XIII. Kapitel.
Von T if lis n a c h D s c h u lf a .
Am Morgen des 31. März herrschte ein reges Leben auf dem Hofe
des Hotel du Caucase. Wir rüsteten uns eben zur Weiterreise nach Persien;
obwohl am Abend vorher der gröfste Theil des Gepäckes aufgeladen
und aufgeschnallt war, so ging doch eine Menge Zeit mit dem
Verpacken der kleinen Hand-Bagage verloren. Endlich safsen wir in zwei
bequemen, gut gepolsterten Tarantas, das schwere Gepäck rasselte in der
kleinen Telega nach; ein letzter Abschiedsgrufs ward den anwesenden deutschen
Freunden von Tiflis zugerufen. Das herzliche bon voyage des französischen
General-Consuls Finot, der eben und in aller Eile in das Hofthor
eintrat, um uns Adieu zu sagen, geleitete uns zum Hotel hinaus. Auf wie
lange, ohne es zu ahnen, sollten wir der Wohlthat eines europäischen
Wirthshauses entbehren!
Die Wagen klapperten durch die Strafsen des Bazars, wo eben die
Läden geöffnet wurden, und durch den asiatischen Theil von Tiflis; wir
mufsten lange fahren, ehe die letzten Häuser der Stadt hinter uns lagen.
Jetzt erst warfen wir einen Blick auf unsere nächste Umgebung. Ein
freundlicher Kosaken-Offizier mit einer Abtheilung der ihm untergeordneten
Leute trabte lustig neben unseren Wagen einher. In den blauen Uniformen
mit den rothen Streifen sahen die sauberen Söhne des Don recht schmuck
aus, die lange Lanze und der zottige schwarze Papach gab ihnen den Ausdruck
des Kriegerischen, der in den gutmüthigen, blondbärtigen, blauäugigen
Gesichtem gar nicht zu liegen schien. Es war ein Vergnügen, die kleinen
Kosaken-Pferde so munter einhertraben zu sehen. Scheinbar ohne Ermüdung
legten sie eine deutsche Meile nach der ändern zurück.
Wenn ich einem Kosaken mit seinem Pferdchen begegnete, da fiel mir
immer die rührende Schilderung eines alten Soldaten vom Kaukasus ein,
der lange mit ihnen zusammengelebt hat und ihre Sitten und die Eigentüm
lich k e it ihres Charakters bis in die geringsten Details kennt.
Bekanntlich zerfallen die im Kaukasus stationiften Kosaken, welche
von den Gegenden des Don hierhin verpflanzt worden sind, in zwei grofse,
von einander sehr verschiedene Corps: in die Linien-Kosaken und in die
eigentlichen Donischen Kosaken. Die ersteren bilden sechs Schwadronen,
sind wie. die Tscherkessen uniformirt und bewaffnet und dienen im Lande
als wachsame Vorpostenlinien. Sie haben ihre Kolonien, in denen sie mit
Weib und Kind wohnen, und hier vererbt ¡das Soldaten-Handwerk vom
Vater auf den Sohn. Sie erhalten jährlich nicht ganz 30 Rubel Besoldung,
müssen sich aber dagegen ein Pferd halten, für welches ihnen nur in Kriegszeiten
Fourage-Rationen vergütigt werden.
Verschieden davon sind die rein russisch uniformirten Donischen Kosaken
mit dem Papach der russisch-kaukasischen Armee, die auf drei
Jahre nach dem Kaukasus commandirt zu werden pflegen.
Während die Tscherkessen die Linien-Kosaken als ebenbürtige Gegner
anerkennen, haben sie vor den letztgenannten keine besondere Furcht und
verachten sie sogar. Wehe dem Tscherkessen, der zu den Seinigen mit
einer Lanzenstichwunde heimkehren würde! Man würde ihn als Feigling
bezeichnen, der vor einem Donischen Kosaken floh.
Der Kosak ist ein guter Christ und ein guter Sohn. Ruft ihn die
Pflicht seines Soldatenstandes nach dem Kaukasus, so versäumt sein
„Mütterchen“ gewifs nicht, ihm das Kreuzlein um den Hals zu binden und
ein Pferdchen mit auf den Weg zu geben. Das wird gehegt und gepflegt,
als wär’s ein Kind des Hauses, und das Pferd scheint seinerseits den Kosaken
ganz genau zu kennen und zu verstehen. Wird es k ran k , da wird
der Kosak traurig, und stirbt es ihm, da Iäfst er den Kopf hängen, und
kann den Schmerz, das liebste Andenken des Mütterleins daheim verloren
zu haben, kaum verwinden. Nicht selten sucht er im Branntwein zu vergessen,
was ihm Kummer bereitet, und so wird bisweilen aus dem guten
Soldaten und Sohne ein Trunkenbold.
Zunächst führte uns die Strafse nach Persien, an Bergabhängen entlang,
die sich ziemlich weit hinzogen. Linker Hand blieb di,e Kura liegen. Eine
frische, kühle Luft wehte uns in’s Angesicht. Bald mufsten wir mit den
Wagen ein hohes Plateau ersteigen, auf welchem sich eine prachtvolle Fernsicht
nach einer Fülle schneebedeckter Höhenzüge mit Vorder'terrassen darbot.
Wie ein dünner Schleier umschwebte bläulicher Dunst die Gipfel und
Kämme der malerischen Gebirge.
Ein tiefes, altes Seebecken unterbricht die grade Strafse, das Thal von
Kumm, wie sie’s nennen, berüchtigt wegen seiner schwierigen Passage bei