieder und
zeigt sich von .neuem in dem Namen- des' syrischen Or-ontes-Flusses, den
bereits altägyptische Urkunden dés vierzehnten Jahrhunderts vor unserer
Zeitrechnung unter der aramäischen Wortgestalt Arunata? aufführen. Auch
Männer hiefsen so, da. Arÿandes eines Persers Name ist,' und ein Orontes
als der letzte Perserkönig Armeniens von Strabo erwähnt wird. Was bei
allen diesen Namensformen die, Grundgestalt und die ■ Grundbedeutung ist,
daraus mag Einer klug, werden, der es versteht; eine Orontes-Jagd mit
allenvOhikanen durchzuführen.
Ganz in unserer-Nähe lag auf steiler Felsenhöhe die von Ri t t e r beschriebene
hamadanisch-salomonische viereckigé Plattform, Rest eines uralten
Sonnenaltars, zu der noch,heute die Perser wallfahrten, um an dem
„gesegneten“ -Orte Votiv-Lampen (unbewufste Erinnerung an die Feuernatur
des Denkmales!) niederzusetzen. Der Pfad, obwohl practicabel, war jedoch
so steil, und wir selber so erschöpft, dafs wir die Reise nach der luftigen
Adlershöhe aufgaben und ufiseren Héimweg, bald nachdem die Sonne die
Mittagslinie von Hamadan passirt hatte, anzutreten beschlossen.
Bei unserer Ankunft im Menzile fanden wir den Hof mit Juden und
Armehiern besetzt, welche uns aus verschiedenen Gründen erwarteten. Die
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