russischen Civil-Gouverneur erhalten haben, zerfallen die Nogai-Tataren
(deren Zahl der russischen Regierung selbst unbekannt ist) in fünf Horden,
wovon drei Anhänger der mohainedanischen Religion sunnitischer Secte
sind. Die ändern beiden verehren Götzenbilder, und wenden sich in
ihrem Gebete an die aufgehende und an die untergehende Sonne, wie die
Geber oder Feueranbeter in Persien und Indien. Seit ihrer Einwanderung, im
Anfänge des dreizehnten Jahrhunderts, haben sie es stets verschmäht, sich
in Dörfern ansässig zu machen oder Ackerbau zu betreiben. Sie waren
und sind Nomaden geblieben, welche mit ihren Kameel- und Rindvieh-
Heerden auf der grofsen Grassteppe zwischen Stawropol und Astrachan
umherziehen und den Transit-Handel mit dem Kaukasus von und nach
Astrachan hin vermitteln. Jeder Versuch russischerseits, sie durch Schulen
n. s. w. zu civilisiren, ist erfolglos geblieben, ja sogar die Veranlassung
ihrer Auswanderung geworden. Unter demYorwande, weder Russen noch
Christen werden zu wollen, verkauften sie ihre Heerden und wanderten
aus. Obgleich in der asiatischen Türkei die fruchtbarsten Landstrecken
brach und unbebaut liegen, so wollen Sachkundige dennoch daran zweifeln,
ob es jemals gelingen wird, jene ausgew'anderten Tataren zu Colo-
nisten heranzubilden.
In dem Glanze und dem Elend des konstantinopolitanisehen Strafsen-
lebens, mitten in der Menge, die sich neben- und hintereinander dureh-
drängt und stöfst, in allen Zungen schreit und schimpft, begrüfst und
dankt, bildet die Erscheinung der orientalischen Frauen im türkischen
Kostüm die komischste Seite. Das stolzt langsam und wacklig einher, in
weifse und bunte Tücher und Laken eingehüllt, den Kopf geschmacklos
mit Musselin verhängt; an den ziemlich sichtbaren Waden wasserziehende
Strümpfe, welche sich sehnsuchtsvoll nach den rothen und gelben Stiefeln
und den watschelnden Füfsen hinabsenken. Die häfslichen und alten Weiber
verhüllen sich gewöhnlich dichter als die jungen hübschen Stambulerinnen,
die nach der neuesten Mode einen fast durchsichtigen Schleier tragen, und
den neugierigen Frengis den Anblick eines brennenden Augenpaares durchaus
nicht zu entziehen suchen.
Wenn Jemand die Wanderung zu Fufs aufgeben will, so setzt er sich
entweder auf eines der kleinen, behenden, meist weifsfarbigen Miethspferde
mit buntem Perlhalsbande und obligatem Amulet, oder auf einen leicht-
füfsigen Esel, oder in einen der wackligen antiken Kutschwagen von
plumper Gestalt, aber reich und schnurrig vergoldet, wie sie etwa vor
einem oder mehreren Jahrhunderten in Europa Mode waren. Gegen einen
solchen Rumpelkasten, der im Innern wie ein zusammengedrücktes Federbett
aussieht, sind die Wagen auf den altägyptischen und assyrischen
Denkmälern wahre Victoria-Chaisen. Nicht minder empfehlenswerth sind
die ebenso stark verzierten und vergoldeten Portechaisen. Man setzt sich
hinein, die beiden Harnais oder Lastträger ergreifen die langen Stangen
und fort geht es über Stock und Stein, bergauf und bergab. Wie man
im Stande ist, sich bei den engen, dabei aber sehr belebten Strafsen,
ohne Gefahr für Leben und Gesundheit, auszuweichen, bleibt mir ein dun-
keles Räthsel. Und doch, glaube ich, geschieht selten ein besonderes Unglück,
höchstens einmal ein unvermeidlicher Zusammenstofs zweier in entgegengesetzter
Richtung wirkenden Kräfte. Mag nur der Himmel es immer
so wenden, dafs die eine davon nicht einem Lastträger angehört, der auf
dem Rücken einen mächtigen Stein von 3 Fufs Länge, 1 Fufs Breite und
3 bis 4 Zoll Dicke, in gebeugter Stellung trägt, oder gar einem mit langen
Holzbalken bepackten Pferde oder Esel, der erbarmungslos rechts und
links die kräftigsten Stöfse bei jeder Wendung austheilt. Eher erträgt
man e s , über einen todten oder lebendigen Hund — in beiden Zuständen
liegen sie gleich bewegungslos da — zu stürzen, obgleich die Exemplare
dieser so nützlichen Strafsen-Polizei des Orients und seiner Städte durch
Verspeisung französischer Giftpillen sich gegen frühere Zeiten um ein Bedeutendes
vermindert haben.
Die allgemeine Ordnung und die öffentliche Ruhe in dem lebendigen
Mosaik wird durch die „Municipalité“ und durch türkische Kawassen aufrecht
erhalten, welche bewaffnet mit Säbel, Pistolen und dem ägyptischen,
äufserst anziehenden Kurbatsch, dem segensreichen Geschenk der Nilpferdshaut,
in roth und weifs angestrichenen Schilderhäusern postirt sind, oder
auch in kleinen Wachthäusern an den Strafsenecken auf einem Diwan
ihren schutzmännischen K e f feiern. Nicht selten durchschleicht eine Streif-
waehe türkischer Soldaten — in lichtbraunem Mantel nebst Kapuze und
grünen Fausthandschuhen — , den Offizier an der Spitze, in einem wahren
Schneckenmarsche die Strafse.