des Achaltzichschen Gebirges mit rosigem Abendschimmer übergosssen zu
seben. Die Flagge wurde heruntergelassen, wie es Brauch ist auf den
Schilfen am Abend; das Echo der zu gleicher Zeit abgefeuerten Kanonen
des Dampfers tönte wie ferner rollender Donner von den Bergen wieder.
Drei Stromschnellen machen die Fahrt auf dem oberen Rion für den
Dampfer unsicher und schwierig. Es schien aber, als ob das „Täubchen“
heute besonders gut flog, denn als gegen acht Uhr Abends drei Signal-
.schüsse vom Dampfer her losgebrannt wurden, war das Ziel der Fahrt,
die Stadt Maran erreicht, und die drei Stromschnellen lagen bereits weit
hinter uns.
Das Schiff warf an dem rechten Ufer des Rion in der Nähe des oben
genannten Ortes Anker.
Die Finsternifs liefs wenig mehr als einzelne Blockhäuser im Stile
derer von Poti erkennen. Aus der Dunkelheit traten mehrere Gestalten
immer deutlicher hervor, sich uns nähernd.
Der Kommandant von Maran in voller Uniform, ein alter Militär,
und seine Begleiter stellten sich dem K.'Minister-Residenten vor. Sie
waren überrascht und erstaunt, in später Nacht die Mitglieder einer Gesandtschaft
zu empfangen, von deren Ankunft sie auch keine Ahnung
hatten.
Wir muthmafsten, dafs durch irgend welchen Zufall die betreffende
Nachricht unserer Ankunft zu spät oder gar nicht von Tiflis aus abgegangen
sein müsse. •
Diese Muthmafsung, richtig oder nicht, half aber nicht über die
Schwierigkeit der Weiterreise fort.
Pferde und Wagen waren bei Nacht nicht zu haben. Der Gommän-
dant von Maran war so freundlich, uns für den nächsten Morgen Telegas
und Troikas in Aussicht zu stellen. Da gab’s keine Rettung. Wir mufsten
noch diesen Abend und die Nacht durch mit der urwaldlichen Verpflegung
auf dem „Täubchen“ vorlieb nehmen.
Bald sollten wir erkennen, dafs diese kolchische Kost, in Vergleich
zu der, welche unserer später erwartete, eine G ö t t e r s p e i s e war! Kaum
graute der nächste Morgen, so waren wir alle auf den Beinen. Das Gepäck
wurde aufs Land gebracht, drei kleine Holzkasten mit vier Rädern
— das waren die versprochenen Telegas des Kommandanten — damit beladen,
vor jeden Kasten drei Pferde gespannt, das waren die Troika, — uns
ein Papier: die Podoroschnä oder der Reisepostpafs in die Hand gedrückt,
und wir selber zu je zweien oben auf die Kasten und Koffer gepackt.
- Seltsame .Beförderung eines gesandtschaftlichen Personales ¥ So dachte
ich mir immer, müssen vor mehreren Jahrhunderten Chardin, Olearius,
und wie sie alle heifsen die alten Reisenden von damals, gefahren sein,
und nun sollten wir die Annehmlichkeiten einer solchen Fahrt anno Domini
1860 an uns selber, erleben.
Der überraschende Anblick der unsere Wagen umstehenden Menge
entzog uns vorläufig allen ernsteren Gedanken über die verwegene Fahrt.
Eine Schaar blasser, schwammiger, Aufgedunsener Gesellen, mit jenem
Gesichtsausdruck, der in Konstantinopel oder in Kairo so unzweifelhaft
den farbigen Eunuchen stempelt, lehrte uns augenscheinlich Anhänger der
in Rufsland verbreiteten Skopsis kennen. Weifse Eunuchen, die sich aus
religiösem Wahnsinn sectenartig zu einer grofsen Masse constituirt haben!
Kaum kann man glauben, dafs sie, wie ein russischer General Schreiber
dieses gelegentlich einer Unterhaltung über die sonderbaren Sectirer mittheilte,
zu dem Acte der Selbstentwerthung durch den biblischen Satz:
Aergert dich ein Glied deines Leibes, so reifs. es aus! getrieben werden.
So viel steht fest., dafs, die Skopsis ein äufserst nüchternes, sparsames Volk
sind, welches mit allem Eifer nach Geldbesitz strebt und deshalb vor allen
gern in Geldgeschäften speculirt. Hat ein verheiratheter Skopsis einen
Leibeserben erhalten, so beraubt er sich selber seines männlichen Werthes
bis' zur Wurzel hin. Sein Sohn wird dann in denselben eigenthümlichen
Lehren auferzogen, und-so lebt die Secte in steter Unität der Familien-
Mitglieder weiter. Die russische Regierung, welche ihr liebes Wesen mit
so vielen Secten im Lande h a t, tritt vor allen gegen die Scopsis mit unerbittlicher
Strenge auf. Man verbannt sie, steckt sie in den grauen Sol-
daten-Mantel, sucht ihren religiösen Ansichten in aller Weise hindernd in
den Weg zu treten, und hat es doch noch nicht einmal so weit gebracht,
die Anzahl der Skopsis zu vermindern.
Doch lassen wir die Skopsis, bedauern wir e s , den Anblick so widerwärtiger
Halbmänner in aller Frühe geniefsen zu müssen, und lassen wir
die Kutscher aufsitzen und den Kosaken voranreiten, um auf der nächsten
Station die Ankunft der Reisenden anzumelden.
- Die Fahrt ging Anfangs recht langsam von Statten. Nicht etwa aus
Trägheit der Pferde — diese zogen a n , dafs ihnen das-Fell rauchte —