meiden den Anblick der Menschen und lassen sich durch das blofse Schreien
der Kinder in die Flucht treiben.
Der Ararat, rechter Hand liegend, blieb den ganzen Tag über bis zur
halben Höhe verhüllt, nur der kleine Ararat war emigermafsen sichtbar.
Auf der öden, menschen- und pflanzenleeren Hochfläche, welche die
gewöhnliche Poststrafse durchschueidet, begegneten wir zum erstenmale
wandernden Kurden, die mit ihren Weibern, Kindern und Pferden ihr Sommerlager
aufsuchten. Alles war beritten, die Weiber zu Pferde trugen die
kleineren Kinder auf dem Arme; eine Anzahl der Pferde war mit den
braunen Filzzelten der Nomaden bepackt.
Der Anblick der Schaar, die aus etwa zwanzig Familien bestehen
mochte, erinnerte uns an das nahegelegene Gebiet der Kurden, welches
von nun an stets zur rechten Hand bis nach der persischen Stadt Täbriz
hin liegen blieb. Wenn man vom Ararat eine Linie gezogen denkt nach
dem persischen Meerbusen hin, so sind die Wohnsitze der Kurden durch
die gröfsere nördliche Hälfte derselben bezeichnet, während den letzten
Theil derselben die Zelte und Wohnstätte der räuberischen Bakhtiaren einnehmen.
Politisch sind sie auf den Gebieten des türkischen und persischen
Reiches sefshaft, nur ein sehr kleiner Theil wohnt im russischen Armenien
in der Nähe des Ararat. Ihr Hauptreichthum besteht in Pferden, ihre
Hauptbeschäftigung im Plündern und Rauben. Sie sind eine Plage der
Karawanen und Reisenden, die sich vor ihren Angriffen förmlich löskaufen
müssen. Sie sind von Alters her in Stämme eingetheilt, die unter eigenen
Aeltesten stehen. Ihre Religion, obwohl mit vielen fremden Elementen
vermischt, ist die mohamedanisehe. Ihre Sprache, auf die man erst in
neuerer Zeit aufmerksam geworden ist, gehört zu dem grofsen indogermanischen
Sprach stamme, genauer zu dem medopersischen Zweige derselben.
Einzelne Stämme derselben sind in Folge von Kriegen und inneren
Zerwürfnissen bis in das Innere Persiens gewandert, wie z. B. mehrere
Kurdenstämme in der Nähe des Berges Demawend südlich vom kaspischen
Meere als Ilat oder Nomadenstamm ihre Zelte aufgeschlagen haben (es sind
dies die Stämme der Hadschewiind, Kuddschur und Kelardescht in Ma-
zenderan).
In der nächsten Station Dawqlu, achtzehn Werst von Kamerlu entfernt,
wurde uns zu Ehren ein grofser Büffelkampf mitten in der engen
Gasse des Dorfes veranstaltet, und eine grofse Pferdeschau zum Besten geo
eben. Die Büffelkämpfe gehören unstreitig zu den aufregendsten Schauspielen,
da man mit ängstlicher Spannung den Bewegungen und mörderischen
Stöfsen der starken Thiere folgt, die im wüthendsten Zorne auf einander
losstürzen. Das Ende des Kampfes bezeichnete der Augenblick, in welchem
sieh beide Büffel so sehr mit ihren Hörnern verwickelt hatten, dafs
nur die Hülfe der Menschen sie aus der schwierigen Lage zu befreien
vermochte.
Von den Pferden wurden hier acht Stück jedes im Preise von 60 bis 100
Silbcrrubel für unsere Weiterreise auf persischem Gebiete erstanden und
voraus nach Nachitschewan geschickt. Eigenthümlich ist die Art der Unterhandlung.
Der Verkäufer ist auf keine Weise zu bewegen, das Pferd,
welches-sein Eigenthum ist, zu verkaufen. Er bietet es als Geschenk an.
Dieser Aufmerksamkeit, welche bei allen Völkern des Orientes eine durchgehende
Erscheinung ist, liegt nicht-etwa, wie man vermuthon könnte, die
edle Absicht zu Grunde, den Fremden durch ein Gastgeschenk zu ehren
oder zu erfreuen, sondern die> Erwägung, dafs das erwartete Gegengeschenk
hoffentlich den in der Stille berechneten Preis bei weitem übersteigen wird.
Schliefslich wird man ungeduldig,: dann wird ein entsetzlich hoher Preis
gefordert und von nun an nimmt das Handeln kein Ende. Graf Simonitsch,
unser treuer Begleiter bis zur persischen Grenze, half aus den gröfsten
Schwierigkeiten heraus. Ist der Kauf abgeschlossen, so ergreift der Verkäufer
den Zügel des Pferdes mit dem Rockzipfel, der Käufer empfängt
mit dem Zipfel seines Rockes vom Verkäufer den Zügel; darauf reichen
sie sich unter Beglückwünschungen die Hand.
Die nächste Station Sadarek ist ein verrufenes Räubernest. Der Weg
dorthin belebte sich einigermafsen durch den Anblick blühender Aprikosenbäume,
die hier und da gartenartige Anlagen bildeten und von einer niedrigen
Erdmauer umhegt waren, während die würfelförmigen Hütten der
Tataren in einiger Entfernung davon aufgeführt waren. Zur rechten Hand
unserer Strafse lagerte sich dunkles Gewittergewölk um die Gipfel des
Ararat, hier und da blitzte ein Sonnenstrahl durch eine Wolkenspalte hindurch
und erleuchtete die gewundene Silberfurche des Aras. Vom Südabfall
des Ararat an dehnten sich in der Richtung vor uns hin niedrige Höhenzüge
aus mit alten Höhlen, in denen man die Spuren der Zeitgenossen der
alten Assyrer in neuester Zeit entdeckt hat. Die rothe Bergmasse des
Atschdechan, vulkanisches Gestein in wunderbaren Formen, steigt rechts