denen nationalen Tänze durch, wobei sie mit achter Naturmimik gewisse
Seelenstimmungen und Zustände auszndrücken und dem Zuschauer klar zu
machen suchten. Zwei- weifse halbdurchsiohtige Shawls spielten eine grofse
Rolle; bald verhüllten die Tänzer ihre Gestalt damit, bald schwangen sie
die Tücher in die Luft oder fafsten die Enden gegenseitig an und bildeten
in sinnreicher Abwechselung die malerischsten Gruppen. Der persische
Tanz war,, um es kurz zu sagen, üppig-lüstern, Rer türkische wild, der
kurdische sinnlich gemein,, der afghanische unendlich graziös und elegant,
ganz dem Charakter der verschiedenen Nationen entsprechend. Der mimischen
Darstellung des Afghanen-Ballets lag folgende Handlung zu Grunde.
Ein junges Mädchen schläft und wird yon einem entzückten Liebhaber belauscht.
Er stimmt leise ein melodisches Lied an , Hl,natürlich mit Orchester
Begleitung, —- das Mädchen erwacht voller Erstaunen, sucht sich
aber dem Auge des Beobachters durch den Schleier zu entziehen. Ein
artiger Kampf, bei dem die Blicke das schwere Geschütz und die sehnsuchtsvoll
ausgestreckten Arme des Jünglings oder die den Schleier drehenden
Hände des Mädchens die Schwenkungen und Bewegungen der
Truppen bildeten, endete zuletzt mit dem liebenswürdigsten Doppelsiege
von beiden Seiten. Die änmuthigen Bewegungen dieses.-Tanzes-, dessen
Grazie ganz zu schildern vergebliche Mühe sein dürfte, standen in grellem
Gegensätze zu den übrigen Leistungen unseres Hamadänef-Corps .de ballet,
die melancholisch ruhig begannen und mit dèn wahnsinnigsten Extasen
endeten, wobei als Ausdruck höchster Leidenschaft das reiche Haar um
.den Kopf mähnenartig und ganz wörtlich in haarsträubender Weise, geschüttelt
wurde.
Aller orientalischen Choregik eigenthümlieh ist, dafs die Tänze nicht
blofs nach den Tönen der Musik, sondern auch, und bisweilen ,sogar allein,
unter Begleitung von Gesang und Händeklatschen ausgeführt werden. Je
wärmer und glühender die Worte des Liedes, gesungen, j e ■ stärker und
schneller die Hände zusammengeschlagen werden, je begeisterter treten die
Tänzer auf, je fasender und wilder werden die Bewegungen. Bei der rei-,
zenden Lesghinka, welche selbst in den höchsten Kreisen der Gesellschaft zu
Tiflis im Kaukasus in so anmuthsyoller Form yon den schönen grusinischen
Frauen getanzt wird, begeistert das taktmäfsige Händeklatschen der ge-
sammten anwesenden Herrenwelt, gleichviel ob in der kleidsamen Tscher-
keska oder in der glänzenden russischen Offiziers-Uniform oder in dem
bescheidenen schwärzen Frack, die holde Schaar der Tänzerinnen und feuriger
scheinen sich die unsichtbaren Füfschen zu drehen und zu schwenken.
Nicht anders war es-hier. Das ganze Amphitheater fing an zu klatschen
und die Erregung wurde so allgemein, steckte gegenseitig so an, dafs wir
zuletzt — wacker mitklatschten.
Die Perser nennen’ einen Gesang, der hach einer bestimmten Melodie
(aheng) abgesungen wird und zügleich den untergelegten Operntext bildet,
Tesnif. In der niederen Sphäre, zu welcher die anwesenden Tänzer zählten
und die mir ein befreundeter Perser als die Ledsckàrèh oder, wie er’s
übersetzte,- „la canaille“ bezeichnete, ist der Inhalt der Tesnif weder besonders
geistreich, noch immei; sehr :wohlanständig. Man hört -sie indefs in
allen Theiien Persiens von der niederen Bévolkerung singen und prägt zuletzt
unwiHkührlich Worte und Melodie dem Gehör ein. So-erinnern wir
uns vor allen eines als Tesnif-i-kurdistani „Kurdistaner Lied“ bekannten
Gesang'és, das so gewöhnlich ist, wie es bei uns oder in ändern europäischen
Ländern gewisse populäre Gassenhauer sind. Wir geben neben der
Umschreibung der persischen Worte die deutsche Uebersetzung :
Tesnif z i - kurdistdni.
Tu kurdistdni pasch u biä,
Men kurdistdni, lemmèh!
Lebèt bebüsem, bäschken bid,
. Ä i jdr-e-dschdni, lémmèhf
Dal- e-men u d d l-e -tu
Jek dsehuft-e-dimu mal-e-tu.*)
Uebe rs et zu ng .
Steh auf, du Kurdistane,
Und komme her zu mir!
-*) Für Kenner der persischen Sprache tnüssen wir als Erklärung hinzufügen, dafs
lemmèh ein gemachtes “Wort,' etwa wie unser juchhei! oder heissa! u. dgl. m. ist, dafs
bäscliken das taktmäfsige Hervorbringen des knackenden Tones mittelst zweier Finger bezeichnet,
und dàfs dàl die vulgäre kurdische Aussprache des persischen dii, mit kurzem i,
„das Herz“ darstellt, so als ob wir im Deutschen H a rz sagen wollten. Volkslieder der
Art gewinnen -durch- ähnliche fehlerhafte pro vincieile Auffassungen in der Volkssprache
(herf-i-awäm) einen hochkomischen Anstrich, der selten seine Wirkung verfehlt. Das ägyptisch
arabische Gassenhauerlied Geli min Dar für ekhater, jaltali ja kerim es - sater etc.,
welches den nubischen Barabra' in den Mund gelegt wird, bietet zu dem obigen persischen
Liede ein sehr passendes Seitenstück.