geistige und leibliche Nahrung. Ihre Bekleidung entspricht ihrem künftigen
Stande, giebt aber den hoifnungsvollen Sprossen der armenischen Kirche
ein düsteres, unheimliches Aussehen..
Die Bibliothek des Klosters soll ausgezeichnete Schätze handschriftlicher
Natur enthalten, doch bin ich gar kein Kenner der armenischen
Literatur, so dafs ich vor den Handschriften, die in zwei Zimmern ordentlich
und systematisch aufgestellt sind, dastand, ohne vielleicht zu ahnen,
welche Kostbarkeiten zu sehen ich das Glück hatte. Besonders machten
mich die Priester auf eine sehr starke Handschrift in Folio aufmerksam,
die eine Geschichte des armenischen Volkes seit den ältesten Zeiten seines
historischen Auftretens enthalten sollte. Ein drittes Zimmer der Bibliothek
enthält ein Paar Tausend gedruckter Bücher, die zum Theil aus den Pressen
der klösterlichen Druckerei hervorgegangen sind. <
Wir verliefsen endlich Kloster und Klosterbrüder, um noch einen Blick
auf den wohlangelegten grofsen und künstlichen See aufserhalb der Mauern
von Etschmiadzin zu werfen, der eine Reihe querfeldein laufender Kanäle
mit dem überflüssigen Wasser der hydraulischen Anlagen im Innern des
Klosters speist, das in sein Becken abfliefst und ein ziemlich bedeutendes
Wasserquantum darstellt. Neben dem See zeigt man einige bauliche Ueber-
reste aus dem Alterthume. Zwei Kapitäle, halb zerschlagen und verwittert,
sollen den Zeiten Königs Tiridates angehören. Weshalb man sie so frei
und ohne Sorgfalt liegen läfst, mufs anfangs unbegreiflich erscheinen, erklärt
sich aber bei der durchgehenden Abneigung der Morgenländer gegen
die Erhaltung antiker Baulichkeiten , selbst solcher , denen Zufall oder
fromme Selbsttäuschung den Namen irgend eines Heiligen als ehrwürdigen
Stempel aufgedrückt hat.
Unsere Rückkehr nach Eriwan ward durch kein Ereignifs oder durch
eine Gelegenheit, Land und Leute nach einer besonderen Seite hin- kennen
zu lernen, ausgezeichnet. Im Angesichte der persischen Festung, welche
auf dem rechten Ufer der Senga sich sehr malerisch auf steilen Felsabhän-
gen erhebt, rollte der Wagen am linken Gestade des Flusses, der hier tief
im engen Felsenthale fliefst, den steilen Weg bergabwärts, und über die
Senga-Brücke dem Meidan oder Hippodrom von Eriwan zu, wo Kosaken
so eben einen Mörder einbraehten, der auf .einer zweirädrigen Araba in
Ketten gefesselt dalag.
Am 4. in der Frühe des Tages setzten wir unsere Weiterreise nach
Persien fort, zunächst in der Richtung von Nackitschewan, dem Naxuana
des alten Geographen Ptolemaeus. Der Ararat, welchen am gestrigen Tage
eine dichte Nebelkappe verhüllte, hatte als Wetterprophet Wort gehalten,
denn ein tüchtiger Frühlingsregen fiel vom Himmel und erquickte die dürre,
schon längst nach Wasser-lechzende Landschaft.
Auf dem Wege liegt als erster Ort von einiger Bedeutung Naurosoli.
In einiger Entfernung von den Wohnungen der tatarischen Bevölkerung
desselben und linker Hand von der Strafse sahen wir ein wildes, schmutziges
Lager von Ziganis oder Zigeunern, die allenthalben im Lande umherziehen
und jedes Mittel, Geld und Gut zu erwerben, für recht halten. Bei
den mohamedanischen Hochzeiten und sonstigen Feierlichkeiten hier zu
Lande führen die Töchter der Zigeuner ihre Tänze auf und vertreten die
Rolle der morgenländischen Bajaderen, deren Zahl in Persien noch vor
zweihundert Jahren von so grofsem Umfang war , dafs sie förmlich orga-
nisirte Trupps bildeten.
Die begleitenden Tataren, welche neben unseren Wagen herritten und
sich von Station zu Station ablösten, zeichneten sich durch Führung einer
langen Lanze mit Puschel daran vor den bisherigen Stammesgenossen
äufserlich aus. Diese Tataren, welche sich Kingerli nennen, bilden einen
grofsen Stamm in der übrigen Masse ihrer Namensvettern, der sich vor
allen durch seine Vorliebe für Pferde und Pferdezucht bemerkbar macht,
den Ackerbau hafst und in den Dörfern getrennt von der übrigen Bevölkerung
lebt. Sie sind als Pferdediebe sehr gefürchtet und scheuen selbst
nicht den Mord und Strafsenraub, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Anstatt
diesen Ruf zu vermeiden, suchen sie im Gegentheil eine besondere Ehre
in dem Renomrhöe, ein tüchtiger, schlauer Pferdedieb zu sein. Wie in
den früheren Zeiten, als sie noch unter persischer Herrschaft standen, dienen
sie auch jetzt noch den Russen als eine Art von Landesmiliz. Sie
erhalten monatlich zehn Silberrubel von der Landesregierung, wofür sie
sich und ihr Pferd erhalten und ausstatten müssen, und dienen dafür auf
den ganzen und halben Poststationen als Späher und Wächter gegen Räiij-
bergesindel aller A rt, das die Gegend von der nahen persischen und türkischen
Grenze her. unsicher macht. Man sieht sie in Abtheilungen von
zehn Mann an den Stationen zu Pferde halten, oft hohe Punkte mit ihren
schnellen und gewandten Thieren erkletternd, um eine weitere Aussicht
in die Ferne zu geniefsen. Ein flüchtiger Blick auf das Gebühren dieses