alle Kenntnifs der Bedeutung ihres kriegerischen Handwerkes, bezwecken
die Offiziere mit äufserst geringen Ausnahmen, nur Yortheil aus ihrem
Stande zu ziehen und in den Städten, stutzerhaft ausgeputzt, zu prahlen
und das grofse Wort zu führen. Die europäischen Instructeure, welche
bisher in der persischen Armee gedient haben oder noch dienen, stimmen
einmüthig in dem Urtheil überein: dafs der persische Soldat in jeder Beziehung
alle militärischen Eigenschaften besitzt, die zu seinem Stande gehö
ren d e r ist willig, gehorsam, gelehrig, nüchtern, von grofser Ausdauer,
in letzterer Beziehung sogar jeden europäischen Soldaten übertreffend,
wenn es sein mufs tapfer; — dafs aber das Unglück dieser Armee der
persische Offizierstand ist, welcher fast ohne Ausnahme die entgegengesetzten
Eigenschaften seiner Untergebenen besitzt. Sie ziehen defshalb die sehr
richtige Folgerung, dafs die persische Armee so lange untauglich sein wird,
als es dem gewöhnlichen Soldaten nicht vergönnt ist, sich in den Offizierstand
hinaufzuarbeiten,/der letztere vielmehr gegen Geld und Geschenke
käuflich vergeben oder von Nomaden-Häuptlingen bekleidet wird.
Einen sehr gefährlichen und nicht unbedeutenden Theil der Bevölkerung
Teherans bilden schliefslich die Luti’s. Sobald ein Aufstand oder eine Bewegung
ausbricht und das Zeichen dazu durch Schliefsung und Sperrung
der Buden und Bazare gegeben worden ist, stampfen plötzlich Banden
wie aus dem Erdboden hervor, durchziehen die Stadt und dringen,
raubend und plündernd, in die Wohnungen reicher und wohlhabender Bürger
ein. Das sind die gefürchteten Luti, wahre Galgenvögel, welche in
friedlichen Zeiten von heimlichen Diebstählen und Strafsenräuberei leben
und ihre Seele für einen Pfifferling dahingeben. Sie haben die hervorragenden
und die schlechten Eigenschaften ihres Gleichen, indem sie verwegene
und kühne, muthige Raufbolde, käufliche Mörder, Säufer und
Opiumesser (sogenannte Teriaki), Faullenzer und Tagediebe sind, die den
Tag verschlafen oder in den Bazaren herumstrolchen, dagegen bei Nacht
ihr verbrecherisches Handwerk beginnen, das sie häufig genug in die Hände
des Nachrichters liefert. Es wirft ein eigenthümliches Licht auf persische
Sittenzustände und auf die entsetzliche Ausdehnung des MudakMl (s. oben
S. 221), dafs im Anfänge des Monats Februar 1861 der Kalenter oder Po-
lizeidirector von Teheran, der siebenzigjährige Mahmud-Khan, welcher sein
Amt an dreifsig Jahre bereits bekleidet hatte, überwiesen wurde, vertrags-
mäfsig von einer Luti-Bande einen nicht unbedeutenden Antheil ihres Raubes
und ihrer Diebereien eingezpgen zu haben, ohne im mindesten daran Anstofs
zu nehmen. Darf man sich wundern, wenn der Zorn des Schah den
Unglücklichen auf der Stelle traf, da e r, wie weiter unten erzählt werden
soll, in der schimpflichsten Weise erdrosselt und durch die Stadt an dem
Schwänze eines Pferdes nach der Richtstätte vor dem Neuen Thore durch
die. kothigen Strafsen der Stadt geschleift wurde? Barbarische Handlungen
erfordern barbarische Strafen inmitten einer Bevölkerung, deren auflehnender
Uebermuth nur durch das Wort F u r c h t in Schranken gehalten werden
kann. Unter den sauberen Diebsgenossen, welche zu gleicher Zeit
mit ihm hingerichtet wurden, befand sich ein Luti, dem bereits früher
wegen Diebstahls die Hände abgehauen worden waren, der aber dennoch
an den jüngsten Räubereien • thätigsten Antheil genommen hatte.
Die Bevölkerung Teherans, wie wir dieselbe nach ihren Haupterscheinungen
zu schildern versucht haben, belebt zu allen Tageszeiten die Strafsen
und Bazare;-die einen als Handwerker oder Kaufleute in ihren Buden beschäftigt,
die ändern hin und her wogend, wie die Fluthen des unruhigen
Meeres. Die Armen gehen demüthig zu Fufs, die Reichen stolz zu Pferde
oder zu Maulthier, mit einem grofsen Trofs übermüthiger Diener neben
und hinter sich, welche Jeden zurückdrängen oder zurückstofsen, der nicht
im Stande ist, es im Range'mit ihrem Herrn oder mit ihnen aufzunehmen.
Tief verhüllt vom Kopf bis: zu den Füfsen trippeln die Weiber auf ihren
Schnabelpantoffeln mit hohen Absätzen unsicher einher und wenden das
Gesicht der Wand zu, wenn es ein Frengi ist, der ihnen begegnet Halbnackte
Bettler sitzen auf der Erde und schreien nach Geld, sonderbar gekleidete
Wahnsinnige durchirren mit gellendem Rufe und stierem Auge die
Strafsen,, junge und alte Derwische unterhalten die Menge durch lebhafte
Erzählungen und sehen jeden schattigen und trocknen Fleck der Gasse als
ihr Quartier an. Beladene Kameele, Pferde, Maulthiere und Esel versperren
häufig genug den Weg, und dazwischen erscheinen nicht selten die
Löwen des Schah, welche von ihren Führern an Ketten wie bissige Hunde,
aber ohne Maulkorb, inmitten der Menschenmenge spazieren geführt werden.
Das Gemurmel und Getöse in den Bazaren ist so stark, dafs man sich
mit seinem Nachbar kaum zu unterhalten im Stande ist, und nun gar erst
der Lärm in der Abtheilung der Kupferschmiede, deren Gehämmer eine
furchtbare Musik erregt. Hin und wieder ertönen Glockenschläge, aber
nicht etwa von Uhren, sondern als einladendes Zeichen der Garköche,
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