Halsmähne gepackt wurde. Man rifs nun beide auseinander und schickte
sie zu den übrigen Thieren des Zuges. Auf dem Wege dahin brach die
Wuth der einmal erzürnten Kameele von neuem los, doch brachte sie eine
tüchtige Tracht Prügel bald zur Ruhe.
Die Sonne fing an in der Ebene bereits gehörig zu brennen. Je mehr
wir uns der Stadt Eriwan näherten, je trockener, erdiger wurde der Weg,
so dafs wir schliefslich in Staubwolken von allen Seiten eingehüllt waren.
Da wo sich die Senga zwischen steilen Felsenufern rauschend hindurchdrängt,
liegt die alte armenische Hauptstadt. Hat man die Höhe vor Eriwan
erstiegen, so breitet sich Stadt und Festung wie ein grofes Bild sehr
malerisch aus. Hier herrscht mit Ausnahme weniger Gebäude bereits der
persische Stil vor. Ein dunkelgrauer, würfelförmig gestalteter Erdhaufen
bildet ein Haus, viele solcher Würfel nebeneinander gestellt bilden' die
Stadt. Unzählige kleine weifsrindige Pappeln überragen blätterlos die Häuserwürfel.
Die Festung, etwas höher gelegen als die übrige Stadt und an
der einen Seite, da wo das alte Schlofs des ehemaligen persischen Serdars -
liegt, von der Senga bespült, ist ein künstlicher Bau, aus Erdklumpen mit
gehacktem Stroh aufgeführt. Wenn es einmal stark regnete, "sollte man
meinen löse sich die ganze Festung in Schlamm und Brei auf.
Wir fuhren in die Stadt durch die längste Strafse ein. Die Fenster
an den Häusern, hoch gelegen, waren stark vergittert, die' Thüren klein
und geschmacklos. Die Bevölkerung auf der sonnigen Gasse wie ausgestorben,
hier und da begegnete man einem armenischen Bewohner.
Die Strafse mündet in den grofsen Meid an oder Platz. Von der einen
Seite wird dieser durch die Hallen des Bazars und durch Karavanseraien
gebildet, von der anderen durch russische Gouvernements-Gebäude. In
der Mitte des Platzes so etwas wie eine Gartenanlage und ein Springbrunnen
aufser Dienst.
Die Wagen hielten vor dem Hause des Gouverneurs von Eriwan, des
Generals K o lu b a k in .
Hotels für Leute, die „von draufsen“ hergekommen sind und in Eriwan
Rasttag zu halten gedenken, besitzt die Stadt nicht. Ein Konak oder Gastfreund
, dem europäische Sitten und Gewohnheiten nicht fremd sind, mufs
die fremden Wanderer aufnehmen.
Der General K o lu b a k in war auf die Ankunft der preufsischen Mission
vorbereitet. Sein , Neffe, Graf Simonitsch, hatte bereits an der Grenze des
Eriwanschen Gouvernements die Honneurs des Empfanges mit der ihm an-
gebornen Herzlichkeit so anspruchslos erzeigt, als habe seiner Sendung
kein officielles Commando zu Grunde gelegen. Im Hause des russischen
Generales war alles mit europäischem Comfort zum Empfange in Bereitschaft
gesetzt. Wir zogen in die gastlich geöffneten Räumlichkeiten, halb
europäisch, halb asiatisch decorirt, mit jenem Wohlbehagen ein, dessen
sich der Europäer nie entschlagen kann, der aus dem Leben unter un-
civilisirten Völkern plötzlich auf ein heimisches Terrain versetzt wird. Jeder
Gegenstand, selbst der unscheinbarste, den wir in Europa kaum beachtet
haben, erscheint uns neu, beachtungswerth, angenehm.
Der russische General ist ein Respect einfiöfsender Konak. Ein martialisches
Gesicht, stramme,-acht soldatische Haltung,, so eng anliegende
Uniform, dafs der blofse Anblick des hohen zugeknöpften Kragens hinreicht,
um Halsschmerz zu erregen, kurze abgebrochene A.rt Zureden, und
eine Vergangenheit, .deren bester Theil unter den Tscherkessen des Kaukasus
verlebt ist, geben dem gestrengen Herrn General das Recht zu im-
poniren. Neben dem russischen Mars thront als liebliches Gegengewicht
seine Gemahlin, ausgezeichnet durch anmuthsyolle Weiblichkeit, voller Wärme
und Empfindung für alles Gute und Schöne, aber mit einer vom fieberreichen
Klima Eriwans so erschütterten Gesundheit, dafs der Anblick der
armen Dulderin das gröfste Mitleid einfiöfsen mufs. Welch’ ein Gegensatz:
der Gemahl, Se. Excellenz der Gouverneur von Eriwan, mit einem eisernen
Körper und einer Löwenstimme und die zarte Blume an seiner Seite,
die ein blofser Hauch umzuknicken drohte! Doch singt ja schon der Dichter:
Denn, wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da giebt es einen guten Klang.
General Kolubakin war übrigens nicht so schlimm, als er aussah. Neben
Säbelgeklapper, Paradetritt und barschem Commandiren gab es eine
Seite in seinem Wesen, die man hochschätzen mufste und unter der rauhen
Hülle kaum ahnte: eine nicht blofs oberflächliche, sondern gründliche Neigung
sich zu unterrichten und belehren zu lassen, ein Drang nach wissenschaftlicher
Forschung, die sich bei ihm, der fern vom europäischen Büchertische
lebte, in der eifrigen Verfolgung der neuesten und besten Erschei