und die weifsschäumende Kura ist lohnend und versüfst die Anstrengung
einer langen Aufsteigung, um bis auf die Höhe zu gelangen. Wir waren
erstaunt, hinter der gewaltigen Bergmasse, an deren Fufse auf der rechten
Seite der Kura der eine Theil der Stadt liegt, mit Schnee bedeckte Kämme
aufsteigen zu sehen, um ein Bedeutendes höher, als der Bergkolofs mit der
Davidsburg und der kleinen Kapelle, welche dem Angedenken des der
Volkswuth in Teheran 1829 zum Opfer gefallenen russischen Gesandten
G r ib o je d o w geweiht ist.
Beim Heimgange verlockte uns weniger das ßedürfnifs, als vielmehr
Neugierde in ein Tifliser Wirthshaus einzulaufen. Im innern Hafen ging
es stürmisch her. Die Frau und Gebieterin des Hauses prügelte einen Mann
durch, der einen Hund auf das Dach geworfen hatte. Der Hund war heruntergefallen
und jammerte mit entsetzlichem Geheule. Russische Soldaten,
die einzigen Gäste in dem ziemlich reinlichen, mit Bildern kaukasischer Generäle
geschmückten Zimmer liefsen sich in keiner Weise durch die Scene stören,
sondern tranken bis zum unvermeidlichen Schweifsdurchbruch den bestellten
Thee. Der Thee verbreitet sich auf der Karte der Getränks-Isothermen
in gewaltiger Ausdehnung. Rufsland, Persien und die östlich von beiden
gelegenen Ländermassen verehren bis zu den Gestaden des Theelandes par
excellence die Theepflanze und das daraus bereitete Getränk, dem sie gemeinsam
die Benennung tschai gegeben haben. Der Russe von ächtem
Schrot und Korn scheint den Thee als ein angenehmes Mittel zum Trän-
spiriren anzusehen; man darf nur zuschauen, wie er von Petersburg und
Moskau an bis zum Kaukasus hin mit einer Art von Eifer die volle Thee-
kanne le ert, bis ihm die hellen Schweifstropfen an der Stirn perlen, um
die aufgestellte Behauptung wahr zu finden. —
Nachdem wir die Bazare, in der Richtung nach unserem Hotel hin,
von Neuem durchmessen hatten, betraten wir die geöffnete Hauptkirche der
Stadt, berühmt durch die Wandmalereien, ein Werk des fürstlichen Künstlers
Gagarin. Wie alle Gotteshäuser von Tiflis, so ist auch dieses in einem
für das Auge wenig angenehmen Stile erbaut. Die Klöpfel an den Glocken,
welche in ziemlich ansehnlicher Zahl in den niedrigen Glockenstühlen hängen,
werden durch Schnür^ iu Bewegung gesetzt, welche wie Telegraphen-
dräthe quer über die Strafse fortlaufen. Das Innere der Kirche konnte als
eine Nachahmung der Aja Sophia en miniature betrachtet werden. Die
Frauen, meistens Georgerinnen, bildeten den gröfseren Theil der Kirchgänger.
Sie beschäftigten sich damit, theils die Heiligenbilder und deren
Goldrähme mit Küssen zu bedecken, theils sich vor denselben zu bekreuzigen,
theils kleine Wachskerzen anzuzünden und in den Kandelabern und
Leuchtern vor den Bildern aufzustecken. Der krasseste Bilderdienst herrscht
hier wie in allen Ländern vor, wo der Kultus der griechisch-katholischen
Religion eingeführt ist. In dem hintersten, durch eine Holzschranke von
der übrigen Kirche abgeschlossenen Raume lagerten andere Frauen auf
Kissen und schwatzten munter miteinander. Wieder andere Weiber entfernten
sich durch eine besondere Thür.
Neben den Kirchen steht gewöhnlich, der Strafse zugekehrt, ein Heiligenbild
unter Gitter und davor eine Menge brennender Wachskerzen. Die
letzteren werden bei dem Wachshändler nebenan gekauft, angezündet und
dann aufgesteckt. Besonders häufig drücken russische Soldaten den Heiligen
ihre Ehrfurcht aus, wobei sie die Mütze vom Kopfe nehmen und sich in
militärisch grader Stellung vor dem Bilde vielfach bekreuzigen. So bildet
Rufsland in seinen äufserlichen religiösen Gebräuchen einen Uebergang zum
öffentlichen Kultus der asiatischen Religionen.
Die Zeit unserer Abreise von Tiflis rückte immer näher heran. Jede
Stunde unseres letzten Aufenthaltes wurde daher in bester Weise benutzt,
um Land und Leute weiter zu studiren, besonders nachdem das Wetter in
so günstiger Weise umgeschlagen war, dafs wir den Fährlichkeiten einer
Wanderung auf nassem Boden getrost Trotz bieten konnten.
Ein Ritt zu Pferde, in Begleitung eines preufsischen, gegenwärtig in
russischen Diensten stehenden Landsmannes, des Garde-Kapitän H. v. B ü n -
t in g , verschaffte uns die sehr erwünschte Gelegenheit, die nächste Umgebung
der Stadt in Augenschein zu nehmen. Als Ausgangspunkt unseres
Rjttes nahmen wir den steilen, oft recht schwierigen Weg, welcher in den
Berg unter der Davids bürg hin eingemeifselt ist und abwärts in die Stadt
hineinführt. Das Panorama von dieser Seite ist nicht weniger lohnend,
als von der Höhe des Moritzschen Hauses aus. Erwähne ich noch der herrlichen
Aussicht über Tiflis hin auf dem Balkon des hochgelegenen persischen
General-Gonsülates, so habe ich meiner Meinung nach diejenigen
Stellen bezeichnet, die einem schaulustigen Wanderer Gelegenheit gewähren,
sich für alle Zeit ein treues Bild von Tiflis einzuprägen.