zu erklettern, lag neben der Sehnsucht nach der Höhe — und aufrichtig
gestanden auch nach der Kälte — in der Vorstellung, zur Zahl der wenigen
Menschen zu gehören, welche soglücklich waren, von der Spitze des
Demawend aus einen Blick auf das wunderbare Naturgemälde in der Umgebung
desselben zu werfen. Wir sahen uns im Geiste bereits auf dem
steilen Gipfel, schauten über Mäzenderan hin bis zu dem blauen Spiegel
des kaspischen Meeres, sahen die Sonne auf- und untergehen, untersuchten
die Schwefelhöhle, mit einem Worte, wir schwelgten bereits in Genüssen,
von denen wir kaum eine richtige Vorstellung haben konnten, ohne mehr
als C a r l R i t t e r ’s allerdings ausführliche und vortreffliche Beschreibung
des Demawend zu kennen.
Hr. Baron v. Minutoli, der neben den Geschäften, welche von seiner
Stellung unzertrennlich waren, jede Anregung zu einer Thatsache ausführte,
sobald ihr ein praktischer oder wissenschaftlicher Zweck zu Grunde lag, —
setzte mit jugendlicher Frische und Spannkraft den Plan der Besteigung
des Demawend in kürzester Frist durch. Nach den-Angaben des in Teheran
durch langjährigen Aufenthalt unter den Persern einheimisch gewordenen
Arztes Dr. S c h lim m e r ,,v o n Geburt ein Holländer, sollte der Demawend
in der Zeit vom 2a. Juli bis zum-10. August, in welcher die sommerliche
Hitze ihr Maximum zu erreichen pflegt, ganz nebelfrei sein. In
Folge dessen wurde die Abreise auf den 24. Juli angesetzt, ein Tscherwadar
gedungen, der seine Maulthiere für zwei Qran täglicher Miethe hergab, die
kleine Karawane ausgerüstet, und an dem festgesetzten Tage in aller Frühe
aufgebrochen.
Unsere Expedition bestand aus- dem Chef unserer Gesandtschaft, aus
Hrn. v. G ro lm a n , drei diplomatischen Personen der englischen Gesandtschaft,
den HH. W a ts o n , F a n e und D o lm a g e ', aus meiner Wenigkeit,
zwei europäischen Dienern und etlichen persischen Bädschehs, im Ganzen
aus etwa zwanzig Personen und einer gleichen Anzahl von Maulthieren.
Einen sehr wichtigen und kostbaren Theil des Gepäckes bildeten die physikalischen
Instrumente, bis zum Barometer und Thermometer hin, welche
die beschwerliche, aber nichts destoweniger sehr heitere Wanderung mit
unternehmen sollten. Meinen lieben englischen Freunden mufs ich die Gerechtigkeit
widerfahren lassen, dafs sie bis zum kleinsten Toiletten-Gegen-
stand hin nichts vergessen hatten, was-ein Gentleman als nothwendige Dinge
für sein bed-room betrachtet. Im schneidenden Gegensatz dazu hätte einerunserer
deutschen Diener uns beinahe zu, ächt persischer Efsweise verdammt,
indem er vergessen hatte, die europäischen Tischgeräthschaften
dem Küchenapparat beizufügen.
Die-Nacht vom 23. zum 24'. Ju li war äufserst schwül und drückend
gewesen, und erst gegen Morgen kühlte sieh die heifse Luft ein wenig ab.
Doppelt vergnügt rückten wir auf unseren Thieren in das freie Feld hinaus,
indem wir die Richtung nach Osten einschlugen. Der Weg konnte
gar nicht verfehlt werden; der Demawend leuchtete uns deutlich als riesiger
Wegweiser selbst über die höchsten Punkte des Elburs entgegen. Das
Land, über das wir hinwegritten, war hügelig, dürr, steinig; um so angenehmer
im wechselnden Contrast der Anblick der Dörfer und Baumgruppen,
welche dicht am Fufsé des Elburs öder in der Ebene nach Teheran
zu im Strahl der aufgehenden Sonne an uns vorüberzogen. Je mehr
wir uns den östlichen Erhebungen näherten, je steiler wurde die Strafse,
je schwieriger das Terrain. In der rauheft hohen Felsgasse, welche uns
nach der Hqhe in Windungen führte; trat uns der in Persien so häufige
Anblick der erstorbenen Natur in einer ebenso ernsten als eigenthümlichen
Weise vor die Augen. Links vom Wege ab sah man die Spur einer vor
Kurzem bei der übergrofsen, dörrenden Hitze versiegten Quelle. Mit der
Wasserfülle hatte auch die Lebenskraft eines daneben stehenden Baumes
aufgehört, der ohne Blätter, Bestaubt, ausgetroeknet, seine Zweige und Aeste
wie ein Gerippe dem vorüberziehenden Wanderer klagend entgegenstreckte.
Der seltsame Zufall hatte es gewollt, dafs an derselben Stelle ein Esel, ob
vor Ermattung. Und Entkräftung oder vor Durst, wer wufste es zu sagen,
sein Ende gefunden hatte. Er stand an einen' Felsblock gelehnt aufrecht
da, in schreitender Stellung, den rechten Fufs vorgesetzt, mumienartig aus-
getrocknet. Nur seine Stellung hatte ihn vor dem Schicksal eines Leichenschmauses
bewahrt. Fällt ein Thier auf den persischen Karawanenstrafsen,
so sind Adler und häfslich aussehende Geier stets in der Nähe, um mit
gierigem Schnabel in kurzer Zeit das Fleisch des Aases in ihren Magen
zu befördern. Der Nachtisch am Leichenschmause fällt den Raben zu. An
die weifsen Leichengebeine, welche die Strafsen Persiens in unerquicklicher
Fülle bedecken, gewöhnt sich der Reisende schliefslich so,sehr, als gehörten
sie zur nothwendigen S.trafsenarchitektur und -Ornamentik. Ein ausgedörrter
stehender Esel erregt aber billig Aufmerksamkeit, vorzüglich in
einer Umgebung, die es doppelt mächtig empfinden läfst, wie die todte