Nach vierstündiger Fahrt hielten wir um 1 Uhr Mittags vor dem Hanse
des Quarantäne-Direetors in Dschulfa. Der brausend und pfeilschnell da-
hinsehiefsende Flufs ist ziemlich breit, an den tiefsten Stellen sinkt das
Senkblei vier bis fünf Klafter hinab. Sein Anblick, so lebendig durch die
bewegte Wassermasse, welche sich der Kura zuwiilzt, verwischt in keiner
Weise den überaus traurigen Eindruck der öden ßei-glandschaft, welche er
dnrehströmt. Das Haus dos Diroetors, das wir bis morgen frühe bezogen,
liegt an einer hohen Stelle des linken Arasufers und ist so wohnlich als
möglich eingerichtet. Nur mit den Gartenanlagen vor dem Hause will es
dem russischen Beamten in keiner Weise vorwärts gehen. Die Bäumo und
Sträucher auf den künstlichen Terrassen am Flusse ertragen schwer die
brennende Sommersonne und gehen meist ein. Für jede Art von Kultur
scheint das Land um Dschulfa dem Fluche der Unfruchtbarkeit anheimgefallen
zu sein; nur grofse schwarze Scorpione, langhaarige Tarantel-
Spinnen und der giftige Tansendfufs befinden sich auf dem höllischen Boden
wohl. Neben dem russischen Quarantäne - Hause liegen ein Paar Hundert
Schritte seitwärts die elenden Hütten und Ställe der hier stationirten do-
nisehen Kosaken. In einem der hofartigen Räume sahen wir einen grofsen
Haufen von Ballen mit englischen Kattunwaaren aufgespeichert. Die Kosaken
hatten jüngst einen guten Fang gethan und sich einer ganzen
Schmuggler-Karawane mit allen Waaren und Leuten bemächtigt. Die gefangenen
Schmuggler safsen ziemlich gleichgültig neben den Ballen und
bettelten uns in türkischer Sprache an. Die von ihnen massenhaft nach
Rufsland eingepaschte englische Waare, meist Kattun, macht von Trapezunt
aus den weiten Weg über Täbriz, um dann nordwärts die russische Grenze
heimlich zu überschreiten. Die eigentliche russische Douane liegt übrigens,
nicht hier in Dschulfa, sondern in Nachitschewan, woselbst die Waaren
declarirt und verzollt werden.
Der Anblick nach dem gegenüberliegenden persischen Ufer war kei-
nesweges erhebend. Keine Spur von Vegetation auf dem dunkelen Plateau,
das sich vor uns erhob und in mehrere Kettengebirge endete. Ein bedeutender
Bergkegel versperrte aufserdem nach der linken Seite unseres
Standortes hin die freie Aussicht.
Auch nicht die leiseste Spur einer Kunststrafse liefs sich erkennen.
Weifse Linien, welche in Bogenwindungen die dunkle Fläche durchschnitten,
bezeichneten den gewöhnlichen Weg, welchen Reisende und Karawanen
einzuschlägen pflegen, um nach Täbriz, der Hauptstadt der Provinz Azer-
beidschan, zu gelangen. Die persische Douane am gegenüberliegenden
Ufer des Aras sah sö traurig aus als die ganze landschaftliche Umgebung.
Kastenförmig aufgeführte Hütten mit Fenster- und Thürlöcheni lagen in
einer Reihe nebeneinander. Hier werden die europäischen Gesandtschaften
in dem Zimmer des ersten persischen Tschaparkhäneh oder des Posthauses
empfangen. Persische Soldaten in der rothen Uniform der Regimenter von
Azerbeidschan, die Diener der' Melimenddre und sonstige Bewohner der
elenden Golonie nebst einer Menge von Reit- und Packpferden tummelten
sich auf dem Platze vor dem Posthause herum.