gelagert und allmählig häuslich niedergelassen hatte. Ich hatte stets eine
besondere Sympathie für ihn. Es war ein schöner kräftiger Mann von
etwa vierzig Jahren mit lang herab wallendem Haupt- und ßarthaar. Seine
dunkelen Locken hielt ein breites Stirnband zusammen. Ein faltiger weifser
Rock bedeckte seinen Körper, die bekannte Derwischschaale hing an einer
Kette an seinem Arme, eine Keule hatte er in seine rechte Hand gepflanzt
und ein schlechter Kaliün war nebenbei sein unzertrennlicher Begleiter. Er
schlief, kochte, als, trank und rauchte im Garten. Kam Jemand von uns
des Weges, so stand er ehrerbietig auf, legte die Hand heiter lächelnd an
die Stirn und schrie mit lauter Stimme u haq „Er ist Gott! — möge Euer
Alter lang währen, Euer Reich noch länger, möget Ihr gesund bleiben!“
Unser Eltsehi, um den unzertrennlichen Nachbar los zu werden, reichte
ihm eines Tages einen goldenen Toman, d. h. 3 Thlr. Sgr. preufsisch.
Der Bruder Derwisch sah das Geld an und erklärte, ohne es anzunehmen,
dafs er den hohen Gott zum Zeugen anrufe, diesen seinen Platz und unsere
Nähe nicht eher zu verlassen, als bis ihm der Eltschi seine Schuld bezahlt
habe.
„Was! der Eltschi ist Euch Geld schuldig?“- rief ich ihm zu.
„„Ja, bei Eurem Leben, er schuldet mir zwanzig Toman.““
„Und wofür, wenn es erlaubt ist zu fragen?“
„„Für meine Gegenwart, meine Wünsche, für das Opfer meiner Ruhe
für Euch!““
„Wir erlassen Euch gern dieses Opfer, nehmt den T om a n ....1“
„„Nicht eher, als bis mir der Eltschi seine Sehuld bezahlt hat.
U haq! U haq/ ““
Wir hatten unser Domicil verändert, waren zwei Fersach weiter gezogen
und dachten gar nicht mehr an unsern Derwisch. Eines Tages in
der Frühe stieg an der Thür, welche die beiden Gärten miteinander in
Verbindung setzte, schwelender Rauch auf. Wir eilten dorthin und sahen —
den Derwisch, der sich an der Thür sein Lager bereitet hätte, mitten in
unserem gemietheten Garten ein Feuer anzündete, um sich ein Essen zu
kochen, uns harmlos ansah, und sein u haq! in tiefstem Bafs ausstiefs, als
unsere Verwunderung den höchsten Grad erreicht hatte.
Weder Drohungen noch gütige Vorstellungen konnten ihn bewegen,
seinen Ort zu verlassen. E r blieb Tag und Nacht wie angebannt sitzen
und berechnete Hrn. Baron v. Minutoli sehr genau, wie seine Schuld bereits
gestiegen sei, und er ihm nicht mehr zwanzig, sondern 26 Toman
schulde. Nicht genug wars nebenbei, dafs auf unserem Gebiete seine
Nähe und sein Ruf lästig war, nein, er empfing sogar die Besuche
anderer Derwische und deren Schüler und pflog mit denselben sehr lange
und ausführliche Gespräche.
Die Geduld rifs/ uns endlich, nachdem er eines schönen Tages sehr
ernst erklärte, der Eltschi schulde ihm gegenwärtig dreifsig Toman. Er
werde gehen und uns seinen Segen schenken, wenn diese Schuld endlich
berichtigt würde. Wir sendeten nach der Stadt und baten den Minister des
Auswärtigen um Befreiung von dem vermeintlichen Gläubiger. Tags darauf
war der Derwisch verschwunden und damit unsere ländliche Ruhe wieder
ganz hergestellt.
Zu den Mitbewohnern unserer Gärten und unserer Zelte, die uns aufser
dem Derwisch sehr lästig fielen, aber durch kein officielles Schreiben zu
vertreiben waren, gehörten eine Menge von Taranteln, die sich bei Tage
aus Scheü vor dem Sonnenlichte in Erdlöchern und an dunklen Plätzen
verborgen hielten, des Abends und des Nachts jedoch hervorkrochen und
ihre widerliche Aufwartung machten. Das Volk lebt in dem Glauben, dafs
dies Thier sich dreimal vorher zeige, ehe es den Menschen beifse, und dafs
es dann jedesmal am Kinnbacken oder am Ohrlappen seine giftige Wunde
beibringe. Diese Thiere haben eine seltsame Feindschaft zu einander. Von
zwei Taranteln, die man in einem Glase aufbewahrt, frifst die eine die
andere auf. Scorpione und Taranteln bekämpfen sich gleichfalls; die Tarantel
sucht den Scorpion in den Schwanz zu beifsen, der letztere sie mit
dem Stachel pfeilschnell zu stechen. Am häufigsten fanden wir die haarige
Tarantelspinne des Morgens, wenn wir unsere Kleidung anlegten. Die Taranteln
safsen gewöhnlich in den Aermeln des Rockes und fuhren in
Sätzen und Sprüngen heraus, wenn wir sie aus ihren dunklen Aufenthalt
hervorstörten. Wir hatten jedesmal grofse Mühe, sie zu erhaschen und zu
tödten, weil sie sich mit unglaublicher Schnelligkeit und Behendigkeit ihren
Verfolgern zu entziehen wissen.
Unser Aufenthalt in Rustem-abad war in vieler Beziehung höchst angenehm
durch die vortheilhafte Luftveränderung, hatte jedoch das Traurige,
dafs unsere Spaziergänge immer nur auf den engen Raum unseres Gartens
oder auf diè Strafsen des Dorfes beschränkt blieben. Setzten wir den Fufs
weiter hinaus, so war die Hitze auf den schattenlosen Feldern oder auf