kostete. Man könne sich aber gar nicht wundern, da man gegen das Gesetz
selbst in den höchsten Kreisen verstiefse und sich gröblich versündigte.
E r führte als Beweis an, dafs z. B. der Mittelpunkt des Weltalls trotz der
Trauerzeit des Moharrem, in welcher jede Art der Ehe untersagt ist, letzthin
von seinen Jagden eine hübsche junge Braut mitgebracht und dieselbe
in den Rang der zweiten Frauen erhoben habe. So etwas müsse' jedenfalls
den Zorn Gottes hervörrufen und Rem ganzen Lande zum Verderben gereichen.
Meine Frage, 9b die neue Haremsdame eine Bäuerin, sei, e.rwie-
derte er mir: „Sichen, 0 Sahab („Herr“, -gewöhnliche Anrede der Perser
an Europäer), ist sie eine Bäuerin,' die weder lesen noch schreiben kann.
Im Durchschnitt haben wir Perser, gebildete Frauen nicht gern, weil diese
sehr leicht Gelegenheit finden, Liebesbriefe zu schreiben, sich also auch
in der Abwesenheit mit einem Liebhaber unterhalten können. Euer Diener
möchte um alle Güter der,Welt keine-Frau haben, die' schreiben, lesen,
dichten könnte, und wenn sie eine Perle in der Muschel der Schönheit
wäre.“
Der Mirza erging sich noch lange darin, die Zeit zu bejammern, und
mit theologischem Scharfsinn den Ergründ allen Unglücks in Iran herauszufinden.
Vorläufig baten wir ihn, das Nächste zu erfassen und ein wenig
auf die schlimme Nachbarschaft sehen zu w’ollen, welche seit einiger Zeit
Rustemabad und die Strafsen dorthin unsicher und, gefährlich machte.
ln unserer Nähe campirten nämlich seit kurzer Zeit etwa 100 Mann
Soldaten aus dem Luristan, der Gebirgslandschaft östlich vom Tigris auf
dem persischen Gebiete zwischen KirmansChah und Schuschter. Es waren
das stramme aber wilde Burschen, welche durch ihre Diebereien und Räubereien
die ganze Umgegend von Rustemabad in Schrecken setzten. Kamen
in der Dunkelheit kleine KaraWanen angezogen, um nach den Dörfern von
Schimran Lebensmittel und Waaren aus der Stadt Teheran zu führen, so
waren die Luren sofort bei der Hand, das Gepäck leichter zu machen. Auf
Befehl des Schah sollten sie Gräben um den neu angelegten Köschk oder
Kiosk in der Nähe von Rustemabad ziehen. Sie verwendeten ihre freie
Zeit in der beschriebenen Weise, die ihnen als Soldaten wenig zur Ehre
gereichte. Auch unsere Diener wurden vielfach von den1 wilden Gesellen
geplagt; die Ruhe und Sicherheit für uns trat erst ein, als es unserer Wache
gelang, nach tapferer Gegenwehr einen Luren einzufangen, der einen unserer
Leute bei hellem Tage überfallen und eine Anzahl eingekaufter Lebensmittel
geraubt hatte. Er wurde gebunden vor den Eltschi geführt und
seinem Chef mit einem entsprechenden Begleitschreiben überliefert.
- Die nächsten Ereignisse,, welche unsere mitwirkende Theilnahme beanspruchten,
waren offizieller Natur. Am 15. August wurde von dem französischen
Gesandten im Sommerlager zu Tedschrisch „la fête de FEmpereur“
mit allem Glanze, der in Persien nur immer entwickelt werden kann, in
üblicher Weise gëfeiert. Die Hauptfeier des Tages fand am :Abend Statt.
Unter einem mächtigen Zelte, -das man- mit den Fahnen sämmtlicher in
Teherán residirendén Gesandtschaften und der Standarte Persiens decorirt
und inmitten des Gartens aufgestellt hatte, der mit Hunderten bunter Ballons
erhellt war, vereinigte eine lange Tafel die in Teherán wohnenden Franzosen
, einige angesehene Perse r, an ihrer Spitze den Minister des Auswärtigen
und' den persischen General DäwucL - Khan-, ein armenischer
Christ, und die Mitglieder der übrigen Gesandtschaften. Der persische
Minister brächte in persischer-Sprache'einen Trinkspruch auf die Selamet
oder das Wohl des französischen Kaisers-, der französische Minister einen
gleichen; auf das Wohl S. M. des Schah’s und dann auf die Gesundheit
der übrigen Potentaten aus, .deren Vertreter am persischen Hofe weilten.
Eine persische Regimentsmusik spielte neuerdings eingeübte europäische
Nätional-Hymnen recht wacker. Das Verdienst, die Perser in der
kurzèn Zeit von acht Monaten so weit gebracht zu haben, europäische Musikstücke
auf europäischen Instrumenten auszuführen, gebührt dem braven
Mr. Bo’s q u e t , Kapellmeister an der grofsen Oper in Paris. Unterstützt
von einem jüngeren Fachgenossen, dem Sous-chef de musique Mr. R o y o n ,
hat, der gewandte Musikkenner in Persien und an den Persern Unglaubliches
geleistet.- Die iranische Musikbande, sämmtlieh Bauern, meistens
sehr jüng (ich sah mehrere zehn- bis zwölfjährige Knaben) spielte aber
nach ■;sonderbaren Noten. Dieselben waren nämlich durch die einzelnén
Finger dèr linken Hand ünd deren Zwischenräume angegeben; der Musikdirektor
hielt die Hand in dié Höhe, zeigte den betreffenden Finger oder
den Zwischenraum,'und nun spielten die Musikanten den erforderlichen
Ton mit vollkommener Präzision. Erst in letzterer Zeit ist e s Hrn. B o s q u e t
gelungen, seine persischen'Musikschüler an geschriebene Notèn zu gewöhnen.
Dafs es einen eigenthümlichen Eindruck macht, von Persern „partant
pour la Syrie“, „god save the queen“, die russische Nationalhymne und
andere Melodien spielen zu hören, brauche ich kaum zu bemerken. Auch
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