Horizonte hin läfst eine Reihe langer Vorberge erkennen. Auf der Hochfläche
bis zu ihrem Füfse hin lagern grofse Kameelheerden, welche den
kaufmännischen Waarentransport nach Persien hin vermitteln.
Am Ufer der Kura nahmen wir unsern Thee auf einem persischen
Teppich ein. Frauen gingen und kamen, um aus der Kura Wasser für
den Hausbedarf zu schöpfen.
Der Chef des Bezirkes, zu dem Saloglu gehört, tauchte plötzlich in unserer
Nähe wie aus dem Boden hervor. Es war ein alter, würdiger, russischer
Oberst, der sich auf einige Zeit nach Tiflis beurlaubt hatte, aber um
den Befehlen des Fürsten-Statthalters zu entsprechen, zu Pferde den Weg
von Tiflis bis hierher zurückgelegt hatte, lediglich um den Gesandten einen
Augenblick zu begrüfsen. Einer so grofsen Etiquette wurde natürlich allseitig
mit der ausgesuchtesten Höflichkeit begegnet.
Der alte Oberst, der nur russisch sprach, erzählte viel von den Nomaden
und ihrem Leben in der Steppe.
„Jetzt ist’s kalt und windig hier, so berichtete er unter anderem, aber
warten Sie noch ein paar Monate, da können Sie etwas von Hitze in der
Steppe verspüren. Die brennenden Strahlen der Sonne versengen und dörren
die Grasdecke, mit der sich im Frühling der Boden zu schmücken angefangen
hat. Dann ziehen bei der unerträglichen Hitze die Nomaden mit
ihren Weibern, Kindern, Heerden und sonstigem Hab und Gut nach den
Bergen, um da ihr Quartier unter Zelten aufzuschlagen.“
Ich war neugierig zu wissen, worin der Wohlstand dieser so ärmlich
eingerichteten und so dürftig bekleideten Nomaden bestände. „Glauben
Sie mir, erwiederte der gute Oberst auf meine Frage, dafs manche von
ihnen bis zu 200,000 Silberrubel baares Vermögen besitzen, ohne dafs sie
daran denken, so grofse Summen durch Zinsanlegung nutzbar zu machen.
Ihr einziger Luxus besteht darin, dafs sie sich schöne Teppiche, Samovars
und Gläser kaufen und ihre Weiber mit Ketten und Ducatenschnüren behängen,
die oft einen Werth von 2000 Rubel haben.“ Grade so wie bei
uns, dachte ich bei mir selber, und wunderte mich gar nicht über Nomadenluxus
und Nomadenliebe in der einsamen Steppe.
Am frühen Morgen 5 Uhr hiefs es wieder einsteigen. Wir legten von
da an mit einem ausgezeichneten Jemtschik und vortrefflichen Courier-
pferden in 12 Stunden 110 russische Werst, etwa 16 deutsche Meilen zurück.
Den Abend und die Nacht über blieben wir in dem Dorfe Dilidschan.
Die Reise durch eine grofse ßerglandschaft mit einer Fülle blüthenreicher
Längen- und Querthäler war von höchst malerischer Wirkung und verfehlte
nicht auf uns alle einen unvergefslichen Eindruck zu machen.
Zunächst mufste in der Richtung nach SW. ein gutes Stück Steppe
abgeschnitten werden. Wie der Wind sausten wir in unsern gebrechlichen
Fuhrwerken darüber hin. Die einzigen lebenden Wesen, denen wir wie
im Fluge begegneten, bestanden in weidenden Ziegen-, Büffel- und Kameelheerden.
Die vegetationsleeren Höhen, welche in geringer Elevation das
nächste Reiseterrain bildeten, wurden bald überwunden und kaum zwei Stunden
hernach hatten wir den Ort Hussein -Beglu erreicht und 25 russische
Werst zurückgelegt. Die Steppe verliert von hier an allmählig ihren Charakter,
die Berglandschaft zeigt sich bereits in den anmuthigsten Formen.
Laut rieselnde Quellen und weifsschäumende Bäche liefen neben uns
munter her oder traten uns sogar in den Weg. Allein wir passirten auf
unserer Strafse gar leicht die murmelnde Wasserader. Wie im Wettrennen
so jagt der Schwarm berittener Kosaken und Tataren an uns vorüber, die
behenden Röfslein bald hier, bald dort in schnellen Wendungen herumwerfend,
mit Lanze und Flinte auf einander zielend, mitten im rasenden
Lauf vom Pferde springend, sich wieder hinaufschwingend, dafs es eine
Freude ist, den rossetummelnden Kindern der Steppe zuzuschauen.
Wir haben später dieselben Scenen sich oft wiederholen sehen, und
immer mit gleicher Theilnahme unsererseits. Der Tatar in seiner kleidsamen,
für das Leben auf dem Pferde berechneten Tracht: der bausehigen
weiten Hose, dem kurzen Rocke mit den lang herabhängenden Aermeln,
der schwarzen Pelzmütze, die wie ein spitzes Thurmdach gestaltet ist, dazu
als Bewaffnung der breite Dolch am Gürtel, das lange Feuergewehr, bisweilen
auch noch Säbel und Pistolen, — ich sage, der Tatar hat in seinem
ganzen Wesen Etwas, das in Physiognomie und Charakter halb an den
Europäer, halb an den Asiaten erinnert. So entspricht er in seinen ausgeprägten
Eigenthümlichkeiten ganz und gar seiner geographischen Stellung.
Als die mittägliche Sonne über unsern Häuptern stand und so freundlich
schien, als wäre Adonis bereits aus dem langen Winterschlafe erwacht,
da standen wir am Fufse eines zweiten Höhenzuges, dessen Erhebung über
dem Meeresspiegel nicht unbedeutend sein mufste, da sein Haupt noch mit
einer blendend weifsen Schneedecke umhüllt war. Die Abhänge des Gebirges
waren mit Bäumen und Strauchwerk besetzt, denen die Frühlings