so auffälligem Gegensatz zu den alten Werken stehen. Wir betrachteten
beim Vorüberreiten mit stiller Trauer die herrlichen Ueberreste der Zeiten
des grofsen Abbas’, und erwarteten sehnsüchtig den Augenblick, der uns
bessere Scenen vor Augen führen würde, als wir bis jetzt von heutiger
persischer Lebensfähigkeit gekostet hatten.
Eine wunderbar verschlungene thalartige Felsenstrafse führt zu der
Ebene, in welcher der grofse, gartenreiche Ort Marand liegt. Dem persischen
Lieblingsbaume, der Pappel, hatte die Frühlingssonne die ersten
grünen Blätter entlockt und die kleinen Pappelhaine stachen in der starren,
todten Felsennatur rings in der Umgebung wundersam lieblich ab. Uns war
wie dem Wanderer zu Muthe, der nach langer Reise durch die Wüste die
grüne Oase erblickt.
Die Sonne brannte heifs am Himmel — es war erst gegen 10 Uhr Vormittags;
— während ich einen Blick der Neugierde auf die Reihe schneebedeckter
Bergkuppen am südlichen Horizonte warf, hatte die persische
Aftäb meine unbekleidete linke Hand, mit der ich den Zügel des Pferdes
hielt, zur Zielscheibe ihrer brennenden Kraft ausersehen. In wenigen Minuten
war die Hand durch einen Sonnenstich so verbrannt, dafs sie unter
schmerzhaftem Gefühl stark geröthet dick auflief.
Um 1 Uhr Mittags trafen wir vor Marand ein; der organisirte Volksjubel
äufserte sich auch hier in der stereotypen Weise.
Zwei Reihen graubärtiger Stadtbewohner einerseits, Soldaten des azer-
beidschanischen rothjackigen Regiments andererseits bildeten in der langen
Pappelallee vor Marand Spalier. Unter der berittenen Schaar, welche den
Glanz des Istakbal vermehren half, befand sich in der Kopftracht seines
Standes, dem weifsen Turban, der Schekh-el-islam oder Mufti des Ortes.
Leute zu Fufs, Lämmer und --- Geier unter den Armen, drängten sich
scheu an uns heran, um als symbolische Freudenzeichen die unschuldigen
Thiere dem preufsischen Eltschi zu opfern. Die berittenen Diener unseres
Trosses trieben sie mit dem Kimtschi, der persischen Peitsche, zurück,
weniger aus zärtlicher Rücksicht gegen uns, als aus innerster Ueberzeugung
und daraus folgendem Mifsbehagen, dafs von dem' etwaigen Enäm für das
freundschaftliche Pischkhch' nichts für ihren Säckel abfallen würde. Und
das wäre ein entsetzlicher Formfehler gewesen! Bei einem Eltschi kein
mudachhlli kein Nebenbenefiz!
Wir müssen uns gewöhnen, von jetzt an persische Titel zu führen.
Unser vortrefflicher, stets heiterer Minister wurde mit dem Dschenab-i-eltschi
„der Excellenz des Gesandten“ beehrt. Meine Wenigkeit zeichnete der
Titel des Naib oder „Stellvertreters“ aus, der Dragoman, welcher in der
Selbstbenennung Suliman-Bey alte Reminiscenzen an Koustantinopel wach
gerufen hatte, war der sahib mutärdschim „Herr Uebersetzer“. Selbst der
Kammerdiener des Eltschi, der ehrliche R a b e , erhielt in der Benennung
Nazir „Haushofmeister“ eine Standeserhöhung, wogegen der arme deutsche
Koch S c h ü t t e r schlecht genug wegkam. Die Perser waren nämlich höchlichst
erstaunt, dafs wir „ein Kameel“ als Koch von der Heimath bis nach
Persien mitgeschleppt hatten, da in ihrer Sprache der unschuldige Eigenname
des Aschpaz oder Koches soviel als Kameel bedeutet. Der Witz der
persischen bösen Zunge konnte in dem Kameel-Koch nur ein sehr günstiges
Feld für Sticheleien finden. Wie gu t, dafs' Schütter damals kein
Wort Persisch verstand.
Marand bietet den Anblick einer verfallenen, einst jedoch blühenden
Stadt dar. Grofse behauene, mit Schrift und Ornamenten aller Art bedeckte
Blöcke bezeugen einen älteren Blüthezustand, der bei den Leuten
nur noch in der Erinnerung fortlebt. Uralt (sie hiefs früher Maranda), bildet
sie gegenwärtig den Mittelpunkt des II der Jekenlu, welcher nach den Angaben
an Ort und Stelle aus 2000 Khanewar oder Familien, d. h. Zelten
besteht. Sie enthält c. 1000 Häuser und liefert 17,000 Toman Mcdiät
oder Steuer und 1000 Khelwär Getreide an die Regierung. *) Will
man noch mehr wissen, so bemerken wir, dafs Marand, wegen der nahen
russischen Grenze, 9 fotsch oder Regimenter und 1000 Kanoniere als Garnison,
aufserdem eine schlimme Art bissiger Wanzen (gäneh) besitzt, die es
besonders auf die fremden Ankömmlinge abgesehen haben. Nach der Residenz
aller Wanzen, Mianlh, kamen wir erst später; Marand ist gleich-
*) Ein für allemal bemerken wir, dafs Folgendes das in Persien übliche Münzschema ist:
1 Toman = 10 Sahihqran,
1 „ = 2 Pcnahat,
1 „ = 1 0 Schahi.
Der Toman, eine Goldmünze, hat den Werth von etwa 3 Thlr. Z’/a Sgr. Sahihqran,
gewöhnlich Gran gesprochen, und der Penabat sind Silbermünzen, der Schahi ist eine
Kupfermünze.
Khelwar ist ein gewöhnliches Getreidemaafs = 100 Teheraner Batmans, 1 Batman =
640 Miskal, 1 Miskal = 0,288 Loth Zollgewicht (vergl. Blau, Commercielle Zustände Persiens.
Berlin, 1858. S. 174 ff.)