dem um ihn sich versammelnden Volke predigte. Gelegentlich von einem
Pulte herabzureden, war eines der Aemter der früheren Nachfolger Ma-
homeds, die in ihren Personen den geheiligten und königlichen Charakter
vereinigten. Im Verlaufe der Zeit ging das Predigeramt auf geringere Personen
über. Zu Gunsten Hosseins soll mit Jezid ein europäischer Gesandter
unterhandelt haben, der demnach als Mitagirender in das Drama
aufgenommen worden ist, aus welchem Grunde denn das Volk-nicht abgeneigt
auf uns blickte. Ungeachtet der im Volke herrschenden Aufregung
machten wir unseren gewöhnlichen Spazierritt, und wurden ungehindert
mitten durch die auf den Plätzen befindlichen andächtigen Versammlungen
hindurehgelassen.
Die Perser machen so wenig Aufhebens davon,- ihre religiösen Cere-
monien vor den Leuten sehen zu lassen, dafs am achten Abend des Mo-
harrem der Grofswezir alle. zur Gesandtschaft gehörenden Personen in sein
Takieh einladen liefs. Als wir eintraten, fanden wir eine zahlreiche Versammlung
von Persern, in dunkelfarbiger Kleidung, welche nebst ihren
schwarzen Mützen, schwarzen Bärten und feierlichen Gesichtern, ganz so
aussahen, als ob sie „Leide trugen“, und wir bemerkten, dafs „keiner von
ihnen Schmuck an ihm“ trug. Auch hatten sie keine Atagham im Gürtel,
noch sonst etwas an sich, das auf Putz deutete. . Neben dem Grofswezir
safs ein angesehener Mollah in ernster Unterredung mit ihm, während die
Uebrigen unter einander flüsterten. Nachdem wir eine Zeitlang gesessen
hatten, wurden die Fenster des Saales, der zum Takieh diente, aufgerissen,
und wir erblickten unter einem Zeltdache auf hohem Stuhle, vom Volke
umringt, bei Lichterglanz einen Priester, der mit einer Einleitung begann,
worin er seine Zuhörer an den hohen Werth jeder Thräne erinnerte, die
man um Imam Hossein vergösse, und die eine Büfsung für ein früheres
Leben voll Gottlosigkeit sein würde. Mit vieler Feierlichkeit ermahnte er
sie auch,' dafs .„wer seinen Leib nicht kasteiet, an diesem Tage, der soll
aus seinem Volke gerottet werden“. Dann fing er an aus einem Buche,
in einer Art von Nasenton, den für den Tag ausersehenen Theil der Geschichte
Hosseins abzulesen, welches sofort die beabsichtigte Wirkung bei
den Zuschauern hervorbrachte; denn kaum mochte er drei Blattseiten gelesen
haben, ao begann der Grofswezir den Kopf hin und her zu wiegen
und mit höchst kläglicher Stimme den gewöhnlichen Klageruf der Perser
nWai! wai! w a ü “ hören zu lassen, welches auf minder heftige Weise sogleich
von der ganzen Versammlung nachgeahmt ward. Der Singsang des
Priesters währte beinahe- eine Stunde, und etliche Theile der Geschichte
waren allerdings pathetisch, und wohl geeignet:, die Gefühle eines abergläubigen
und lebhaften Volkes aufzuregen. Bei einer Stelle des Vortrages
stand die Gesellschaft auf, und ich bemerkte, dafs der Grofswezir sich
gegen die Wand kehrte, die Hände erhob und betete. Nachdem der Priester
geendet hatte, erschien eine Gesellschaft Schauspieler, einige als Weiber,
andere als Männer gekleidet, und sangen von Papier streifen ihre Rollen
in einer Art von Recitativ ab, das selbst für unsere Ohren nicht unanmuthig
klang. Bei den wirklich tragischen Momenten dieses Absingens schienen
die meisten von den Zuhörern ohne alle Heuchelei zu weinen, und da ich
nahe dem Grofswezir und dem Priester safs, war ich Zeuge,, wie Beiden
viele aufrichtig vergossene Thränen entströmten. In etlichen dieser Trauei-
versammlungen ist -es gebräuchlich, dafä ein Priester zu jedem Hochbetrüb-
ten hingeht, und dessen fliefsende Thränen in Baumwolle' auffängt, welche J
er dann in ein Fläschchen ausdrückt, das sorgfältig aufbewahrt wird. Da-J
durch wurde uns praktisch jene Stelle im 56. Psalm im 8. Verse erklärt,
wo es .heifst — „und fasse meine Thränen in Deinen Sack“. Einige Perser
glauben, dafs in der Angst des Sterbens, wenn keine Arznei mehr helfen
will; ein Tropfen von so gesammelten Thränen in den Mund des Ringenden
geflöfst, diesen wieder zum Leben bringt; und behufs dessen werden
die Thränen gesammelt.
. Am Ruz-i-qatl. dem Tage des Mordes, oder dem zehnten Tage, ward
von dem Könige der Gesandte eingeladen, der Beendigung des Festes beizuwohnen
, . und die Vorstellung des Todes Hosseins mit 'anzusehen. Wii
machten uns nach dem Frühstück auf den Weg, und begaben uns in ein
kleines Zelt, das zu unserer Bequemlichkeit über einem Thorwege, nahe
dem Gemache, in welchem Seine Majestät safs, sich befand.
Wir hatten die Aussicht auf den grofsen Meidan oder Markt in Front
des Palastes, an dessem Eingänge ein Kreis von Kadschars, oder Leuten
aus des Königs eigenem Stamme, barfufs standen, sich die Brust nach dem
Takte des Gesanges schlugen, den Einer in ihrer Mitte vernehmen liefs,
und dann und wann als Chor singend eiufielen. Das S c h la g e n an d ie
B r u s t ist ein allgemeines Thun währehd der ganzen Trauerzeit, und die
Brust wird zu dem Ende entblöfst, indem man die obere Nestel des Hemdes
öffnet. Um seine Frömmigkeit zu zeigen, gebot der König den Kad